Von Alexandr Karpow und Wladimir Duon
In Nordeuropa beginnen am 29. Mai großangelegte regionale Luftwaffenübungen Arctic Challenge Exercise 2023 (ACE 2023). Das Manöver wird bis zum 9. Juni dauern und ist von Dänemark, Norwegen, Schweden sowie Finnland organisiert, dem dieses Jahr die Leitung der Übungen obliegt.
"Das Ziel von ACE 23 ist es, Verbände auszubilden und zu trainieren, Luftoperationen zu organisieren und durchzuführen mit dem Bestreben, das Niveau des [US-amerikanischen] Flag-Manövers zu erreichen, die Ausführung taktischer Manöver und Verfahren von Kommando und Kontrolle einzubeziehen. ACE 23 ist auch eine Gelegenheit, die Zusammenarbeit und Kompatibilität zwischen Jägern der vierten und fünften Generation zu ermöglichen. "In diesem Jahr wird die Übung ebenfalls die internationale Zusammenarbeit mit unseren Partnern im Luftraum des hohen Nordens ausbauen", meldete Schwedens Verteidigungsministerium.
Nach Angaben des Ministeriums werden an der Übung etwa 150 Flugzeuge teilnehmen. Insgesamt werden etwa 2.700 Militärangehörige aus 14 Ländern eingesetzt. So wird neben den genannten Gastgeberländern auch die Teilnahme der Schweiz, Tschechiens, Großbritanniens, der Niederlande, Deutschlands, Frankreichs, Belgiens, Italiens, der USA und Kanada erwartet.
Dabei sei das Manöver keine Militärübung der NATO, betonte Schwedens Verteidigungsministerium.
"Die Zusammenarbeit der nordischen Länder ist der Kern der Durchführung der Übung Arctic Challenge Exercise. In diesem Rahmen ist es das Ziel, die nationale Verteidigung der Teilnehmer zu stärken, gemeinsame Synergien zu erkunden und gemeinsame Lösungen zu fördern. Die Zusammenarbeit soll die Einsatzeffektivität steigern, die Qualität erhöhen und Ressourcenverteilung und Kosteneffizienz der Streitkräfte der jeweiligen Nationen verbessern", gab die Behörde bekannt.
Norwegen wird an den Übungen mit den Flugzeugen F-35 Lightning II und Luftabwehrsystemen NASAMS III teilnehmen. Das Manöver wird vorläufig an vier Stützpunkten durchgeführt, nämlich Ørland in Norwegen, Kallax in Schweden sowie Rovaniemi und Pirkkala in Finnland.
Bemerkenswert ist außerdem, dass in Finnland am 26. Mai gemeinsam mit den USA das Landmanöver Karelian Lock 23 begann. Nach der Ankündigung des finnischen Verteidigungsministeriums bestehe das Ziel in der Entwicklung von Führereigenschaften, gemeinsamen Einsätzen und internationalen Einsatzkompatibilität.
Dieses Manöver wird bis zum 2. Juni dauern und in den Gemeinden Kouvola, Luumäki und Hamina stattfinden. Daran werden Verbände der Brigade Karelien, der Militärakademie, Brigade Pori, der Panzerbrigade, des 1. Logistikregiments, der Agentur C5 der Verteidigungskräfte Finnlands, des Luftkommandos Karelien und des Grenzschutzes Nordkarelien teilnehmen.
Insgesamt werden an dieser Übung etwa 7.000 Militärangehörige und 720 Fahrzeuge der finnischen Streitkräfte sowie 450 US-amerikanische Militärs teilnehmen.
Verstärkung im Norden
Schweden und Finnland, die bisher einen neutralen Status bewahrt hatten, hatten nach dem Beginn der russischen Militäroperation in der Ukraine ihre Absicht verkündet, der NATO als vollwertige Mitglieder beizutreten. Offizielle Anfragen diesbezüglich wurden von Helsinki und Stockholm am 18. Mai 2022 eingereicht.
Finnland trat der NATO offiziell am 4. April 2023 bei. Schwedens Antrag befindet sich indes aufgrund der prinzipiellen Position der Türkei bisher in der Schwebe.
