Von Pjotr Akopow
Obwohl der Westen die Hoffnung hegt, den für Ende August geplanten BRICS-Gipfel in Südafrika zu stören – das heißt Wladimir Putin aufgrund eines "Haftbefehls" des in den Niederlanden ansässigen Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) an der Teilnahme zu hindern –, stehen die BRICS kurz vor einer großen Erweiterung. Die Aufregung um Putins Reise wird sich legen, aber das neue BRICS-Format wird bleiben.
Das Problem mit dem "Haftbefehl" ist, dass die südafrikanischen Behörden bisher keinen Ausweg aus der vom Westen gestellten Falle gefunden haben: Sie wollen den russischen Präsidenten natürlich auf dem Gipfel in Johannesburg begrüßen, wissen aber nicht, wie sie ihre Verpflichtungen gegenüber dem IStGH umgehen können.
Das Land hat den internationalen Vertrag zur Gründung des IStGH nicht nur unterzeichnet, sondern auch ratifiziert (im Gegensatz beispielsweise zu China und Indien, die den Vertrag nicht einmal unterzeichnet haben, oder zu Russland und den USA, die ihn nicht ratifiziert haben) und muss sich nun etwas einfallen lassen. Es wurden verschiedene Optionen diskutiert: die Aussetzung der Teilnahme, ein Rückzug aus dem Vertrag, die Verweigerung der Anerkennung des "Haftbefehls". All dies würde jedoch zu Komplikationen in den Beziehungen zum Westen führen, und das will Südafrika ebenso wenig wie sich mit Russland zu zerstreiten und vor seinen BRICS-Partnern schwach dazustehen.
Noch wurde keine Entscheidung getroffen. Das ermöglicht den westlichen Ländern, über die Position Südafrikas zu spekulieren. Der britische Daily Telegraph hatte am Freitag sogar geschrieben, dass mehrere südafrikanische Minister angeblich versuchen, Präsident Cyril Ramaphosa zu überreden, den Gipfel nach China zu verlegen. Am Donnerstag dementierte Außenministerin Naledi Pandor jedoch kategorisch die Verlegungspläne. Der russische Außenminister Sergei Lawrow teilte dazu mit, dass er die britische Boulevardpresse nicht lese. Beide Erklärungen wurden bei einem Treffen der BRICS-Außenminister in Kapstadt, Südafrika, abgegeben. Das Treffen selbst und seine Begleitumstände sind aber weitaus interessanter als alle Spekulationen über den "Haftbefehl", denn sie erklären, warum der Westen den August-Gipfel unbedingt verhindern will.
Südafrika wird im Spätsommer nicht nur die Staats- und Regierungschefs der G5-Länder zusammenbringen, sondern auch Gastgeber eines Treffens im Format der "Freunde der BRICS" sein. Das Treffen umfasst also nicht nur die fünf BRICS-Staaten (die als solche bereits groß und einflussreich sind), sondern mindestens ein Dutzend weitere Staaten. Insgesamt haben bereits rund 30 Länder ihren Wunsch erklärt, den BRICS beizutreten, eine Zahl, die im letzten Jahr noch einmal deutlich gestiegen ist. Mehr als zwölf Länder sind sogar in hohem Maße bereit dazu. Der BRICS-Gipfel des vergangenen Jahres umfasste auch ein Treffen der "Freunde der BRICS", das jedoch, wie der Hauptgipfel selbst, in einem virtuellen Format abgehalten wurde. Diesmal wird es in Südafrika von Angesicht zu Angesicht stattfinden, weshalb es dem Westen so wichtig ist, dass Putin nicht oder nur online anwesend ist: Denn dies würde sowohl die Isolation Russlands verdeutlichen als auch das Thema einer möglichen BRICS-Erweiterung verwischen.
