Im Mai haben verschiedene internationale Vermittler versucht, bei den Gesprächen zwischen Armenien und Aserbaidschan Fortschritte bei der Ausarbeitung eines Friedensvertrags zu erzielen. So trafen sich die Außenminister von Jerewan und Baku zunächst in Washington unter Beteiligung von US-Außenminister Antony Blinken. Anschließend verhandelten Nikol Paschinjan und Ilham Alijew unter der Vermittlung des Präsidenten des Europäischen Rates, Charles Michel, in Brüssel. Danach fanden Verhandlungen in Moskau statt.
Den westlichen Vermittlern zufolge wurden "bedeutende Fortschritte" bei den Verhandlungen erzielt, ohne dass jedoch Einzelheiten bekannt wurden. Was damit gemeint war, lässt sich aus der Erklärung des armenischen Premierministers zur Anerkennung der territorialen Integrität Aserbaidschans ableiten, in der das Schicksal der Armenier von Bergkarabach nur in vagen Worten erwähnt wurde.
Moskau wiederum schlug die Beibehaltung des Status quo vor, um die Situation zu stabilisieren und die Sicherheit der armenischen Bevölkerung von Bergkarabach zu gewährleisten. Allerdings gelang es dem armenischen Premierminister Paschinjan, "die Diskussion über die Bergkarabach-Frage praktisch den westlichen Sponsoren zu überlassen", wie der Südkaukasus-Experte Alexander Ananjew schrieb.
Ananjew ist der Meinung, dass die Erklärung Paschinjans, Bergkarabach als Teil Aserbaidschans zu akzeptieren, offenbar in Eile formuliert und von den westlichen Vermittlern aufgezwungen wurde, sodass dieses Thema in Moskau nicht diskutiert wurde. Ananjew schlussfolgert daraus, dass im Moment "die Regierungen von Armenien und Aserbaidschan in Bezug auf die russische Vermittlung offenbar die gleichen Ziele verfolgen". Beide wollten die russische Präsenz im Südkaukasus minimieren oder gar beseitigen, einschließlich der physischen Präsenz eines russischen Stützpunktes in Armenien und des Rückzugs Jerewans aus den russischen Integrations- und Verteidigungsabkommen. Dies sei natürlich das Hauptinteresse der westlichen Vermittler, die versuchten, Moskau die Hauptrolle bei der Lösung des armenisch-aserbaidschanischen Konflikts abzutrotzen, analysiert der russische Experte.
Als Bestätigung dafür legt die russische Zeitung Komsomolskaja Prawda Informationen aus eigenen Quellen vor, wonach die Amerikaner nicht nur an der Vermittlung zwischen Baku und Jerewan beteiligt seien, sondern auch beschlossen hätten, direkt in den Dialog zwischen Baku und Stepanakert einzugreifen. So soll Washington derzeit gegenüber den Vertretern Bergkarabachs in Form eines Ultimatums Druck ausüben, in naher Zukunft einem Treffen mit der aserbaidschanischen Seite in einem "Drittland" unter der Aufsicht amerikanischer Kuratoren zuzustimmen. Sollte die Führung von Bergkarabach ein solches Treffen ablehnen, ist sie praktisch von einer aserbaidschanischen Anti-Terror-Operation in der Region bedroht.
Demselben Quellen zufolge wird die "Friedensinitiative" der USA in Stepanakert überwiegend negativ aufgenommen. Der "Außenminister" von Bergkarabach, Sergei Gasarjan, setzt sich jedoch für die Initiative ein. Er selbst befindet sich in Jerewan und wird von Paschinjan unterstützt. Dies könnte zu neuen Problemen in der Region sowie zu Gefahren für die elementaren Interessen der in der Region lebenden Armenier führen, resümiert die Komsomolskaja Prawda.
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