Bilanz der ukrainischen Juni-Offensive: Kiews Pläne zum Durchbruch gescheitert

Kiews Truppen setzen ihre erfolglosen Angriffsversuche entlang der Frontlinie weiterhin fort. Dabei bleibt die Ukraine mit Kommentaren über die Ergebnisse ihrer Offensive sehr zurückhaltend. Experten sind der Ansicht, dass Kiews Pläne eines Durchbruchs der russischen Verteidigung im Juni scheiterten.

Von Alexei Sakwassin und Jelisaweta Komarowa

Die russische Armee wehrt ukrainische Angriffe an der Front weiterhin ab. Insbesondere versuche das ukrainische Militär, an den Frontabschnitten Donezk, Krasny Liman und Süddonezk vorzustoßen, wie Russlands Verteidigungsministerium meldet. Darüber hinaus versuchten die ukrainischen Truppen erfolglos, auf der Insel Antonowski in der Nähe der gleichnamigen Brücke im Gebiet Cherson zu landen.

"Am Frontabschnitt Cherson wurden ukrainische Verbände vernichtet, die auf der Insel Antonowski in der Nähe der Antonowski-Brücke landeten. Darüber hinaus wurden im Verlauf des Tages bis zu 20 ukrainischer Militärangehöriger getötet, zwei Kraftfahrzeuge und zwei Haubitzen des Typs M777 aus US-amerikanischer Produktion vernichtet", meldete das russische Verteidigungsministerium.

Die ukrainische Seite gibt ihrerseits ungern Kommentare zu den jüngsten Ereignissen an der Front und den Ergebnissen der Gegenoffensive ab. Die Leiterin des Vereinigten Pressezentrums der Kräfte zur Verteidigung des Südens der Ukraine Natalja Gumenjuk rief in einer Fernsehsendung am 2. Juli gar dazu auf, komplette Informationsstille zu bewahren. Ihrer Meinung nach muss das Schweigen zu einer Stütze des ukrainischen Erfolgs an der Frontlinie werden.

Die Beamtin sagte den Journalisten, dass die Aktionen des ukrainischen Militärs angeblich durch die Folgen der Sprengung des Damms des Wasserkraftwerks von Kachowka erschwert seien. Außerdem setze Russland aktiv seine Luftstreitkräfte und Raketenkomplexe ein. Dennoch setzten ukrainische Verbände ihre "leistungsstarke Kampfarbeit" mit einem Schwerpunkt auf Artilleriebekämpfung fort, so Gumenjuk.

Etwas offener in Bezug auf die Lage an der Front war in einem Interview mit der Washington Post der Oberbefehlshaber der ukrainischen Streitkräfte Waleri Saluschny. Er behauptete, dass Aussagen über geringes Tempo der Offensive ihn in Rage bringen, und fügte hinzu, dass die russische Verteidigung mit dem Abzug der Wagner-Gruppe nicht schwächer geworden sei.

"Es ist keine Show, die die ganze Welt beobachtet und Wetten platziert oder Ähnliches. Jeder Tag, jeder Meter wird mit Blut erkauft. Ohne vollständigen Nachschub erscheinen diese Pläne komplett unerfüllbar, dennoch wird die Arbeit zu ihrer Durchführung fortgesetzt. Möglicherweise nicht so schnell, wie es die Teilnehmer oder Beobachter der Show gerne hätten, doch das ist ihr Problem", betonte Saluschny.

Nach Angaben des Generals stehe er im ständigen Kontakt mit dem US-Generalstabschef Mark Milley und informiere ihn über die Bedürfnisse des ukrainischen Militärs.

Die ukrainischen Militäraktionen, die üblicherweise als Gegenoffensive bezeichnet werden, hatten am 4. Juni begonnen. Zum Hauptschauplatz der Kampfhandlungen wurde das Gebiet Saporoschje, insbesondere in der Nähe der Stadt Orechow entbrannten heftige Kämpfe. Bei den Angriffen auf russische Befestigungen setzte das ukrainische Militär aktiv Panzerfahrzeuge ein, darunter aus westlicher Produktion.

Allerdings erlitten die ukrainischen Truppen bei ihren Versuchen, die russische Verteidigung zu durchbrechen, empfindliche Verluste. Gleich in den ersten Tagen der Kämpfe zerstörten Russlands Streitkräfte bis zu 30 Prozent der aus dem Ausland gelieferten Technik, erklärte Präsident Wladimir Putin bei seinem Treffen mit Kriegsberichterstattern.