Diese mögliche Erweiterung ist in der Tat beeindruckend, wie sich bereits beim Treffen der Freunde der BRICS-Minister in Kapstadt in diesen Tagen zeigt. Zu den Chefdiplomaten der fünf BRICS-Länder haben sich die Außenminister von zwölf weiteren Ländern gesellt, darunter strategisch wichtige Länder wie Saudi-Arabien und Iran. Die Saudis sind darüber hinaus sehr daran interessiert, der Neuen Entwicklungsbank der BRICS beizutreten. Der Beitritt des weltweit größten Erdölexporteurs wird zweifelsohne dessen Status erhöhen. Dies gilt umso mehr, als eine Etablierung des Petro-Yuan im Gespräch ist – das heißt, die Saudis verkaufen Öl an die Chinesen gegen Yuan. Zudem wird in den BRICS-Ländern zunehmend über die Einführung einer eigenen Währung für den gegenseitigen Handel gesprochen (der Schätzungen zufolge langfristig ein Viertel des weltweiten Handelsumsatzes ausmachen könnte).
Zu den weiteren Anwärtern für einen Beitritt zu den BRICS gehören Argentinien (das drittgrößte Land Lateinamerikas), Venezuela (das über einige der größten Ölreserven der Welt verfügt), Nigeria und Äthiopien (die zweit- und drittgrößten Länder Subsahara-Afrikas), Pakistan und Bangladesch (einige der bevölkerungsreichsten Länder der Welt). Mexiko und Thailand erwägen ebenfalls einen Beitritt, ebenso kleinere Länder wie Simbabwe, Nicaragua und Syrien. Hinzu kommen postsowjetische Staaten wie Kasachstan oder Weißrussland.
Doch die islamische Welt ist der größte potenzielle Trumpf der BRICS: Praktisch alle Schlüsselmächte der anderthalb Milliarden Muslime wollen sich den großen Fünf anschließen. Neben der einzigen islamischen Atommacht – Pakistan – und Saudi-Arabien sind zudem Ägypten, Indonesien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Malaysia, Iran, Algerien, Tunesien und Bahrain interessiert. Selbst die Türkei hat ein Auge auf die BRICS geworfen, was bedeutet, dass der nicht-westliche Club sogar auf Kosten des NATO-Bündnisses wachsen könnte.
Bislang ist noch nicht klar, wie die Erweiterung genau ablaufen wird. Klar ist, dass in der ersten Erweiterungsrunde nicht alle zwölf Länder, deren Anträge bereits eingereicht wurden, aufgenommen werden, sondern nur einige von ihnen. Die besten Chancen haben Saudi-Arabien, Argentinien und Indonesien. Einerseits haben alle derzeitigen BRICS-Teilnehmer ihre "Favoriten", andererseits will aber auch niemand eines der Länder von einer Bewerbung abhalten. Das Format der Freunde der BRICS könnte in BRICS+ umgewandelt werden; eine solche Organisation mit drei Dutzend Teilnehmern würde sich dann jedoch stark vom bisherigen Fünf-Mächte-Format unterscheiden.
Natürlich bleibt das Niveau der Koordinierung (geschweige denn der Integration) unter den fünf derzeitigen BRICS-Mitgliedern weit hinter dem der westlichen G7 zurück. Allerdings wurden die BRICS gerade als Alternative zum westlichen Globalisierungsprojekt gegründet. Die Vereinigung kann nicht aus einem älteren Lehrmeister und seinen jüngeren Lehrlingen bestehen. Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass sechs der sieben G7-Länder faktisch einer – westlichen – Zivilisation angehören, während in den BRICS fünf völlig unterschiedliche Zivilisationen vertreten sind. Jetzt, nach dem Beginn des offenen Konflikts zwischen dem Westen und Russland und der zunehmenden Konfrontation zwischen dem Westen und China, bleibt den BRICS eigentlich keine Alternative: Sie sollten nicht nur expandieren, sondern zu einer Plattform für die Ausarbeitung einer neuen Version der Globalisierung werden, die auf dem Aufbau horizontaler Verbindungen innerhalb der nicht-westlichen Welt beruht, und zur Grundlage für die Bildung einer neuen Weltordnung werden.
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen am 3. Juni 2023 bei RIA Nowosti.
Pjotr Akopow ist Kolumnist und Analytiker bei RIA Nowosti.
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