Von Aleksandr Karpow und Jelisaweta Komarowa
Deutschlands Regierung solle Kiew Taurus-Marschflugkörper liefern, um den Erfolg der ukrainischen Gegenoffensive zu gewährleisten, behauptete der SPD-Bundestagsabgeordnete Andreas Schwarz.
"Die Gegenoffensive stockt, eine nennenswerte Luftwaffe zur Unterstützung hat die Ukraine nicht. Da bleiben nur Lenkwaffen wie Taurus-Marschflugkörper, mit denen die ukrainische Armee die von den Russen angelegten Minenfelder überwinden und Territorium zurückerobern könnte", zitierte ihn die Nachrichtenagentur TASS.
Dem Politiker zufolge verschwende Deutschland angeblich wertvolle Zeit, wie auch in der Frage der Lieferung von Panzern im Jahr 2022.
"Wir wollen die Ukraine in die Lage versetzen, den Krieg schneller zu gewinnen. Dafür braucht sie Luft-Boden-Marschflugkörper vom Typ Taurus", betonte der Abgeordnete.
Somit wurde Schwarz zum ersten SPD-Abgeordneten, der sich für eine Übergabe von Marschflugkörpern an das Kiewer Regime aussprach.
Raketenbedrohung
Kiew hatte von Berlin noch im Mai Taurus-Raketen angefragt, die Ziele auf einer Entfernung von bis zu 500 Kilometern treffen können. Taurus (Target Adaptive Unitary & Dispenser Robotic Ubiquity System) und KEPD-350 (Kinetic Energy Penetrating Destroyer) sind Marschflugkörper, die von der Taurus Systems GmbH produziert werden, einem gemeinsamen Unternehmen des Airbus-Konzerns sowie der Firmen MBDA und Saab Dynamics. Die Raketen waren in den 1990er Jahren entwickelt worden.
Auf der Webseite von MBDA wird vermerkt, dass Taurus-Raketen für Präzisionsangriffe gegen schwer zugängliche und wichtige Ziele bestimmt seien. Sie sind mit dem Tandem-Gefechtskopf MEPHISTO ausgestattet, der Angriffe auf befestigte Ziele und eine Sprengwirkung auf mehrere Ziele auf einer größeren Fläche ermöglicht.
Diese Raketen gehören zur Klasse der luftgestarteten Raketen. Das bedeutet, dass für ihren Einsatz westliche Flugzeuge erforderlich sein werden.
Nach Herstellerangaben werden mit diesen Raketen deutsche Tornado-Jäger und spanische F/A-18 Hornet ausgerüstet. Eine Integration dieser Systeme in die koreanischen F-15K werde fortgesetzt, während eine Integration in die Eurofighter-Jäger erst in Planung sei, so die Webseite von MBDA.
Veröffentlichten Daten zufolge sollte die Bundeswehr etwa 600 solcher Raketen erhalten, allerdings gelten gegenwärtig nur etwa 150 als einsatzbereit.
Die Taurus-Raketen gelten als ein Analog der britischen Storm Shadow, die ebenfalls von MBDA hergestellt werden und bereits an die Ukraine geliefert wurden. Darüber hinaus erklärte auch Frankreich die Absicht, ähnliche Waffen an Kiew zu übergeben – am 16. Mai hatte der Präsident des Landes, Emmanuel Macron, diese Pläne in einer Sendung des Kanals TF1 Info bekannt gegeben. Später berichtete das französische Außenministerium, dass zum Zeitpunkt von Macrons Erklärung eine Übergabe von Raketen des Typs SCALP an die Ukraine schon erfolgt war.
Außerdem wird in den USA über eine Lieferung von ATACMS-Raketen an Kiew diskutiert. Ende Juli sagte der Berater des US-Präsidenten für nationale Sicherheit, Jake Sullivan, dass Joe Biden diese Frage bereits mit Wladimir Selenskij bespreche, allerdings noch keine Entscheidung getroffen worden sei.
Moskau hatte bereits erklärt, dass Lieferungen von Langstreckenwaffen an das Kiewer Regime Russland nicht zwingen werden, die Militäroperation zu beenden, allerdings ihre Geografie ändern werden. Russlands Präsident Wladimir Putin sagte zu Beginn des Jahres hierzu:
"Ein Umstand sollte allen klar sein: Je weitreichender die westlichen Systeme sind, die in die Ukraine kommen, desto weiter werden wir gezwungen sein, die Bedrohung von unseren Grenzen abzuschieben. Das ist natürlich."
