Die Außenminister der Europäischen Union äußerten am Donnerstag ihre tiefe "Besorgnis" über die wachsende Zahl von Militärputschen in Afrika. Die EU arbeitete zuletzt an einem Sanktionspaket gegen die Junta in Niger, die vor einem Monat das alte pro-westliche Regime gestürzt hatte. Am Mittwoch wurde die ölreiche Nation Gabun schließlich zum achten zentral- oder westafrikanischen Land, das in den letzten drei Jahren von einer Machtübernahme der Militärs betroffen war. "Wenn der Staatsstreich in Gabun bestätigt wird, handelt es sich um einen weiteren Militärputsch, der die Instabilität in der gesamten Region vergrößern wird", erklärte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Mittwoch. Man werde sich auch damit beschäftigen – neben "dem anderen Putsch", der die Interessen der Europäischen Union noch viel stärker berühre. Damit meinte er wohl Niger.
Die westliche Hegemonie in Afrika ist infolge der jüngsten Putschserie ins Wanken geraten. Viele Europäer befürchten, dass die instabile Lage im globalen Süden noch mehr Menschen in die Flucht treiben wird, zumal die 27 EU-Mitgliedsstaaten sich schon jetzt uneins darüber sind, wie sie mit der großen Zahl der ankommenden Migranten umgehen sollen. Einige europäische Länder haben starke wirtschaftliche Interessen in Afrika, insbesondere Frankreich mit seinem Bedarf an Uran aus Niger. Der wachsende Einfluss Russlands und die wirtschaftliche Macht Chinas zwingen die Europäische Union ebenfalls dazu, ihre Politik zu überdenken, kommentierte die Nachrichtenagentur AP.
"Es ist klar, dass die Dinge nicht gut gelaufen sind, wenn man die Verbreitung von Militärputschen und die Präsenz der Wagner-Gruppe in der Zentralafrikanischen Republik, Mali und Burkina Faso betrachtet", sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Donnerstag.
Im Gespräch mit Journalisten in Toledo, wo die EU-Außenminister tagten, erklärte der irische Außenminister Micheal Martin, dass die Ausbildung und Unterstützung von Armeen in Afrika, die sich später gegen ihre Regierungen wenden könnten, "ein sehr großes Dilemma darstellt." Die belgische Außenministerin Hadja Lahbib betonte, es sei wichtig, Europas "Errungenschaften" in Afrika zu bewahren und Dominoeffekte zu verhindern, "wie wir sie derzeit in Gabun erleben."
Borrell sagte, dass die EU eine Liste von Maßnahmen gegen die am Staatsstreich in Niger Beteiligten aufstellen werde, die mit den von der ECOWAS in Erwägung gezogenen Sanktionen übereinstimmen werde. EU-Sanktionen erfolgen meist als Einfrieren von Vermögenswerten und in Form von Reiseverboten. Europa und vor allem Frankreich unterstützten in den vergangenen Jahren die nun vom Militär gestürzten Regierungen im Westafrika, profitierten im Gegenzug von wirtschaftlichen Vorteilen und plünderten die dortigen Ressourcen aus.
Deutschland und Frankreich haben bereits vor dem Gipfel in Toledo die Initiative ergriffen. Demnach soll ein neuer Sanktionsrahmen geschaffen werden, um die "Untergrabung der Demokratie" bestrafen zu können. Im nächsten Schritt sollen dann Personen und Institutionen mit Reise- und Vermögenssperren belegt werden.
Die Außenminister diskutierten in Toledo Berichten zufolge auch darüber, wie sie mit der Bitte der westafrikanischen Staatengemeinschaft ECOWAS umgehen wollen, ihre Interventionstruppe finanziell zu unterstützen, die für einen möglichen Einsatz gegen die neue Regierung in Niger aufgestellt wird. Wie von EU-Diplomaten zu hören war, hatte Frankreich die ECOWAS zu diesem Schritt ermuntert und informell Hilfe aus Brüssel in Aussicht gestellt. Der italienische Außenminister Antonio Tajani warnte jedoch am Donnerstag, dass die Anwendung von Gewalt "eine Katastrophe wäre."
"Ein Krieg in Niger bedeutet, dass noch mehr Menschen das Land verlassen, ähnlich wie im Sudan", sagte Tajani und merkte an, dass jede "Instabilität in Afrika eine Gefahr für die illegale Einwanderung" sei.
Die jüngsten Machtwechsel in Afrika werden als eine Welle von Rebellionen interpretiert, im Rahmen derer sich die Länder in der Sahel-Zone aus der neokolonialen Abhängigkeit vom Westen und vor allem von Frankreich zu lösen versuchen. Der Kontinent ist reich an Rohstoffen. Die Bevölkerung aber bleibt arm und wird ärmer, während westliche Konzerne und die vom Westen installierten Machthaber in Afrika ihre eigenen Geschäfte machen.
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