Nach Mordvorwurf aus Kanada: Indien weist kanadischen Diplomaten aus

Der kanadische Premier Justin Trudeau hatte Indien bezichtigt, am Mord eines in Kanada lebenden Sikh-Anführers beteiligt gewesen zu sein. Daraufhin wies Indien am Dienstag einen kanadischen Spitzendiplomaten aus. Die Spannungen zwischen den beiden Ländern steigen weiter an. Auch die USA und Großbritannien müssten sich dazu positionieren.

Indien hat am Dienstag einen kanadischen Spitzendiplomaten des Landes verwiesen. Zuvor hatte Kanada Indien vorgeworfen, es könne an der Ermordung eines Sikh-Separatistenführers in einem Vorort von Vancouver beteiligt gewesen sein. Die Spannungen zwischen den beiden Ländern verschärfen sich. Darüber berichtet apnews am Mittwoch.

Die Anschuldigungen seien absurd, hieß es dazu aus Indien. Das indische Außenministerium erklärte, die Ausweisung erfolge inmitten "wachsender Besorgnis über die Einmischung kanadischer Diplomaten in unsere internen Angelegenheiten und ihre Beteiligung an anti-indischen Aktivitäten".

Der kanadische Premierminister Justin Trudeau versuchte am Dienstag offenbar, den diplomatischen Konflikt zu entschärfen. Er erklärte gegenüber Reportern, Kanada wolle "weder provozieren noch eskalieren". "Wir legen einfach die Fakten dar, so wie wir sie verstehen, und wir wollen mit der indischen Regierung zusammenarbeiten, um alles transparent zu machen und sicherzustellen, dass es ordnungsgemäße Prozesse gibt", sagte er. "Indien und die indische Regierung müssen diese Angelegenheit mit größter Ernsthaftigkeit behandeln."

Noch am Montag hatte Trudeau erklärt, es gebe "glaubwürdige Behauptungen" über eine indische Beteiligung an der Ermordung von Hardeep Singh Nijjar, einem 45-jährigen Sikh-Führer. Der in Indien gebürtige Sikh-Anführer war im Juni in einem Vorort von Vancouver von maskierten Bewaffneten getötet worden. Schon seit Jahren habe Indien behauptet, Nijjar unterhalte Verbindungen zum Terrorismus.

Nach Aussagen eines US-Beamten soll sich Trudeau mit der US-Regierung über die kanadischen Erkenntnisse ausgetauscht haben, bevor er sie öffentlich machte. Demnach soll das Weiße Haus angenommen haben, Kanadas Regierungschef mache gesicherte Angaben über den Mord an dem Sikh-Führer.

Dem apnews-Bericht zufolge habe Kanada aber noch keine Beweise für eine indische Beteiligung vorgelegt. Sollte sich der Vorwurf allerdings bewahrheiten, wäre dies ein großer Einschnitt für Indien. Dessen Sicherheits- und Nachrichtendienste seien seit langem wichtige Akteure in Südasien und stehen im Verdacht, an einer Reihe von Morden in Pakistan beteiligt gewesen zu sein.

"Die Ermordung eines kanadischen Staatsbürgers in Kanada zu arrangieren, wo fast 2 Millionen Menschen indischer Abstammung leben, wäre jedoch ein beispielloser Vorgang",

heißt es dazu bei apnews.

Schon während des G20-Treffens in Neu-Delhi sei eine Begegnung zwischen Trudeau und dem indischen Premierminister Narendra Modi "frostig" verlaufen. Kurz darauf habe Kanada eine für den Herbst geplante Handelsmission nach Indien abgesagt. Durch die Ausweisung des Diplomaten eskalierten die Spannungen zwischen den beiden Ländern weiter.

Auch in Großbritannien machten sich die Differenzen inzwischen bemerkbar. Nach der Verhaftung eines bekannten Sikh-Predigers in Indien randalierten Sikh-Demonstranten vor der diplomatischen Vertetung Indiens in London. Sie rissen die indische Flagge herunter und zerschlugen die Fenster des Gebäudes. Auch im Generalkonsulat Indiens in San Francisco, Kalifornien, demolierten Demonstranten die Fenster und lieferten sich Scharmützel mit Konsulatsmitarbeitern.

Unterdessen erklärte die britische Regierung am Dienstag, dass es nicht geplant sei, den Tod eines in Großbritannien ansässigen Sikh-Aktivisten erneut zu untersuchen. Nach einer Erkrankung war der Sikh-Anführer Avtar Singh Khanda im Juni in der englischen Stadt Birmingham verstorben. Anschließend unterstellten seine Unterstützer, er sei möglicherweise vergiftet worden. Laut Aussage des Sprechers von Premierminister Rishi Sunak, Max Blain, habe die Polizei nichts Verdächtiges gefunden.

Für Großbritannien seien die Vorwürfe der Trudeau-Regierung äußerst unangenehm, so apnews. Schließlich strebe Großbritannien ein Freihandelsabkommen mit Indien an. Zugleich sei das Vereinigte Königreich in der "Five Eyes"-Allianz ein enger Verbündeter Kanadas, welche auch dem Austausch von Geheimdienstinformationen diene. Dieser Allianz gehören ferner die USA, Australien und Neuseeland an. "Dies sind ernste Anschuldigungen. Es ist richtig, dass die kanadischen Behörden ihnen nachgehen", sagte Blain. Solange die Untersuchungen noch nicht abgeschlossen seien, solle man sich nicht dazu äußern.

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