Saudi-Arabien erntet die geoökonomischen Früchte des amerikanisch-chinesischen Wettbewerbs

Dank dreier wichtiger Entwicklungen des vergangenen Jahres, die alle direkt aus der Vision 2030 hervorgegangen sind, konnte Mohammed Bin Salman das scheinbar Unmögliche schaffen: nämlich die geoökonomischen Früchte des Wettbewerbs zwischen China und den USA so zu ernten, dass Saudi-Arabien von diesen beiden Ländern sowie Russland, Indien und der EU gleichzeitig profitiert.

Von Andrew Korybko

Saudi-Arabien profitiert in höchstem Maße von der Konkurrenz zwischen China und den USA, wie drei wichtige Entwicklungen in diesem Jahr bisher beweisen. Erstens vermittelte China im Frühjahr die saudi-arabisch-iranische Annäherung. Weniger als ein halbes Jahr später folgte die zweite Errungenschaft: die Aufnahme der beiden Länder als Vollmitglieder in die BRICS. Der dritte Schritt erfolgte dann nicht einmal einen Monat später, als die USA auf dem G20-Gipfel am vergangenen Wochenende Saudi-Arabien dazu einluden, dem Wirtschaftskorridor Indien-Mittlerer Osten-Europa (IMEC) beizutreten.

All dies wäre nicht geschehen, wenn Kronprinz Mohammed Bin Salman nicht die ehrgeizige Vision 2030 verfolgt hätte, die sich als eine Kombination aus umfassenden Reformen im Inland und geostrategischem Ausgleich im Ausland zusammenfassen lässt. Zu diesem Zweck revolutionierte er die Gesellschaft seines Landes und bemühte sich um eine Abkehr von der Abhängigkeit der Wirtschaft von Energieexporten, um das erste Ziel zu erreichen, während das Zweite durch die Pflege strategischer Beziehungen zu nicht traditionellen Partnern wie China, Russland und Iran vorangetrieben wurde.

Letzteres wurde durch die Streitigkeiten zwischen Mohammed Bin Salman und den beiden letzten demokratischen Regierungen der USA stark begünstigt. Diese veranlassten ihn, den neu gefundenen geostrategischen Balanceakt seines Landes zu beschleunigen, indem er sich in jeder Hinsicht aktiver mit China auseinandersetzte. Obamas Abschluss des Atomabkommens mit Iran und Bidens Kritik an Saudi-Arabien wegen dessen Verhalten im Jemen-Krieg und des Todes von Jamal Khashoggi sorgten dafür, dass Riad den Beziehungen zum chinesischen Systemrivalen der USA Priorität einräumte.

Es ist Mohammed Bin Salman hoch anzurechnen, dass diese Beziehungen trotz des saudi-arabisch-amerikanischen Tauwetters unter Trump und allem, was der ehemalige amerikanische Staatschef getan hat, um Iran zu untergraben, weiter gewachsen sind. Diese Beobachtung zeigt, wie ernst es ihm mit der Umsetzung der Vision 2030 war, denn er hätte das Tempo dieser Initiative in dieser Zeit leicht verlangsamen oder sie ganz aufgeben können. Stattdessen setzte er sich weiterhin für die Pflege strategischer Beziehungen zu China ein, was schließlich zur Annäherung seines Landes an Iran führte.

Diese Entwicklung war ein Wendepunkt, da sie gleichzeitig beide komplementären Ziele der Vision 2030 erfüllte: Es wurden regionale wirtschaftliche Möglichkeiten erschlossen und gleichzeitig strategische Beziehungen zu einem Land aufgebaut, das bis dahin für Saudi-Arabien der unwahrscheinlichste Partner in der Welt gewesen war. China vermittelte diesen Deal, da die daraus resultierenden regionalen wirtschaftlichen Integrationsprozesse mit der im Rahmen der Belt and Road Iniative angestrebten Schicksalsgemeinschaft der Menschheit übereinstimmen.

Dementsprechend war der nächste natürliche Schritt die Aufnahme dieser beiden ehemaligen Rivalen in die BRICS, was den strategischen geoökonomischen Interessen des RIC-Kerns dieser Gruppe diente. China beabsichtigt, dass der reale Handel mit Saudi-Arabien eines Tages weitgehend auf dem Landweg über den Wirtschaftskorridor China-Zentralasien-Westasien abgewickelt wird, dessen südlicher Zweig durch Iran führt. Russland wiederum möchte Saudi-Arabien in seinen Nord-Süd-Transportkorridor (NSTC) mit Iran einbinden.

Spürbare Fortschritte in dieser Richtung wurden Ende letzten Monats erzielt, als der allererste nach Saudi-Arabien fahrende russische Güterzug in der Islamischen Republik eintraf, der über diesen multimodalen Korridor in das Königreich unterwegs war. Was die indische Dimension anbelangt, so werden der bilaterale Handel und die Investitionen absehbar zunehmen, da Saudi-Arabien nun Mitglied der BRICS ist, aber das ist noch nicht alles. Dies war die Grundlage dafür, dass die beiden am vergangenen Wochenende gemeinsam mit ihren emiratischen, amerikanischen und europäischen Partnern den IMEC gründeten.

Wäre Saudi-Arabien außerhalb der BRICS geblieben, hätte das Königreich möglicherweise gezögert, dem IMEC beizutreten. Grund dafür war die Sorge, dass diese Reihe von Megaprojekten von China als Konkurrenz zur Belt and Road Initative wahrgenommen werden könnte, wodurch unnötigerweise Misstrauen in die sich schnell entwickelnde strategische Partnerschaft gesät worden wäre. Dies hätte wiederum dazu führen können, dass entweder der Balanceakt Saudi-Arabiens erschwert wird, wenn Mohammed Bin Salman trotzdem mitmacht, oder dass der IMEC unmöglich wird, da sein Land der unausweichliche Transitstaat ist.

Es wurde also der bestmögliche Mittelweg gefunden, indem Saudi-Arabien seine wirtschaftlich-finanzielle Zusammenarbeit mit dem neuen, nicht traditionellen Partner China institutionalisierte und gleichzeitig eine potenziell unverhältnismäßige Abhängigkeit von der Volksrepublik über den IMEC präventiv abwehrte. Letzteres diente auch dazu, den USA den Verdacht zu ersparen, dass die Annäherung Saudi-Arabiens an Iran und die Mitgliedschaft in den BRICS gegen sie gerichtet sind, nachdem Riad zugestimmt hatte, eine unverzichtbare Rolle in diesem Indo-EU-Korridor zu spielen.

Durch diese drei wichtigen Entwicklungen des vergangenen Jahres, die alle direkt aus der Vision 2030 hervorgegangen sind, konnte der MBS das scheinbar Unmögliche schaffen. Er konnte die geoökonomischen Früchte des Wettbewerbs zwischen China und den USA so ernten, dass Saudi-Arabien von diesen beiden Ländern sowie Russland, Indien und der EU gleichzeitig profitiert. Dieses Ergebnis positioniert sein Königreich im Zentrum des globalen Übergangs zu einer multipolaren Ordnung, was diesem vergleichsweise jungen Staatschef einen übergroßen Einfluss auf die Gestaltung der entstehenden Weltordnung verleiht.

Übersetzt aus dem Englischen.

Andrew Korybko ist ein in Moskau ansässiger amerikanischer Politologe, der sich auf die US-Strategie in Afrika und Eurasien sowie auf Chinas Belt and Road-Initiative, Russlands geopolitischen Balanceakt und hybride Kriegsführung spezialisiert hat.

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