Der prominente ukrainische Oppositionelle Wiktor Medwedtschuk hat in einer am Montag veröffentlichten Erklärung seine in der EU lebenden Landsleute aufgefordert, schnellstmöglich nach Russland zu flüchten. Diesen Rat gibt er angesichts zahlreicher Berichte darüber, dass mehrere EU-Länder planen, ukrainische Männer im wehrfähigen Alter, die vor Krieg und Mobilisierung in Europa Zuflucht suchten, in ihr Heimatland zurückzuschieben. Damit geben diese Länder entsprechenden Forderungen Kiews nach.
Der Vorsitzende von Selenskijs Parlamentsfraktion "Diener des Volkes", Dawid Arachamija, sagte am Wochenende im ukrainischen Fernsehen:
"Wir haben jetzt sehr positive Aussichten auf der Linie der internationalen Rechtshilfe. So können unsere Strafverfolgungsbehörden in jedem Land der Welt, mit Ausnahme Russlands, Anträge auf Auslieferung solcher Personen (die sich der Mobilisierung durch Ausreise entzogen) stellen und sie in die Ukraine bringen, damit sie die entsprechende Verantwortung tragen."
Medwedtschuk erklärte, dass die geplante Auslieferung von kriegsdienstunwilligen Ukrainern das "Recht, nicht zu kämpfen, Pazifist zu sein, kriegsfeindliche politische und religiöse Ansichten zu haben", verletze. Der Westen beweise damit einmal mehr, dass er "leidenschaftlich gern" Krieg mit Russland führt, aber nur mithilfe von Ukrainern, die er "dem Selenskij-Regime bereitwillig zur Verfügung stellt".
Der Oppositionspolitiker erinnert daran, dass in der Ukraine Pazifisten schon seit 2014 verfolgt werden, wofür er den Fall des inzwischen für den Friedensnobelpreis nominierten Ruslan Kozaba als Beispiel anführt. Auch ukrainische Parteien, die sich für den Frieden einsetzten, wurden vor langer Zeit verboten, und ukrainische Medien, die solche Äußerungen zuließen, geschlossen.
Dass die Ankündigungen, ukrainische Männer an die Ukraine auszuliefern, bald in die Tat umgesetzt werden, hält der ukrainische Politiker für sehr wahrscheinlich:
"Aber die westlichen Länder könnten durchaus die Auslieferung von Ukrainern unterstützen. Warum? Weil der Krieg für die Behörden dieser Länder profitabel ist, sie sich daran bereichern und nicht aufhören können. Die Haushaltsmittel für Verteidigung wachsen, der Handel mit Waffen bringt Einnahmen, die Kriegsparteien erhalten finanzielle Mittel und Unterstützung. In dieser Situation interessieren sich die westlichen Nutznießer des Krieges nicht für das Schicksal der ukrainischen Flüchtlinge."
Was sollen die Ukrainer tun, die nicht kämpfen wollen, fragt Medwedtschuk und gibt diese Antwort:
"Kommen Sie nach Russland, von hier werden Sie nicht ausgeliefert! Hier werden Sie nicht gezwungen, für Selenskij zu kämpfen. Russland ist heute die Rettung für Ukrainer, denn der Westen hat sie vor langer Zeit verraten und wird sie immer wieder verraten. Russland nimmt Millionen von ukrainischen Bürgern auf, gibt ihnen die Möglichkeit, sich niederzulassen, ein anständiges Leben zu beginnen, Karriere zu machen und Geschäfte zu betreiben. Die ukrainischen Behörden versuchen weiterhin, die Ukrainer mitsamt ihren Gebieten nach Russland zu drängen, und das gelingt ihnen gut."
Unterdessen meldet die polnische Zeitung Rzeczpospolita am Montag, dass Polen bereits damit begonnen hat, ukrainische Kriegsflüchtlinge männlichen Geschlechts, die nach Auffassung der Kiewer Behörden illegal ausgereist sind, in die Ukraine zu deportieren.
Der habilitierte Jurist Wiktor Medwedtschuk wurde bekannt als Mitbegründer der Sozialdemokratischen Partei der Ukraine und Abgeordneter des ukrainischen Parlamentes. Von 2002 bis 2005 war er unter Präsident Kutschma Leiter von dessen Präsidialverwaltung. Nach dem Sieg des Maidan im Februar 2014 beteiligte er sich an diversen oppositionellen Projekten.
Im September 2021 wurde Wiktor Medwedtschuk des Hochverrates beschuldigt und unter Hausarrest gestellt. Am 20. März 2022 verbot Präsident Selenskij schließlich per Dekret die "Oppositionsplattform – Für das Leben", ebenso wie neun weitere oppositionelle Parteien, vorerst "für die Dauer des Kriegsrechts".
Der ukrainische Geheimdienst SBU verhaftete Medwedtschuk am 20. April 2022 und steckte ihn in ein "Verlies", wo er nach eigenen Angaben "ständigem psychologischen Druck und Demütigungen" ausgesetzt war. Im September 2022 wurde er nach Polen und dann in die Türkei geflogen, wo man ihn schließlich den russischen Behörden übergab. Wiktor Medwedtschuk lebt heute in Russland.
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