Von Andrew Korybko
Die Erkenntnis, dass die Entwicklung der internationalen Beziehungen seit dem Ende des Kalten Krieges alle seine Erwartungen bestätigt hat, äußerte der eritreische Präsident Isaias Afwerki bei seinem Besuch in Russland. Die übrigen Punkte, die er ansprach, waren zwar ebenfalls relevant, aber den meisten Beobachtern wahrscheinlich bereits geläufig. Sie haben in zahlreichen offiziellen russischen Erklärungen ihren Niederschlag gefunden, nachdem Moskau eine Führungsrolle bei der Verschiebung der globalen Ordnung in Richtung Multipolarität übernommen hatte. Gleichwohl war der eritreische Führer der Erste, der dieser Tatsache Nachdruck verlieh.
Präsident Afwerki ist ein lebenslanger Revolutionär, der sein Land nach einem drei Jahrzehnte währenden Kampf in die Unabhängigkeit von Äthiopien führte. Im Gegensatz zu den meisten anderen Politikern seiner Generation im Globalen Süden hat er seine Ideale nach der Auflösung der UdSSR nie verraten. Genau aus diesem Grund wurde Eritrea von den Mainstream-Medien als sogenannter "Schurkenstaat" bezeichnet. Für fast ein Jahrzehnt (2009–2018) wurde das Land vom UN-Sicherheitsrat mit Sanktionen belegt.
Zu dieser Zeit hatte Russland das manipulative Vorgehen des Westens durch den "Reset" der Obama-Ära und die Vorstöße der ehemaligen deutschen Bundeskanzlerin Merkel noch nicht erkannt. Das Land vernachlässigte seine strategische Wachsamkeit, wodurch die politischen Entscheidungsträger fälschlicherweise annahmen, der Westen stelle keine existenzielle Bedrohung mehr dar. Präsident Putin hat diese Fehleinschätzung inzwischen eingeräumt und die Außenpolitik seines Landes völlig neu kalibriert. Präsident Afwerki musste dies nie tun, da seine Politik immer die gleiche geblieben ist.
Eritrea und Russland sind zwei komplett unterschiedliche Länder, die sich nach dem Ende des Kalten Krieges in sehr verschiedenen Situationen befanden. Während ersteres ein winziger, kriegsgebeutelter Staat war, der von einem überzeugten Revolutionär geführt wurde, war letzteres ein vergleichsweise stabiler Riese, den ein pro-westlicher, liberaler Globalist führte. Von diesen unterschiedlichen Bedingungen ausgehend, nahmen die Länder ganz verschiedene Entwicklungen in den internationalen Beziehungen. Nachdem Russland seine Außenpolitik in den letzten 15 Monaten radikal neu ausrichtete, nähern sich die Länder einander wieder an.
Wie hier und hier erläutert, hat Präsident Putin bereits vor dem Beginn der Sonderoperation den Kurs seines Landes schrittweise verändert, allerdings nicht in revolutionärer Absicht. Vielmehr stellte sich Putin Russland als Brücke zwischen China und der EU vor; eine Brücke, die seinem Land das Potenzial verleihen sollte, zur ausgleichenden Kraft auf dem eurasischen Kontinent zu werden. Um dieses strategische Ziel zu erreichen, strebte er enge Beziehungen zur EU an, während er gleichzeitig eine Annäherung an die USA erreichen wollte.
Dies konnte natürlich nicht zum Erfolg führen, auch wenn seine Absichten aufrichtig waren und aus der damaligen Sicht sinnvoll schienen. Der Grund, warum Russland nie die Rolle spielen konnte, die Präsident Putin vorgesehen hatte, war ein Kalkül der USA, wonach es besser ist, Russland zu isolieren, als mit ihm zu kooperieren. Diese Einschätzung ist auf den Einfluss der herrschenden liberal-globalistischen Ideologie bei der Ausgestaltung der damaligen Politik zurückzuführen. Als der russische Präsident dies erkannte, war es bereits zu spät.
Im Gegensatz zu Präsident Afwerki, der seit jeher als Revolutionär auftrat, war Präsident Putin stets ein Pragmatiker. Das führte dazu, dass er seinen Führungsstil unbewusst auf den Westen projizierte. Hätte er die ideologischen Triebkräfte hinter der Politik dieses de facto neuen Kalten-Krieg-Blocks so verstanden wie sein eritreischer Amtskollege, dann hätte er seine Sonderoperation vielleicht schon früher gestartet, wie der belarussische Präsident Lukaschenko kürzlich beklagte. Auch Präsident Afwerki äußerte während des Treffens mit Putin diese Vermutung.
Wenn auch Vergangenes nicht rückgängig gemacht werden kann, so kann doch am Künftigen gearbeitet werden. Über die möglichen Perspektiven sprachen die Präsidenten Afwerki und Putin im Rahmen des allerersten Besuchs von Präsident Afwerki in Russland. Dass dies kein Wunschdenken ist, bestätigt das offizielle Kreml-Protokoll des Treffens. Darin heißt es, dass der eritreische Staatschef die Hoffnung und Überzeugung geäußert habe, "dass die Russische Föderation die ihr gebührende Rolle bei dieser Mission der Menschheit in Solidarität und Zusammenarbeit mit den freien Völkern spielen wird".
Der historische Charakter dieses Treffens sollte keinen Zweifel daran lassen, dass Eritrea eine wichtige Rolle bei Russlands Strategie am Horn von Afrika spielen wird. Diese ist ein wesentlicher Bestandteil der neuen Außenpolitik gegenüber Afrika und zielt darauf ab, den Aufstieg des Kontinents zu einem souveränen Einflusszentrum in der multipolaren Welt zu beschleunigen. Präsident Afwerki hatte von Anfang an Recht, was seine Einschätzung zur Entwicklung der internationalen Beziehungen angeht. Nun sieht er seine Vision einer gerechteren Weltordnung endlich in Erfüllung gehen, weshalb er die Anerkennung aller verdient.
Übersetzt aus dem Englischen
Andrew Korybko ist ein in Moskau ansässiger amerikanischer Politologe, der sich auf die US-Strategie in Afrika und Eurasien sowie auf Chinas Belt & Road-Initiative, Russlands geopolitischen Balanceakt und hybride Kriegsführung spezialisiert hat.
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