Von Andrew Korybko
Die Anwesenheit der Gruppe Wagner in Weißrussland dient Polen und seinem litauischen Verbündeten als perfekter Vorwand, um die Spannungen mit Russland zu eskalieren. Beide könnten diesen Umstand ausnutzen, um die de facto Blockade der russischen Enklave Kaliningrad vom vergangenen Sommer erneut durchzusetzen, und so dem Szenario einer Wiederaufnahme der Friedensgespräche bis zum Jahresende zuvorkommen, nachdem die Gegenoffensive der Ukraine zu einem endgültigen Stillstand gelangt sein wird.
Die Verlegung der Gruppe Wagner nach Weißrussland löste in Polen Panik aus, nachdem Ministerpräsident Mateusz Morawiecki die Panik geschürt hatte, dass diese Gruppe plane, eine weitere Flüchtlingskrise an der Grenze zu Polen auszulösen und unter diesem Deckmantel sogar versuchen könnte, in sein Land einzudringen. Es gibt keine glaubwürdigen Gründe für diese Annahme oder dass die Gruppe Wagner sogar in den sogenannten Suwalki-Korridor eindringen wird, wie einige behauptet haben. Tatsächlich nutzt Polen die Präsenz der Wagner-Gruppe in Weißrussland als Vorwand, um drei seiner strategischen Interessen voranzutreiben.
Das erste Interesse besteht darin, dass die Regierungspartei PiS (Recht und Gerechtigkeit) im Rahmen ihrer Wahlkampfstrategie die imaginäre Bedrohung, die von dieser Gruppe ausgeht, absichtlich anheizt, genau so wie der frühere Premierminister und derzeitige Oppositionsführer Donald Tusk es kürzlich beklagt hat. In seinen Worten:
"Es scheint, dass die PiS eine Bedrohung durch die Gruppe Wagner hinauf beschwört, weil sie Angst vor den kommenden Wahlen hat. Indem sie künstlich den Eindruck einer beispiellosen nationalen Sicherheitskrise erzeugt, hofft sie, die Polen um sich zu scharen und versucht, nach den Wahlen Mitte Oktober an der Macht zu bleiben."
Das zweite strategische Interesse, das unter diesem Wagner-Vorwand bedient werden soll, besteht darin, die geplante militärische Aufrüstung Polens entlang der weißrussischen Grenze zu rechtfertigen. Dies sagte der stellvertretende russische Außenminister Michail Galuzin gegenüber der Nachrichtenagentur TASS am vergangenen Donnerstag, was mit dem übereinstimmt, wovor Präsident Wladimir Putin bereits Ende vergangenen Monats gewarnt hatte. Es bleibt unklar, ob Polens schleichende wirtschaftliche Kontrolle über die Westukraine eine militärische Form annehmen wird oder nicht, aber diese militärische Aufrüstung könnte grenzüberschreitenden Maßnahmen vorausgehen und diese erleichtern, wenn der Befehl dazu erteilt wird.
Und schließlich drohte der stellvertretende polnische Innenminister am vergangenen Mittwoch, dass Polen und Litauen als Reaktion auf die Präsenz der Gruppe Wagner in Weißrussland durch die Schließung seiner Bahnübergänge das Land völlig isolieren könnten. Dies deutet darauf hin, dass diese beiden Länder möglicherweise eine gefährliche Eskalation im Stellvertreterkrieg zwischen der NATO und Russland in der Ukraine planen, indem sie eine Blockade gegen Kaliningrad verhängen, wie sie Vilnius bereits vergangenen Sommer versucht hatte. In diesem Fall könnte sich die mögliche Wiederaufnahme der Friedensgespräche in der aktuellen Ukraine-Krise bis zum Jahresende verzögern oder gänzlich scheitern.
