Der Präsident der Ukraine Wladimir Selenskij habe offenbar eingesehen, dass Kiew den Konflikt nicht gewinnen kann. Deshalb fordere er eine Einladung der NATO, dem Bündnis beizutreten, und weigere sich ansonsten, zum Gipfeltreffen des Militärblocks am 11. und 12. Juli zu reisen. Das sagte der weißrussische Staatschef Alexander Lukaschenko bei einem Treffen mit in- und ausländischen Medien, wie BelTA berichtet. Er erklärte wörtlich:
"Er hat endlich begriffen, (...) dass dieser 'Gegenangriff' für ihn zu nichts anderem führen wird als zum Tod von Abertausenden von Menschen."
Lukaschenko fügte hinzu, dass Selenskij deshalb Ansprüche gegen diejenigen erhebt, "die die Ukraine in den Konflikt getrieben haben", vor allem in Form von Forderungen nach finanzieller und militärischer Hilfe. Der weißrussische Präsident meint, gleichzeitig würden die Feindseligkeiten in der Ukraine noch eskalieren, weil Kiew noch über beträchtliche strategische Reserven verfügt. Er merkte dazu an:
"Bis zum 11. Juli müssen sie etwas demonstrieren."
Ende Juni hatte der stellvertretende Leiter des ukrainischen Präsidialamtes Igor Schowkwa gesagt, Selenskij werde nicht zum NATO-Gipfel fahren, wenn die Bündnisländer nicht den hinreichenden "Mut zeigen". Er behauptete damals:
"Der Gipfel in Vilnius wäre ein sehr guter Anfang, um auf [die NATO-Bewerbung der Ukraine] zu reagieren. Und mit Antwort meinen wir eine Einladung zur Mitgliedschaft."
Der NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hatte zuvor allerdings gesagt, dass die Ukraine auf dem Gipfeltreffen in Vilnius am 11. und 12. Juli keine Einladung zum Beitritt zum Bündnis erhalten werde. Gleichzeitig teilte er mit, dass die Länder erörtern würden, wie man "die Ukraine näher an die NATO heranführen" könne, und fügte hinzu, dass alle Staaten des Blocks darin übereinstimmen würden, dass die Ukraine Mitglied des Bündnisses werden solle.
Die NATO hat bereits wiederholt verlautbart, dass die Ukraine dem Bündnis nicht beitreten wird, solange in dem Land militärische Feindseligkeiten herrschen. Kiew bestätigte dies und betonte, dass die Ukraine gleichzeitig das "gesamte Waffenarsenal" der NATO erhalten werde. Selenskij merkte dennoch an, dass das Land von diesem Gipfeltreffen ein "klares Signal" der Allianz über den künftigen Beitritt zur NATO erwarte.
Russland hatte im Dezember 2021 die strikte Nichterweiterung der NATO auch in Richtung Ukraine als eine der Hauptforderungen in dem Vorschlag von Gesprächen mit den USA über gegenseitige Sicherheitsgarantien genannt. Nach dem Ignorieren dieser russischen Vorschläge wurde Anfang 2022 von Russland die Verhinderung eines Beitritts der Ukraine zum NATO-Bündnis als eines der Hauptziele der militärischen Sonderoperation in der Ukraine genannt.
Anfang dieses Monats sagte Selenskij, er wolle bis zum NATO-Gipfel ukrainische "Ergebnisse auf dem Schlachtfeld zeigen". Gleichzeitig räumten sowohl er als auch andere Vertreter der ukrainischen Führung ein, dass die Gegenoffensive langsamer verlaufe, "als uns lieb ist".
Für den Kreml sind sowohl die Uneinigkeit im Westen sowie der Druck auf Kiew, "bis zum letzten Soldaten" zu kämpfen, offensichtlich. Der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu erklärte am 22. Juni, die ukrainischen Truppen hätten ihre Offensivaktivitäten reduziert und mit der Umgruppierung begonnen.
Nach Angaben des Sekretärs des russischen Sicherheitsrates Nikolai Patruschew hatte die ukrainische Armee bis zum 22. Juni bei der Gegenoffensive mehr als 13.000 Mann, 246 Panzer sowie viele andere Waffen verloren. Putin deutete daraufhin an, dass "die westlichen Verbündeten der Ukraine tatsächlich beschlossen haben, Russland bis auf den letzten Ukrainer zu bekämpfen".
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