Die Gegenoffensive der Ukraine ist ins Stocken geraten, wobei die mögliche NATO-Aufnahme Kiews mittlerweile gescheitert ist. Die Debatte um den Beitritt der Ukraine in die NATO war allerdings von Anfang an eine Scheindebatte. Im Vorfeld des NATO-Gipfels in Vilnius hatte bereits der US-Präsident Joe Biden angedeutet, dass eine NATO-Mitgliedschaft der Ukraine nicht in Sicht sei. Vor diesem Hintergrund analysierte der ehemalige iranische Botschafter in Italien und Afghanistan, Abolfazl Zohrevand, in einem Youtube- Kanal, wie die ukrainische Führung mit der neuen Tatsache umgehen wird.
Der ehemalige Diplomat Zohrevand spekuliert, dass Selenskij angesichts der gescheiterten Gegenoffensive zwei mögliche Pläne hätte, um aus dieser schwierigen Situation herauszukommen. Erstens könnte Selenskij versuchen, die NATO in den Krieg hineinzuziehen, obwohl Biden mehrfach betont hatte, dass der Westen keinen Krieg mit Russland will. Zohrevand glaubt, Kiew würde durch die aus Frankreich gelieferten Langstrecken-Waffen das Kernkraftwerk Saporoschje angreifen und die Russen dazu provozieren, als Reaktion auf die Kernkraftwerke in Europa zu zielen. Damit sei dann NATO im Krieg mit Russland.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sicherte kürzlich der Ukraine die Lieferung weiterer Waffen zu, darunter Marschflugkörper mit höherer Reichweite.
Zweitens hält der iranische Experte für Geopolitik in einem weiteren Szenario für möglich, dass Selenskij selbst die Initiative ergreifen und direkt mit Putin ohne Absprache mit dem Westen verhandeln könnte. Das wäre dann eine Ohrfeige für die USA.
Im Westen habe man schon keinen Verlass mehr auf Selenskij, und deswegen "arbeiten Spitzenpolitiker im Westen hinter der Kulisse daran, ihn mit einem neuen Nachfolger zu ersetzen", glaubte der Iraner. Laut Zohrevand sei die ukrainische Offensive nicht nur gescheitert, sondern die Russen würden in den nächsten Monaten weitere Gebiete in der Ukraine in Richtung Odessa und Charkow "erobern". Derzeit soll Russland 100.000 Soldaten angeblich nahe der Region Charkow im Nordosten der Ukraine zusammenziehen.
Hinzu kommt, dass die Kremlführung nach der Verlegung von Söldnern der russischen Wagner-Gruppe in das Nachbarland Weißrussland im Endeffekt eine neue Front gegen den Westen eröffnet habe, ohne dass "Moskau selbst daran direkt beteiligt" sei. Polen sei deswegen bereits in Alarmstimmung.
Mehr zum Thema - Schwache Gegenoffensive: USA schicken Selenskij eine Warnung