Am 21. Juni meldete Russlands Staatsoberhaupt "eine gewisse Beruhigung" an der Front. Gleichzeitig betonte Putin, dass das ukrainische Angriffspotenzial noch nicht erschöpft sei, es gebe Reserven, von denen die Ukraine überlege, wo und wie sie einzusetzen sind. Bin 27. Juni erklärte der Präsident bei einem Treffen mit Militärangehörigen, dass die Ukraine seit dem Beginn der Gegenoffensive 259 Panzer und 780 gepanzerte Fahrzeuge verloren habe.

Trotz alledem setzt die ukrainische Armee nach Angaben des russischen Verteidigungsministeriums ihre Angriffsversuche an diversen Frontabschnitten fort. In dieser Lage halten die russischen Streitkräfte erfolgreich die Verteidigung und greifen gegnerische Personal- und Technikversammlungen an.

RT sprach mit Militärexperten über die Ergebnisse der Kämpfe im Juni und über Reserven, die das Kiewer Regime im Verlaufe des Sommers zum Einsatz bringen könnte.

Ein Monat ist seit dem Beginn der ukrainischen Gegenoffensive vergangen. Nach Angaben der russischen Seite konnte das ukrainische Militär an keinem der Frontabschnitte Erfolge erzielen. Welches Fazit kann gegenwärtig gezogen werden?

Oberst a. D. Anatoli Matwijtschuk:

Auch wenn der Gegner irgendwo Geländegewinne erzielen konnte, sind das miserable Ergebnisse, die auf Kosten riesiger Verluste an Menschen und Material, darunter an NATO-Technik, erreicht wurden. Für Kiew ist es schlicht sehr wichtig, regelmäßig Erfolge zu melden, besonders im Hinblick auf seine Geldgeber und Kuratoren im Westen.

Am 11. und 12. Juli wird in Vilnius ein Gipfeltreffen der NATO stattfinden. Wie unschwer abzusehen ist, wird dort das Thema Ukraine unabhängig von der Frontlage zentral sein.

Die NATO, vor allem die USA, erwarten, dass ihre riesige militärische und finanzielle Hilfe in konkrete Ergebnisse konvertiert wird. Es bleibt eine Woche übrig, doch Wladimir Selenskijs Regime hat bisher nichts vorzuweisen. Vielleicht geht der Gegner vor dem Beginn des Gipfels ein Risiko ein und versucht, noch einmal mit großen Kräften anzugreifen.

Zum jetzigen Zeitpunkt kann der Schluss gezogen werden, dass Selenskijs Regime versuchte, unsere Verteidigung in Saporoschje zu durchbrechen, um bis nach Melitopol vorzustoßen und unsere Kräfte zu durchschneiden. Ebenso offensichtlich ist, dass sich Kiew nicht mit dem Verlust von Artjomowsk abfand – im Verlauf des Juni versuchte das ukrainische Militär mehrmals, die Flanken kurz vor Artjomowsk zu durchbrechen.

Die Klagen von Gumenjuk und anderen Vertretern des Kiewer Regimes über die negativen Folgen der Sprengung des Damms des Wasserkraftwerks von Kachowka haben den Zweck, die Misserfolge vor dem Westen zu rechtfertigen. Hierzu passt auch Selenskijs jüngste Behauptung, wonach Russland angeblich bereit sei, das Kernkraftwerk von Saporoschje zu sprengen.

Mir scheint, dass gerade nach dem Terroranschlag auf den Damm, der zu einer Verlandung des Dnjepr führte, begann das ukrainische Militär aktiver, am linken Ufer zu landen. Doch unsere Verbände wehren diese Angriffe beständig ab. Ich vermute, dass das ukrainische Militär durch die Sprengung des Damms unsere Verteidigung erschweren wollte, doch im Endeffekt schafften sie zusätzliche Probleme für sich selbst.

Militärexperte Oberst a. D. Wiktor Litowkin:

Das Kiewer Regime stellt nicht umsonst bei jeder Gelegenheit die Frage nach der Luftwaffe. Das Fehlen von Kampfflugzeugen, multifunktionalen Jägern und Kampfhubschraubern erschwert jeden Vormarsch erheblich. In den letzten Jahrzehnten ist es gerade die Luftüberlegenheit, die es erlaubt, große gegnerische Kräfte zu Lande anzugreifen.

Russland verfügt über diese Möglichkeit. Unsere Luft- und Weltraumstreitkräfte greifen Ansammlungen von Infanterie und Technik an und hindern den Gegner daran, ausreichende Kräfte für einen Durchbruch der Verteidigung an einzelnen Abschnitten zu konzentrieren. Im Verlaufe des Juni schafften es die ukrainischen Truppen an vielen Abschnitten nicht einmal bis zur unseren ersten Verteidigungslinie, also den Schützengräben.

