Der nordkoreanische Staatschef Kim Jong-un traf am Mittwoch auf dem Weltraumbahnhof Wostotschny in Russlands Fernem Osten mit Präsident Wladimir Putin zu Gesprächen zusammen, bei denen es den Berichten zufolge um die Lieferung der Munition an Russland inmitten des Ukraine-Krieges geht. Als Gegenleistung für die Bereitstellung von Munition werde Nordkorea wahrscheinlich Lebensmittel- und Energielieferungen sowie den Transfer hoch entwickelter Waffentechnologien verlangen, so spekulierten die Beobachter. Im Westen wird vermutet, dass Verteidigungsminister Sergei Schoigu dies bei seinem Besuch in Pjöngjang im Juli vorbereitet haben könnte.
Der russische Präsidialamtssprecher Dmitri Peskow hatte am Dienstag auf eine entsprechende Frage allerdings lediglich geantwortet: "Unsere Länder kooperieren in sensiblen Bereichen, die nicht öffentlich gemacht werden sollten." Man werde die Beziehungen zu "unseren Nachbarn, darunter Nordkorea", ohne Rücksicht auf "Warnungen aus Washington" gestalten. Die westlichen Sorgen nährte er, indem er erklärte, Schoigu werde an dem Gespräch Putins mit Jong-un teilnehmen.
Das Treffen der Staatschefs unterstrich die sich vertiefende Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern, die sich in einer Konfrontation mit dem Westen befinden. Das Treffen mit Putin ist das erste Treffen der nordkoreanischen Staatschefs mit einem ausländischen Staatsoberhaupt seit der Schließung der nordkoreanischen Grenzen im Januar 2020. Die beiden trafen sich zum ersten Mal im April 2019, zwei Monate nach dem Scheitern von Jong-uns hochriskanter Atomdiplomatie mit dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump.
Es bleibt unklar, wie weit die militärische Zusammenarbeit zwischen Russland und Nordkorea gehen könnte, aber jedes Anzeichen einer Erwärmung der Beziehungen wird Rivalen wie die USA und Südkorea beunruhigen. Russland versucht, die ukrainische Gegenoffensive, die mittlerweile ins Stocken geraten ist, zum totalen Scheitern zu bringen, während Nordkorea eine Rekordzahl von Raketentests durchführt, um gegen die USA zu protestieren, die eine Militärbündnis mit Südkorea und Japan anstreben.
Der Kreml betrachtete Nordkorea bisher als fest in der Umlaufbahn Chinas verankert und "sehr selten" würde Moskau einen Kurs verfolgen, der nicht im Gleichschritt mit den Ansichten Pekings steht, kommentierte Al Jazeera. Und wenn ein Abkommen zustande kommt, sollte Washington davon ausgehen, dass es stillschweigend den Segen Pekings habe, sagte Fyodor Tertitskiy, ein Historiker Nordkoreas und führender Forscher am Institut für Koreanische Studien der Kookmin Universität in Südkoreas Hauptstadt Seoul.
Als das nordkoreanische Staatsoberhaupt Ende April 2019 zum ersten Mal Russland besuchte, waren Moskaus Beziehungen zu Washington nicht so schlecht wie heute. Die Kremlführung hob damals hervor, dass Moskau und Washington das Ziel der "völligen Entnuklearisierung" der koreanischen Halbinsel teilten.
Inmitten des Ukraine-Krieges hat sich aber die geopolitische Lage verschoben. Russland ist derzeit alarmiert wegen der neuen Dreierallianz aus den Vereinigten Staaten, Südkorea und Japan. Die USA arbeiten derzeit daran, die NATO auf den Fernosten zu erweitern, obwohl Paris sich ausdrücklich dieser Idee widersetzt hat. Russland bezeichnet schon den Ukraine-Krieg als Teil eines Ringens um eine multipolare Weltordnung. Die Ausweitung der sicherheitspolitischen Zusammenarbeit zwischen Südkorea, den USA und Japan könnte auch Kim Jong-un dazu veranlassen, zum ersten Mal Übungen mit Russland und China abzuhalten, so die Experten aus Südkorea.
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