Medien: Kiews Gegenoffensive spaltet ukrainische Regierung

Einem Medienbericht zufolge laufe die ukrainische Offensive zu langsam und nicht erfolgreich. Deswegen gebe es in der ukrainischen Regierung derzeit Debatten hinsichtlich der künftigen Strategie. Zivilbeamte und Militärs seien sich in dieser Frage uneins.

Die zu lange dauernde und erfolglose Offensive der Ukraine verschärft auf höchster Ebene der ukrainischen Regierung die gegensätzlichen Meinungen hinsichtlich der Strategie. Dies berichtet das US-amerikanische Nachrichtenmagazin Newsweek unter Berufung auf seine Quellen. Einige Mitarbeiter im Büro des ukrainischen Präsidenten sollen demnach mit der Militärführung unzufrieden sein.

Einige der Beamten befürworteten die Konsolidierung der erzielten Erfolge und die Vorbereitung auf eine erwartete russische Offensive. Die Militärs – darunter der Oberbefehlshaber der Armee, Waleri Saluschny – beharrten jedoch darauf, weiterzukämpfen, und würden Kritik als "auf Missverständnissen beruhende Ungeduld" zurückweisen. Die Zeitung zitiert eine der ukrainischen Regierung nahestehende Quelle mit den Worten:

"Auf der militärischen Seite gibt es Saluschny und andere – aber natürlich hat er das Kommando –, die weiter Druck ausüben wollen. Auf der politischen Seite stellt sich die Frage, ob das im Moment am sinnvollsten ist. Oder ist es sinnvoll, sich in einigen Gebieten so weit wie möglich zu konsolidieren und den Druck auf die Nachschublinien und Lagerbestände zu verringern?"

Der Informant teilte außerdem mit, dass man in den zivilen Regierungskreisen das Gefühl habe, vom Militär hinsichtlich der Gegenoffensive in die Irre geführt und mit zu rosigen Einschätzungen versorgt worden zu sein. Darüber seien die zivilen Regierungsbeamten sehr unzufrieden, so die Quelle.

Des Weiteren hegten derzeit auch westliche Beamte die Sorge, dass die Gegenoffensive zu langsam vorankomme. Allmählich würden alle Beteiligten anfangen, einander die Schuld dafür zu geben, führte die Quelle aus.

Die Zeitung schreibt, Selenskij stehe vor einer unmöglichen Wahl: Entweder er geht aufs Ganze und riskiert einen kostspieligen Misserfolg, oder er begrenzt die Verluste der Ukraine und akzeptiert eine politisch schädliche Niederlage.

Auf die Frage, ob unbefriedigende Ergebnisse auf dem Schlachtfeld zu Umstrukturierungen in der ukrainischen Militärführung führen könnten, sagte der Informant der Zeitung, er habe von solchen Absichten zwar nichts gehört, man könne aber durchaus von einem solchen Szenario ausgehen.

Das ukrainische Präsidialamt hat auf die Bitte von Newsweek um einen Kommentar zu diesen Informationen nicht reagiert.

Die Ukraine hatte Anfang Juni eine Gegenoffensive gestartet. Sowohl die westlichen Länder als auch Kiew haben bereits eingeräumt, dass sie zu langsam laufe. Die ukrainischen Behörden gaben als einen der Gründe einen Mangel an Waffen an. Der ukrainische Präsident, Wladimir Selenskij, begründete seinerseits die langsame Offensive mit den Schwierigkeiten auf dem Schlachtfeld und den verstärkten Verteidigungslinien Russlands.

Das russische Verteidigungsministerium hat ebenfalls wiederholt über das Scheitern der ukrainischen Gegenoffensive berichtet. Der Verteidigungsminister Russlands, Sergei Schoigu, erklärte, Kiew sei bei der Offensive nicht erfolgreich gewesen, was auf "eine kompetent aufgebaute Verteidigung, eine geschickte Organisation des Feuersystems, professionelle Maßnahmen, Ausdauer und Beharrlichkeit der russischen Soldaten" zurückzuführen sei. Nach Angaben der russischen Seite habe die Ukraine während der Offensive bereits 43.000 Militärangehörige verloren.

Präsident Wladimir Putin erklärte Ende Juli, die ukrainische Gegenoffensive sei gescheitert und die westlichen Länder seien "eindeutig enttäuscht" von ihren Ergebnissen.

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