Darüber hinaus erwarten verschiedene Analysten, dass nach dem endgültigen Scheitern der Gegenoffensive der Ukraine wahrscheinlich eine neue Runde diplomatischer Bemühungen folgen wird, um den Konflikt einzufrieren, an dem neben anderen führenden Staaten des Globalen Südens auch China und Indien beteiligt sein könnten. Einfach ausgedrückt: Russlands wachsender Vorsprung im "Wettlauf der Logistik" und "Zermürbungskrieg" mit der NATO macht dieses Ergebnis zu einer vollendeten Tatsache, aber genau das könnte der Grund sein, warum Polen versuchen möchte, dieses Szenario durch eine faktische Blockade Kaliningrads zu verhindern.
Diese Erkenntnis ist keine Spekulation, wie viele in den Mainstream-Medien und sogar in der Community der alternativen Medien annehmen könnten, nachdem sie seit Februar 2022 durch die Propaganda ihrer jeweiligen Seite indoktriniert worden sind, die behauptet, dass weder die USA noch Russland das Einfrieren dieses Konflikts anstreben.
Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, wies Anfang vergangener Woche die Behauptung ihres Amtskollegen im US-Außenministerium zurück, der Kreml sei nicht an Friedensgesprächen interessiert. Daraufhin legte Galuzin die Kriterien für deren Wiederaufnahme fest. Ihm zufolge ist dies "nur möglich, wenn das Kiewer Regime die Feindseligkeiten und terroristischen Angriffe einstellt und seine westlichen Paten aufhören, das ukrainische Militär mit Waffen zu versorgen".
Anschließend wiederholte er die weiteren Forderungen Russlands, wie die Rückkehr zum neutralen Status der Ukraine, den Verzicht auf ihr zuvor geäußertes Interesse an Atomwaffen, die Anerkennung neuer territorialer Realitäten, die Entmilitarisierung, die Entnazifizierung und den Schutz von ethnischen Minderheiten. Dennoch können seine Aussagen über die Einstellung der Feindseligkeiten und die Einschränkung der Waffenlieferungen an die Ukraine als die eigentlichen Voraussetzungen für die Wiederaufnahme von Friedensgesprächen interpretiert werden, die darauf abzielen, die anderen von ihm beschriebenen Ziele politisch zu erreichen.
Diese Aussagen führender russischer Diplomaten sowie der Zeitpunkt des Erscheinens eines Artikels bei CNN in der derselben Woche deuten sehr stark darauf hin, dass Moskau und Washington stillschweigend vereinbart haben, dass der Konflikt bis spätestens zum Jahresende eingefroren werden könnte, nachdem der Winter Kiew dazu zwingen wird, seine gescheiterte Gegenoffensive einzustellen. Wenn man bedenkt, dass dieses Ergebnis nicht im Interesse der polnischen Regierungspartei oder ihrer baltischen Verbündeten ist, folgt daraus, dass sie nun einen Anreiz haben, diese Entwicklung durch eine künstliche Krise aufzuhalten.
Die Anwesenheit der Gruppe Wagner in Weißrussland dient als perfekter Vorwand für die Eskalation der Spannungen mit Russland, die wiederum als Vorwand benutzt werden könnte, um die Blockade Kaliningrads vom vergangenen Sommer erneut durchzusetzen und in der Folge eine Wiederaufnahme der Friedensgespräche zu verhindern. Polen und seine baltischen Verbündeten würden sich gegenüber den USA in die Abtrünnigkeit begeben, sollten sie die spekulativen Pläne ihres amerikanischen Oberherren sabotieren, was in der Folge die Büchse der Pandora öffnen und die Spannungen innerhalb der NATO verschärfen könnte, mit unvorhersehbaren Folgen für die westliche Einigkeit.
Aus dem Englischen.
Andrew Korybko ist ein in Moskau ansässiger amerikanischer Politologe, der sich auf die US-Strategie in Afrika und Eurasien sowie auf Chinas Belt & Road-Initiative, Russlands geopolitischen Balanceakt und hybride Kriegsführung spezialisiert hat.
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