Die Absage von Chinas Staatschef Xi Jinping hinsichtlich seiner Teilnahme am G20-Gipfeltreffen mag ein Affront gegen die aufstrebende Macht Indien sein, obwohl ja der US-Präsident Joe Biden, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der Premierminister Anthony Albanese aus Australien und andere Staatsoberhäupter zur Teilnahme am Gipfeltreffen anreisen. Olaf Scholz kommt auch. China und Indien jedoch stehen nicht nur in Konkurrenz, sondern auch in einem Grenzkonflikt im Himalaya, der sich seit drei Jahren verschärft hat. Indien hat den G20-Vorsitz zu einem Zeitpunkt übernommen, als Indien für den geopolitischen Wettbewerb zwischen USA und China immer wichtiger geworden ist. Die USA versuchen, Widersprüche in Asien für sich auszunutzen, um so Indien in ihren geopolitischen Konflikt gegen China hineinziehen zu können.
Weniger als drei Monate nach dem ehrenvollen Empfang des indischen Premierministers Narendra Modi im Weißen Haus in Washington, D.C. wird auch Biden am Freitag – einen Tag vor Beginn des Gipfels der Gruppe der 20 – in Neu-Delhi eintreffen, um eine weitere Runde von Einzelgesprächen mit Modi als dem Führer der nunmehr bevölkerungsreichsten Nation der Welt zu führen.
Indien hat Ende letzten Monats auf diplomatischem Wege bei Peking Einspruch gegen Chinas diesjährige neue Landkarte erhoben, die Anspruch auf Indiens Gebiet entlang der gemeinsamen Grenze erhebt. Die Karte wurde nur wenige Tage nach einem Treffen zwischen Modi und dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping am Rande eines Gipfeltreffens der BRICS-Staaten veröffentlicht, bei dem noch zwischen beiden vereinbart worden war, sich für eine Deeskalation der Spannungen an der umstrittenen Grenze einzusetzen. China und Indien stehen sich seit 2020 mit Tausenden von Soldaten in einer umstrittenen Region des Himalaya gegenüber, wo es bei Scharmützeln zu den ersten tödlichen Zusammenstößen seit Jahrzehnten kam.
Die US-Vizepräsidentin Kamala Harris sprach sich am Mittwoch in einem Interview mit The Associated Press am Rande eines Gipfeltreffens südostasiatischer Staats- und Regierungschefs in Indonesien gegen Chinas neue Landkarte aus. "Das ist ein Verstoß gegen das Gesetz", sagte Harris der AP.
Es ist unwahrscheinlich, dass bei dem Treffen am Freitag so viele wichtige Vereinbarungen getroffen werden. Dennoch werden die USA versuchen, "etwas auf den Tisch zu legen", prognostizierte Richard Rossow, ein leitender Berater am Center for Strategic and International Studies. Rossow sagte: "Modi würde es begrüßen, wenn die Regierung Biden bei der Neuausrichtung ihrer indopazifischen Politik die Region des Indischen Ozeans stärker in den Mittelpunkt stellen würde." Indien sei besorgt, dass die Vereinigten Staaten sich zu sehr auf Taiwan, das Südchinesische Meer, das Ostchinesische Meer und die pazifischen Inseln konzentrieren, sagte Rossow: "Der Region des Indischen Ozeans wird nicht annähernd genug Aufmerksamkeit geschenkt. Und dort sieht Indien nun seine größten Sicherheitsbedenken wachsen."
Laut der indischen Regierung soll es bei diesem G20-Gipfel um "Widerstandsfähigkeit gegen Katastrophen" gehen, vor allem gegen die Folgen der Erderwärmung. Auch um globale Lieferketten soll es gehen, um Wachstum und Entwicklung, Nahrungsmittelversorgung und um Kryptowährungen sowie um die Kontrolle der internationalen Finanzmärkte. Biden wird aber diese Bühne für US-Ambitionen im Pazifik gegen China nutzen und Indien dafür anwerben wollen.
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