Seinerseits bemerkte der Pressesprecher des Präsidenten, Dmitri Peskow, Anfang Juni, dass die Diskussion des Westens über die Lieferung von Langstreckenraketen Russland verpflichten werde, die Militäroperation in der Ukraine fortzusetzen. In einer Sendung des Kanals Rossija 1 sagte er:
"Wir müssen unsere Sache kennen, unsere Sache tun und unsere Sache zu Ende bringen. Wir haben keine andere Alternative."
Peskow bemerkte, dass Lieferungen von Langstreckenraketen die Spannung um die Ukraine nur noch weiter steigern werden.
"Tatsächlich erhöht sich die Leistungskraft von Waffen, die in die Ukraine kommen, immer weiter. Jetzt sehen wir schon die einsetzende Diskussion über Lieferungen – beispielsweise aus Frankreich und Deutschland – von Raketen mit einer Reichweite von 500 Kilometern und mehr. Das sind qualitativ ganz andere Waffen, die natürlich eine weitere Windung der Eskalationsspirale herbeiführen werden", betonte Peskow.
"Hohle Phrasen"
Der Kriegsberichterstatter Aleksandr Chrolenko erklärte in einem Gespräch mit RT, dass die jüngste Forderung nach Raketenlieferungen an das Kiewer Regime eher als ein Versuch eines einzelnen deutschen Abgeordneten, politisches Kapital zu erwerben, zu werten sei.
"Das sind hohle Phrasen. Selbst wenn eine politische Entscheidung über solche Lieferungen auf der Ebene der Bundesregierung getroffen wird, wird die Angelegenheit damit nicht beendet. Ein sachliches Gespräch wird dann möglich sein, wenn diese Produkte auf dem ukrainischen Kriegsschauplatz erscheinen. Kiew erhält bereits Langstreckenraketen des Typs Storm Shadow. Sie hatten die Lage nicht grundlegend geändert. Wenn also die Forderung des Bundestags nach Lieferung von ähnlichen Taurus-Raketen irgendwann verwirklicht wird, wird sich im Großen und Ganzen auch nichts ändern."
Behauptungen deutscher Politiker, wonach Taurus-Raketen dem ukrainischen Militär irgendwie zu Erfolgen bei der Gegenoffensive verhelfen könnten, nannte Chrolenko wirklichkeitsfremd.
"Das ist politische Demagogie. Großbritannien und Frankreich liefern bereits Langstreckenraketen nach Kiew. Dadurch ändert sich für die ukrainische Armee nichts. Zu groß ist die taktische, strategische und Feuerüberlegenheit der russischen Armee auf dem ukrainischen Kriegsschauplatz. Keine neuen Geräte, Flugzeuge oder Drohnen können dieses Kräfteverhältnis ändern", betonte er.
Der Kriegsberichterstatter Oberst a.D. Wiktor Litowkin wiederum bemerkte in einem Gespräch mit RT, dass eine Entscheidung über Raketenlieferungen einen weiteren Eskalationsschritt vonseiten Berlins darstellen würde:
"Auf diese Weise wird die BRD die Fortsetzung der Ukraine-Krise unterstützen und ihre Stellung als unmittelbare Konfliktpartei noch weiter festigen. Das wird Deutschlands Ansehen nicht guttun und es noch weiter von Russland entfremden."
Dabei gab sich Litowkin sicher, dass eine Lieferung von Raketen die Effektivität der ukrainischen Militäraktionen nicht besonders steigern werde.
"Das ist ein Bluff und ein Versuch, das Gewünschte für das Reale auszugeben. Diese Raketen unterscheiden sich technisch in keinerlei Hinsicht von den französischen SCALP. Russlands Streitkräfte verfügen über Möglichkeiten, sich vor ihnen zu schützen, ebenso wie vor den britischen und vor allen anderen. Das System der Luftabwehr ist in der russischen Armee gut entwickelt. Und die Entscheidung über Lieferungen hängt letztendlich von den USA ab, denn die BRD ist leider kein souveräner Staat mehr", schlussfolgerte der Analytiker.
Übersetzt aus dem Russischen.
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