Von Thomas Röper
Dass der US-geführte Westen in der internationalen Politik eine Minderheit darstellt, ist nicht neu. Die antirussische Politik des Westens macht kein Land mit, das nicht Teil der Einflusssphäre der USA ist. Mehr noch: Einige Länder, die bisher der Einflusssphäre der USA zugerechnet wurden, widersetzen sich sogar. Das gilt zum Beispiel für Saudi-Arabien, das die Russland-Sanktionen nicht nur ablehnt, sondern die Zusammenarbeit mit Russland sogar ausbaut und sich den Wünschen der USA, die Ölförderung zu erhöhen, widersetzt und sie stattdessen sogar senkt. Hinzu kommt, dass die Saudis sich auch vom Petro-Dollar abwenden und China ihr Öl für Yuan verkaufen.
Den antirussischen Sanktionen haben sich weniger als 40 der 193 Staaten der Welt angeschlossen und das Werben des Westens um Afrika, das wir in letzter Zeit beobachten können, ist erfolglos. Immer mehr afrikanische Länder stellen sich sogar schon offen gegen den Westen, was vor allem für die ehemaligen französischen Kolonien gilt, die französische Truppen, Medien und NGOs aus ihren Ländern werfen.
Afrika wendet sich vom Westen ab
Am 6. Juni hat der südafrikanische Präsident, der derzeit den Vorsitz der BRICS innehat, die Staats- und Regierungschefs aller afrikanischen Länder zum bevorstehenden BRICS-Gipfel im August in Südafrika eingeladen. Das südafrikanische Außenministerium teilte mit, dass der südafrikanische Präsident Ramaphosa am letzten Tag des BRICS-Gipfels ein Treffen zwischen den Staats- und Regierungschefs der BRICS-Staaten und des Globalen Südens plane. Das südafrikanische Außenministerium erklärte dazu in aller Deutlichkeit:
"Mit anderen Worten: Auf dem BRICS-Gipfel werden Kräfte zusammenkommen, die andere Wege zur Entwicklung der modernen Welt sehen als der Westen."
Deutlicher kann man dem Westen kaum mitteilen, was der globale Süden über die Politik des Westens und über seine Pläne für die Zukunft der Welt, Stichwort "regelbasierte Weltordnung", denkt.
Als wäre das noch nicht genug, wurden Bitten von Vertretern des Westens, zu dem BRICS-Gipfel anreisen zu dürfen, sogar zurückgewiesen. Anfang Juni hat der französische Präsident Macron darum gebeten, am BRICS-Treffen teilnehmen zu dürfen. Südafrika antwortete darauf, dass man über die Anfrage überrascht sei und sie mit den BRICS-Partnern "erörtern" werde. Danach habe ich dazu keine Meldungen mehr gefunden, offenbar hatten die BRICS keine Lust auf einen Besuch von Macron bei ihrem Gipfeltreffen.
Dass Südafrika stattdessen jetzt nicht nur die Länder Afrikas, sondern auch Staats- und Regierungschefs des Verbandes der Südostasiatischen Nationen, der Karibischen Gemeinschaft und alle anderen Mitglieder der Gruppe der 77 (G77) eingeladen hat, war ein Schlag ins Gesicht für Macron.
Die G77 ist ein 1964 gegründeter lockerer Zusammenschluss von Staaten des Globalen Südens innerhalb der UNO, zu dem inzwischen nicht mehr 77 sondern 134 Staaten gehören. Ein Blick auf die G77 auf der Weltkarte zeigt, wie isoliert der Westen international dasteht, wenn man sich auch noch Russland hinzudenkt. Südafrika will einen echten "Weltgipfel" veranstalten, zu dem der Westen allerdings nicht zugelassen wird.
Die lateinamerikanischen Staaten gegen die EU
Für den 17. und 18. Juli ist ein Gipfeltreffen Staats- und Regierungschefs von 33 Ländern der Gemeinschaft Lateinamerikanischer und Karibischer Staaten (CELAC) mit ihren EU-Kollegen in Brüssel geplant. Schon im Vorfeld hat die EU von der CELAC gleich zwei schallende Ohrfeigen bekommen, wie EURACTIV berichtet.
Die erste Ohrfeige betraf die Ukraine. Die EU hatte einen Vorschlag für die Gipfelerklärung gemacht, der mehrere Absätze zur Unterstützung der Ukraine enthielt. Allerdings hätten die lateinamerikanischen Länder "alles über die Ukraine gestrichen", beschwerte sich ein EU-Diplomat, nachdem er den Gegenvorschlag gesehen hatte.
Die CELAC widersetzt sich der antirussischen Politik des Westens und verweigert sogar Erklärungen zur Unterstützung der Ukraine, was ein weiteres, sehr deutliches Zeichen dafür ist, wie der Rest der Welt die Politik des kollektiven Westens einschätzt.
Die zweite Ohrfeige war nicht minder schmerzhaft, denn sie zeigt, wie wenig die schönen Worte des Westens mit der Realität zu tun haben, schließlich werden im Westen – ganz im Sinne der "woken" Kultur – zwar Denkmäler gestürzt, die mit der Sklaverei und der Kolonialzeit zu tun haben, aber außer schönen Worten bietet der Westen den von den Kolonialmächten ausgebeuteten Ländern nichts an.
Laut EURACTIV haben die CELAC-Mitglieder die Europäer unerwartet aufgefordert, Reparationszahlungen für die durch die Sklaverei verursachten Schäden zu leisten. In dem Text der Gipfelerklärung, die die CELAC nach Brüssel geschickt hat, steht – anstatt der von der EU gewollten Ukraine-Erklärungen – nun unter anderem Folgendes zu lesen:
"Wir erkennen an, dass geeignete Maßnahmen ergriffen werden müssen, um die Würde der Opfer [des transatlantischen Sklavenhandels mit den Menschen aus Afrika] wiederherzustellen. Dazu gehören auch Reparationen und Entschädigungen, die dazu beitragen, unser kollektives Gedächtnis zu heilen und die Hinterlassenschaften der Unterentwicklung zu beseitigen. (…) Wir erkennen an und bedauern zutiefst das unermessliche Leid, das Millionen von Männern, Frauen und Kindern durch den transatlantischen Sklavenhandel mit Menschen aus Afrika zugefügt wurde."
Dass das eine schallende Ohrfeige für die EU ist, sieht man daran, dass die CELAC das Global Gateway der EU, die weltweite Strategie der EU zur Investition in Infrastrukturprojekte und zum Aufbau von Wirtschaftspartnerschaften, faktisch ablehnen, denn die Mittel- und Lateinamerikaner erklärten, dass sie den Vorschlag "zur Kenntnis nehmen", anstatt ihn, wie in der diplomatischen Sprache üblich, zu "begrüßen".
Anstatt das Global Gateway der EU, das wieder die üblichen Knebelverträge in Sachen Handel und Ausbeutung von Bodenschätzen beinhaltet, zu "begrüßen", fordern diese Staaten Reparationen.
Der Gipfel der EU mit der CELAC verspricht interessant bis turbulent zu werden.
Zuerst veröffentlicht auf dem Medienportal Anti-Spiegel am 7. Juli 2023.
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