Eine Analyse von Seyed Alireza Mousavi
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan wurde am Wochenende für weitere fünf Jahre in seinem Amt bestätigt. Wie der Oberste Wahlrat am Sonntagabend mitteilte, stimmten 52,1 Prozent für den amtierenden Präsidenten. Sein Herausforderer Kemal Kılıçdaroğlu errang 47,9 Prozent der Stimmen. Erdoğans Wahlsieg war in erster Linie eine Ohrfeige für die westlichen Medien, die in vergangenen Wochen eine groß angelegte Medienkampagne gegen Erdoğan gestartet hatten. Meinungsmacher im Westen versuchten, Kılıçdaroğlu als den "Retter der Türkei" darzustellen, als einen liberalen Politiker, der sich etwa auch für LGBTQ-Personen, Minderheiten und generell für westliche Werte einsetze. Erdoğan wurde dem als Symbol für "Autokratie" und "Rückständigkeit" gegenübergestellt und auch so propagiert.
Nachdem Erdoğan in der ersten Wahlrunde die meisten Stimmen gewonnen hatte und die Euphorie von Kundgebungen der prowestlichen Opposition in der Türkei verflogen war, setzte Kılıçdaroğlu plötzlich auf Populismus, um Erdoğans Vorsprung aus der ersten Runde der Präsidentenwahl noch aufzuholen. In einem Verzweiflungsakt wendete der prowestliche Kandidat Kılıçdaroğlu seine bisherige Kampagne um 180 Grad und hetzte dabei auch gegen Flüchtlinge im Land. Außerdem enttäuschte er so auch die Kurden in der Türkei, indem er als CHP-Chef mit einem Handschlag für Ümit Özdağ als seinem neuen politischen Freund vom ultrarechten Rand posierte. Kılıçdaroğlus neue Wahlstrategie für zweite Wahlrunde irritierte selbst westliche Meinungsmacher. Westliche Medien versuchten deswegen, sich noch mehr auf einen medialen Angriff gegen Erdoğan zu fokussieren, während sie Kılıçdaroğlu weniger mediale Aufmerksamkeit als noch zuvor schenkten.
Seinen Wahlsieg umschrieb Erdoğan als einen "Triumph über dunkle Mächte". Zu seinen zehntausenden Anhängern vor dem Präsidentenpalast sagte Erdoğan, deutsche und französische Medien hätten mit ihren Berichten versucht, seinem Sturz den Weg zu bereiten.
In seiner Siegesrede in der Nacht zum Montag skizzierte der Präsident seine Ambitionen für die nächsten fünf Jahre, wobei er eine Vertiefung der Orientierung der Türkei nach Osten angedeutet hat. Er hob die Beziehungen zu den Golfstaaten, insbesondere zu Katar, und zu Russland hervor. Erdoğan erinnerte an seinen Plan, die Türkei zu einem Drehkreuz für russisches Erdgas in der Region zu machen. Der Westen kam in seiner Rede, abgesehen von düsteren Anspielungen, nicht vor. Erdoğan bezeichnete seine Wiederwahl als einen "Wendepunkt in der Geschichte" des Landes und als Beginn einer "neuen historischen Epoche".
Die Wiederwahl Erdoğans ist im Grunde die Bestätigung seiner Politik, die nicht zur Verbessrung der Beziehungen der Türkei zur EU und NATO führen wird. Die Türken hatten am Sonntag eine Wahl zwischen einem souveränen Amtsinhaber und einem prowestlichen Herausförderer. Dass sie sich am Ende doch wieder für Erdoğan entschieden haben, sagt etwas über die Stimmung im Lande aus: Die Türken erwarten, dass ihr Land auf der internationalen Bühne als eine selbstbewusste Regionalmacht agiert und sich von Bevormundungen des Westens emanzipiert. Die Stichwahl am Wochenende war im Grunde ein Referendum über die Zukunft des Landes. Die Türkei hat sich am Sonntag gegen die Europäische Union entschieden. Das Land schaut nach Eurasien und nicht auf das vom Ukraine-Krieg angeschlagene Europa.
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