Von Tatjana Montjan
Am 9. Juni ordnete der Oberste Gerichtshof der Niederlande an, dass das Architekturmuseum von Amsterdam die Sammlung archäologischer Schätze aus diversen Museen der Krim, die seit einer Ausstellung im Frühjahr 2014 nicht zurückgegeben wurden, an das offizielle Kiew übergeben muss. Diese Sammlung ist seit Langem Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten und Auseinandersetzungen zwischen dem ukrainischen Speckreich (so nennt Montjan die Ukraine unter dem Maidan-Regime – Anm. d. Red.) und der Russischen Föderation, genauer gesagt den Museen auf der Krim, denen die unschätzbaren Exponate eigentlich gehören.
Es war eine unglückliche Fügung, dass die Sammlung ausgerechnet in der Zeit des folgenschweren Kiewer Maidan in Europa weilte: Im Juli 2013 eröffnete das Rheinische Landesmuseum in Bonn eine Ausstellung zur Geschichte der Krim von der Zeit der griechischen Kolonisation im 6. Jahrhundert vor Christus bis zum frühen Mittelalter (6. bis 7. Jahrhundert nach Christus).
Anfang Februar 2014 zog die Ausstellung weiter in das Allard Pearson Museum in Amsterdam in den Niederlanden. Und in dem Land der Tulpen verbleibt sie auch bis heute, denn der jahrelange, bewusst in die Länge gezogene Rechtsstreit wurde genau zu diesem Zweck so geführt, wie er geführt wurde. Alle Entscheidungen der unteren Instanzen fielen vorhersehbar zugunsten des Speckreiches aus, und nun hat, nicht weniger vorhersehbar, der Oberste Gerichtshof gesprochen.
Die russische Seite bezeichnete die Entscheidung erwartungsgemäß und vorhersehbar als rechtswidrig und politisch motiviert. Im Moment bläst das Speckreich Siegesfanfaren und bereitet schon einen Platz für die Ausstellung in einem der Kiewer Museen vor.
Schauen wir uns genauer an, was die Europäer, zu deren Tradition der Raub von kulturellen Werten seit Jahrhunderten gehört, der Krim, den Einwohnern und Besuchern der Halbinsel gestohlen haben.
Insgesamt bildeten 565 Exponate die Wanderausstellung "Krim. Goldene Insel im Schwarzen Meer", die 2013 auf "europäischer Tournee" ging, zur Verfügung gestellt von vier Krim-Museen – dem Zentralmuseum von Tauris, dem historischen und kulturellen Reservat von Bachtschyssaraj, dem historischen und archäologischen Reservat in Kertsch und dem nationalen Reservat "Taurischer Chersonesos". 19 Exponate, die das Nationalmuseum für ukrainische Geschichte 2014 der Ausstellung überlassen hatte, wurden inzwischen zurückgegeben. Darunter befinden sich Goldschwerter, eine Griwna, eine delfinförmige Spange und ein Goldhelm. Insgesamt umfasst die Sammlung skythischen Goldes in der Schatzkammer in Kiew 44.000 Objekte.
Der umstrittene Teil der Exponate wird von faulen und lieblosen Journalisten traditionell als "skythisches Gold" bezeichnet, aber schauen wir uns genauer an, worum es hier wirklich geht.
Erstens handelt es sich um drei einzigartige Lackdosen aus Ust-Alma, die aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. stammen und in China hergestellt wurden – Derartiges wurde noch nie so weit vom Himmlischen Reich entfernt gefunden. Wie sie in ein römisches Frauengrab in der Nähe von Bachtschyssaraj gelangten, ist ungeklärt.
Die zweite Kostbarkeit ist eine Statuette der Schlangengöttin Apa (alias Gaia), auch die "sprießende Jungfrau" genannt, aus dem 1. oder 2. Jahrhundert, die bereits 1882 von Archäologen in meiner Heimatstadt Kertsch gefunden wurde. Die antike Statue war in zwei Hälften geteilt. Die Göttin hatte beim Auffinden keinen Kopf, aber im Laufe der Zeit gruben die Archäologen auch ihn zusammen mit dem unteren Teil der Krone aus. Nur der obere Teil der Krone, von dem man glaubt, dass er verloren gegangen ist, ist noch nicht gefunden worden.
Diese Skulptur war eines der wichtigsten und einzigartigsten Exponate des Historischen und Archäologischen Museums von Kertsch, und als Kind habe ich sie Hunderte Male gesehen – damals kostete der Museumseintritt für Schüler nur fünf Kopeken, und ich liebte es, dort herumzulaufen, vor allem in den "antiken" Sälen.
Drittens: das in Stein gehauene Dekret zu Ehren des chersonesischen Historikers Syriskos, das auf die zweite Hälfte des 3. Jahrhunderts vor Christus datiert. Das Dekret zu Ehren des Historikers Syriskos ist aus zwei Gründen wichtig. Erstens ist es der einzige Beweis für die Existenz dieser Person. Der Marmorstein, auf dem die Botschaft eingemeißelt ist, ist eines der wichtigsten epigrafischen Denkmäler der Krim und des nördlichen Schwarzmeerraums.
