In den USA schwindet offenbar die Hoffnung, dass es Kiew gelingen wird, im Zuge der im Sommer eingeleiteten Offensive bedeutende Gebietsgewinne zu erzielen. Dies geht aus einem Bericht vom Dienstag der US-amerikanischen Zeitung The Wall Street Journal (WSJ) hervor. Demzufolge würde es auch nicht zu Verhandlungen zwischen Kiew und Moskau kommen, für die ukrainische Gebietsgewinne nach der Strategie der USA die Voraussetzung bilden.
Eine bis auf weiteres unentschiedene Lage auf dem Schlachtfeld könnte jedoch für Zweifel an dieser Strategie sorgen, was US-Präsident Joe Biden in eine politisch unangenehme Lage bringen würde und die Gegner der Waffenlieferungen stärken könnte. Bislang erhielt Kiew Militärhilfe in Höhe von 43 Milliarden US-Dollar.
Rückzug der Ukraine wäre schlimmer als Afghanistan
John Herbst, ehemaliger US-Botschafter in der Ukraine und Mitarbeiter der Denkfabrik "Atlantic Council", sagte dem WSJ, dass die Biden-Regierung keine Wahl habe, als weiterhin Waffen zu liefern. Ein Rückzug aus der Ukraine und ein auch nur teilweiser russischer Sieg "wäre der größte Misserfolg der Biden-Außenpolitik, der den Abzug aus Afghanistan in den Schatten stellen würde".
Biden, der die US-amerikanische Unterstützung Kiews zum Endkampf zwischen Demokratie und Autoritarismus stilisierte, sieht sich jedoch bereits im Kongress durch einige Mitglieder der Republikaner herausgefordert, wie das WSJ schreibt. Und am vergangenen Donnerstag hatten 13 republikanische Senatoren von insgesamt 100 einen Änderungsantrag zum jährlichen Gesetzentwurf über die Verteidigungsausgaben unterstützt, der die Verfügbarkeit von Mitteln für die Ukraine eingeschränkt hätte.
Hinzu komme, dass zwei Spitzenkandidaten für die Präsidentschaftswahl 2024, der ehemalige Präsident Donald Trump und der Gouverneur von Florida, Ron DeSantis, angedeutet hätten, dass sie die Unterstützung Kiews im Fall ihrer Wahl abschwächen würden.
Weiterhin Militärhilfe trotz gescheiterter Offensive?
Ein Wechsel der Strategie komme für Biden aber noch nicht infrage, und laut nicht näher genannten US-Beamten sei es noch zu früh, das Ergebnis der ukrainischen Offensive zu beurteilen. Sollten jedoch auch die ukrainischen Brigaden, die von den USA auf Stützpunkten in Europa ausgebildet wurden und aktuell noch zurückgehalten werden, scheitern, werde man das weitere Vorgehen festlegen müssen, so die US-Beamten.
Die Prognose eines anderen hochrangigen, ebenfalls nicht näher genannten europäischen Beamten, dessen Regierung zu den "starken Unterstützern der Ukraine" gehöre, fiel laut dem WSJ noch pessimistischer aus. Seine Regierung erwarte nicht, so der Beamte, dass die ukrainischen Streitkräfte die russischen Truppen aus der gesamten Ostukraine vertreiben oder die Krim zurückerobern könnten.
Noch ein westlicher Diplomat in Washington sagte dem WSJ, die USA müssten sich damit abfinden, dass der Krieg in der Ukraine nicht so bald enden werde. Die Verbündeten müssten sich darauf vorbereiten, Kiew für einen Konflikt zu versorgen, der Jahre dauern werde. Die Frage sei, resümiert das WSJ, ob die USA und ihre Verbündeten die Entschlossenheit haben, ihre Unterstützung fortzusetzen bzw. auszuweiten, wenn die ukrainische Offensive vollends scheitert.
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