Als der Deutsche Thomas Mertens vor die Wahl gestellt wurde, sich im Donbass der Gruppe Wagner oder dem Sanitätsbataillon anzuschließen – eine andere Möglichkeit gab es für einen Ausländer nicht –, entschied er sich für Letzteres. "Ich bin Arzt, kein Soldat", sagt er. In einer Offensivgruppe hätte er also nichts zu suchen. "Meine Aufgabe ist es, Menschen zu versorgen, nicht zu vernichten", betont er in einem Gespräch mit dem Portal Business.Online.
Thomas Rolf Mertens wurde in Heilbronn in Baden-Württemberg geboren. Er studierte Medizin, lebte in Nürnberg und arbeitete in der Katastrophenmedizin. Vor 15 Jahren heiratete er eine Russin \u<> seine Frau stammt aus Simferopol, sein minderjähriger Sohn ist also Halbrusse.
Bis zum Jahr 2022 besuchte Thomas Russland als Tourist, und nach dem Beginn der Militäroperation in der Ukraine beschloss er, endgültig hierherzuziehen: Im September des Jahres 2022 kam er auf Umwegen über die baltischen Staaten nach Kaliningrad. Er wollte den russischen Soldaten helfen und meldete sich zu einem Bataillon, das aus Ausländern bestand.
Jetzt ist er mit der Evakuierung von Verwundeten an der Front beschäftigt und hilft ihnen bei der Intensivpflege. "Meine Aufgabe ist es, Leute nach Lugansk zu bringen, wo es Krankenhäuser und die nötige Ausrüstung gibt. Hier können die Kämpfer nicht die volle Hilfe bekommen", erklärt Thomas den Journalisten, "Transporte finden verständlicherweise immer in riskanten Situationen statt. Diese Erfahrung habe ich übrigens auch schon gemacht. Das Gleiche habe ich im Jahr 1999 im Kosovo getan."
Auch wegen der politischen Situation in Deutschland habe er sich für Russland entschieden. Mertens erklärt:
"Ich glaube, Deutschland hat in den letzten 10 Jahren aufgehört, Deutschland zu sein. Es hat keine eigenständige Politik, es macht nur noch das, was die USA ihm sagen. Und ganz allgemein haben die Deutschen aufgehört, Deutsche zu sein. Jetzt sind sie gierig geworden, wie es sich für US-Amerikaner gehört."
Richtig bemerkt hat Thomas aber, dass Deutschland seine frühere Rede- und Meinungsfreiheit verloren hat, als die russische Militäroperation in der Ukraine begann und Berlin damit anfing, Kiew aktiv zu unterstützen. Zu diesem Zeitpunkt wurde er zum ersten Mal mit der Verurteilung seiner Position konfrontiert, die vom russophoben und pro-ukrainischen Mainstream abwich. Mertens erzählt Business.Online:
"Das erste Mal, dass ich angeprangert wurde, war, als ich gebeten wurde, Frauen und Kinder aus der Ukraine zu treffen. Ich arbeitete damals in der deutschen Rettung. Als sich die Gangway des Flugzeugs öffnete, waren dort statt Frauen und Kindern ukrainische Soldaten. Ich weigerte mich, ihnen zu helfen, und sagte dem Fahrer, er solle zurückfahren. Als man mir dann anbot, die ukrainischen Soldaten zur polnischen Grenze zu bringen, lehnte ich erneut ab. Wenn ich mich auf so etwas eingelassen hätte, hätte meine Frau zu mir gesagt: 'Bist du denn blöd?' Meine Organisation hält sich an die katholischen Grundsätze, aber wirklich katholisch ist man dort nicht. Echte Katholiken unterstützen keinen Krieg; für sie sind alle Menschen gleich."
Jetzt kann Thomas Mertens sein Leben so leben, wie es sich für einen echten Katholiken gehört – indem er jedem hilft, unabhängig vom jeweiligen Standpunkt. "Sobald ein Mensch zu mir kommt, ist es mir egal, wer er ist oder welche Ansichten er hat. Er wird mein Patient, und er braucht meine Hilfe. Wenn ich helfen kann, helfe ich", sagt er. Mertens ist bereits an der Front bekannt – er erscheint überall in einem deutschen Arbeitsanzug mit einem "Russland"-Aufnäher und einem medizinischen Koffer mit der Aufschrift HELBAG. Er spricht mit den Verwundeten in einer Mischung aus gebrochenem Englisch und Russisch und hält, wie ein echter Deutscher, das Intensivfahrzeug in feiner Ordnung.
Sein Großvater, der in Stalingrad gefangen genommen worden war, würde ihm wahrscheinlich Anerkennung zollen ‒ er war immer gut auf die Russen zu sprechen. "Er hat die Nazi-Ideologie nie unterstützt, er war gezwungen, mitzukämpfen", erklärt Mertens. Er selbst würde gern für immer in Russland bleiben:
"Deutschland ist nicht mehr meine Heimat. Meine Heimat ist hier. Ich kann nicht erklären, warum. Deutschland ist nicht mehr Deutschland. Ein solches Land gibt es nicht mehr. Es ist ein Vasall der Vereinigten Staaten. Wenn alles vorbei ist und der Kommandant mir die Erlaubnis gibt, das Kriegsgebiet zu verlassen, dann werden wir nach Rostow am Don gehen. Ich habe die Bilder schon gesehen, es ist eine schöne Stadt. Mein Sohn hat sich dort eine Universität ausgesucht. Außerdem werde ich in Deutschland verhaftet, weil ich an der Militäroperation auf russischer Seite teilgenommen habe, weil ich den russischen Soldaten geholfen und sie gerettet habe."
Jetzt ist sein russisches Visum abgelaufen ‒ aber er hofft, alle Hindernisse aus dem Weg räumen zu können und hier mit seiner Frau und seinem Sohn zu leben. Das ist sein Traum. "Ich werde sehr glücklich sein, hierzubleiben und niemals nach Deutschland zurückzukehren", sagt Thomas Mertens, ein deutscher Arzt an der russischen Front.
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