Den Legenden zufolge lebte Syriskos im 3. Jahrhundert vor Christus. Wissenschaftler glauben, dass er im Theater von Chersonesos sein historisches Werk über die Göttin Jungfrau las; die Bürger glaubten, dass sie die Stadt vor Barbareneinfällen schützte. Nach der Rede wurde Syriskos mit einem Dekret auf einem Marmorstein geehrt, in dem es hieß, dass der Historiker für seine historischen Werke mit einem goldenen Kranz ausgezeichnet wurde:
"Er beschrieb und las fleißig über die Könige von Bosporos, und die früheren freundschaftlichen Beziehungen mit den Städten wurden gemäß der Würde des Volkes untersucht."
Das Dekret zu Ehren von Syriskos wurde bei Ausgrabungen in Chersonesos gefunden: Das erste Fragment wurde im Jahr 1879 ausgegraben, die anderen Fragmente 1908.
Das vierte Highlight der in den Niederlanden beschlagnahmten Wanderausstellung: Goldschmuck aus der Festung Ust-Alma, datiert auf den Zeitraum zwischen dem 2. Jahrhundert vor Christus und dem Ende des 4. Jahrhunderts. Die Festung, in der auch die Lackschatullen gefunden wurden, ist seit mehr als einem halben Jahrhundert Ausgrabungsstätte. Sie war in der späten Skythenzeit erbaut worden, und es gibt dort viele ungeplünderte Gräber. In einem der skythischen Gräber fanden die Archäologen die Bestattung einer adligen Dame. Ihr Skelett war mit Goldschmuck verziert – Armbänder, Halsketten, Ringe, Anhänger und Medaillons mit Karneol und Bernstein, Platten, die auf das Kostüm der Verstorbenen gestickt waren. Die Dame trug auch einen Grabkranz – insgesamt mehr als 100 Gegenstände.
Der auffälligste Gegenstand aus dieser Grabstätte sind die Ohrringe. Sie haben die Form eines Dreiecks und sind mit blauen und roten Glaseinsätzen versehen. An dem Dreieck baumeln Ketten, und in der Mitte befindet sich die Figur eines mysteriösen nackten Mannes. Was genau er symbolisiert, ist ein Rätsel. In den Gräbern der Siedlung fanden die Archäologen auch eine nur 2,6 Zentimeter hohe Bronzestatue der Aphrodite, zwei Perlen, ein Bronzeamulett, verschiedene Gebrauchsgegenstände und ein Messer. Alle diese Gegenstände wurden im historischen und kulturellen Reservat von Bachtschyssaraj aufbewahrt.
Fünfter Kunstschatz: Schmuck aus der Nekropole von Dschurg-Oba, datiert auf den Zeitraum vom 1. bis zum 5. Jahrhundert. Hier handelt es sich auch um Gegenstände aus dem Historischen und Archäologischen Museum meiner Heimatstadt Kertsch: Goldartefakte aus den Krypten des Gräberfeldes von Dschurg-Oba in der Nähe von Kertsch – bisher ungesehener Schmuck mit einem Wolf, Armbänder mit Tieren, die eine durch ein Kreuz geteilte emaillierte Scheibe halten, die eine Raute bildet.
Andere Gräber enthielten Goldohrringe mit Karneol und Granat, Ringe mit Emaille und Raute, Diademe aus Goldfolie mit einem sechseckigen Stern in der Mitte, Goldperlen aus geflochtener Schnur mit Anhängern in ähnlichem Stil. Es ist bekannt, dass es sich um eine Grabstätte aus sarmatischer Zeit handelt, aber wer den Schmuck hergestellt hat, ist ein Rätsel.
Das sechste Stück, das ich beispielhaft erwähnen will, ist eine skythische Bronzespitze, die einen Drachen zeigt, der gerade ein erbeutetes Tier frisst. Sie stammt aus dem 5. oder 4. Jahrhundert vor Christus. Wahrscheinlich handelte es sich um einen Schwertgriff: Archäologen legten die Grabstätte eines skythischen Kriegers mit einem Bronzehelm, einer Rüstung und einem Satz Bronzepfeile frei. In der Nähe befand sich eine massive Bronzespitze von zwölf Zentimetern Höhe, die mit einer Szene verziert war, in der ein Tier von einem Drachen gefressen wurde. Vielleicht ist das auch die Szene des Kampfes des Tiers mit dem Drachen, wie man die Szene es auch interpretieren kann. Dieses Stück wurde bis 2013 im Zentralmuseum von Tauris aufbewahrt.
Die Aufzählung verdeutlicht, welch schweren Verlust die Krim, deren historisches Erbe (und nicht dasjenige Kiews) diese Kunststücke zweifellos bilden, erlitten hat. Ich frage mich, ob die Niederlande sie der Krim zurückgeben würden, wenn es das Speckreich nicht mehr gäbe.
Tatjana Montjan ist eine prominente ukrainische Rechtsanwältin und Strafverteidigerin, Publizistin und Bloggerin mit Millionenpublikum. 2004 noch auf der Seite des ersten Maidan, bezeichnete sie den Euromaidan im Herbst 2013 als Zerstörung der ukrainischen Staatlichkeit und stellte sich entschieden gegen diesen. Vor Beginn der russischen militärischen Intervention musste sie Kiew verlassen, nachdem sie vor der UNO über die Zustände in der Ukraine gesprochen hatte. Derzeit lebt sie im Donbass, engagiert sich für humanitäre Hilfe und führt tägliche Videoblogs. Man kann ihr auf ihrem Telegram-Kanal folgen. Ihr Kanal auf Youtube wurde im Frühjahr 2022 durch das US-Unternehmen gelöscht.
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