Natürlich möchte die Ukraine nicht solche Ergebnisse auf dem Gipfel in Vilnius vorweisen. Gerade aus diesem Grund erklingen Behauptungen über "leistungsstarke Kampfarbeit" und die Notwendigkeit der "Informationsstille".

Das ukrainische Militär hat keine Erfolge. Das Beste, das ihnen gelang, ist, einige Dörfer in der grauen Zone zu besetzen, wo es schlicht keine Truppen gibt. Doch selbst von dort fliehen die Banderisten oft, denn sie werden von unserer Artillerie und Luftstreitkräften angegriffen.

Soweit ich es beurteilen kann, scheiterte im Juni ein weiterer gegnerischer Plan. Kiew glaubte, eine Offensive nach der Verlandung des Dnjeprs organisieren zu können. Doch das Gebiet, das früher den Flussboden darstellte, ist heute von tiefem Schlamm bedeckt, Fahrzeuge werden dort entweder stecken bleiben oder zu leichter Beute für unsere Artillerie werden. Deswegen traute sich Kiew nicht, über den Dnjepr zu gehen.

Ist zu erwarten, dass Kiew trotz der Misserfolge im Juni in diesem Sommer Angriffe auf russische Stellungen fortsetzt? Hat das ukrainische Militär die dafür notwendigen Kräfte und Reserven?

Militärpolitologe Iwan Konowalow:

Ich denke, dass sich Kiew jetzt schon darauf vorbereitet, was als der zweite größere Versuch der Gegenoffensive bezeichnet werden könnte. Die jetzigen zeitweiligen Aktionen des ukrainischen Militärs sind ein Versuch, einen möglichst günstigen Informationshintergrund zu schaffen. Auf diese Weise bestätigt Selenskijs Regime seine Bereitschaft, das erklärte Ziel weiterzuverfolgen, bis zu den Grenzen von 1991 zu kommen.

Dabei verstehe ich ehrlich gesagt nicht ganz, wie das ukrainische Militär beabsichtigt, unsere Verteidigungslinien zu überwinden.

Im Juni erlitten sie große Verluste beim Versuch, unsere Minensperren zu durchbrechen. Dabei ist die russische Verteidigung gestaffelt. Nach den Minenfeldern folgt die erste Verteidigungslinie, hinter der sich einige weitere befinden.

Wahrscheinlich wird Kiew auch während der zweiten Welle der Gegenoffensive große Verluste erleiden und nicht von der Stelle kommen. Doch hat das ukrainische Militär genügend Menschen und Technik, um unsere Stellungen wieder und wieder auf ihre Festigkeit zu testen.

Natürlich wertet der Gegner die unglückliche Erfahrung der ersten Angriffe im Juni aus. In letzter Zeit schickt das ukrainische Kommando kleine mobile Verbände in den Angriff, die eine Art Mischung aus Kampfaufklärung und Sturm unternehmen. Eine solche Taktik kann uns Unannehmlichkeiten bereiten, aber nicht die Front durchbrechen.

Oberst a. D. Anatoli Matwijtschuk:

Die Erfahrung der gescheiterten Juni-Offensive besagt, dass das ukrainische Militär Flugzeuge, eine große Menge an Pioniergerät und noch mehr Artilleriegeschütze und Munition benötigt. Der Westen versteht das, und die Wahrscheinlichkeit, dass unser Gegner all dies in absehbarer Perspektive erhält, ist groß.

Dennoch wird das ukrainische Militär im Verlaufe des Sommers wahrscheinlich eine neue Gegenoffensive beginnen, ohne all dies abzuwarten. Dazu hat der Gegner frische Stoßreserven. Er kann viel mehr Landstreitkräfte in den Kampf schicken als im ersten Sommermonat.

Militärexperte Oberst a. D. Wiktor Litowkin:

Für mich ist offensichtlich, dass das Kiewer Regime weiterhin Reserven in den Kampf werfen wird, besonders im Vorfeld des NATO-Gipfels. Dennoch birgt ein solches Verheizen von Menschenmaterial das Risiko von großen Problemen bei der Aufstockung der ausgebluteten Verbände.

Ihrerseits sollten Russlands Streitkräfte ihre Wachsamkeit bewahren. Die Misserfolge unseres Gegners im vergangenen Monat sollten uns nicht entspannen lassen. Der Gegner hat immer noch Ressourcen übrig, und wir müssen sie vernichten und dabei seine Bereitschaft ausnutzen, verbissen und erfolglos anzugreifen.

Übersetzt aus dem Russischen.

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