Moskau betonte mehrmals, dass Russland die beiden Länder nicht bedrohe, doch ihr Beitritt zu einem betont antirussischen Block militärische Gegenmaßnahmen nach sich ziehen werde.
Vor dem Hintergrund des Beginns mehrere Manöver unter Teilnahme der NATO-Staaten in den nordischen Ländern bemerkte Russlands Außenministerium, dass das Konfliktrisiko in der Arktis zunehme. Dies erklärte der Sondergesandte Nikolai Kortschunow.
"Wir sehen, dass in letzter Zeit die Beachtung der arktischen Region seitens der ganzen Weltgemeinschaft zugenommen hat. Geopolitisch wird die Region zu einem immer wichtigeren Platz. Leider nimmt die Konfliktfähigkeit in der Region zu", zitierte ihn die Nachrichtenagentur TASS.
Der russische Diplomat bemerkte außerdem, dass die Arktis durch Klimaänderung und neue Technologien immer zugänglicher werde. Die Wichtigkeit der Region nehme wegen der Ressourcen, die für die Weltwirtschaft dringend notwendig und unter Bedingungen der Energiewende noch stärker nachgefragt werden, ebenfalls zu.
Kortschunow fügte hinzu, dass für Russland eine äußerst wichtige Aufgabe in der Arktis die "weitere Steigerung der russischen Souveränität" sei.
Gleichzeitig führen die russischen Streitkräfte eigene Manöver im Nordwesten des Landes durch, wo eine Steigerung der westlichen Militäraktivität am wahrscheinlichsten ist.
So übten am 26. Mai taktische Bomber Su-24 der Marinefliegergruppe der Baltischen Flotte die Vernichtung von See- und Küstenzielen an Militärübungsplätzen der Flotte zu See und am Land.
Praktiziert wurden Angriffe gegen Ziele, die einen Schiffsverband des angenommenen Gegners imitierten, sowie gegen Ziele, die Panzer- und Kraftfahrzeugkolonnen des angenommenen Gegners darstellten.
"Den praktischen gezielten Bombenabwurf führten die Piloten in den Höhen zwischen 200 und 2.000 Meter und auf Geschwindigkeiten von bis zu 1.000 Kilometer pro Stunde durch. Ebenfalls übten die Besatzungen Gefechtsmanöver bei Grenzwerten und Abwehrmanöver gegen Jagdflugzeuge und Luftabwehrmittel des angenommenen Gegners", meldete Russlands Verteidigungsministerium.
Die Behörde fügte hinzu, dass während der Übungen über 20 Lufteinsätze am Tag und in der Nacht geflogen wurden. An den Flügen nahmen über zehn Besatzungen und über 50 Angehörige des technischen Personals teil.
Ferner übte der Einsatzverband der Baltischen Flotte aus den Raketenschiffen "Odinzowo" und "Sowetsk" Angriffe mit seebasierten Marschflugkörpern des Typs Kalibr gegen Schiffsverbände und Küstenziele des angenommenen Gegners.
"Beim elektronischen Abfeuern der Raketen wurden alle anvisierten Ziele erfolgreich getroffen. Die Übung fand unter Bedingungen erhöhter Funkstörungen statt, die künstlich zur Erschwerung der Aufgabe für die Schiffsbesatzungen eingerichtet. Im Rahmen der Lehrgefechtsaufgaben übten die Besatzungen außerdem Schiffssicherung und Bekämpfung von Saboteuren während des Hafenaufenthalts", betonte das Ministerium.
"Bedrohungselement für die Sicherheit Russlands"
Der Chefredakteur der Zeitschrift Nazionalnaja oborona [Nationale Verteidigung] Igor Korottschenko bemerkte im Gespräch mit RT, dass in der gegenwärtigen militärpolitischen Situation jegliche Militärübungen des Westens auf die eine oder andere Weise mit der Ausarbeitung von möglichen Kampfhandlungen gegen Russland zusammenhängen werden.
"Natürlich erhält die Arktis unter Berücksichtigung der neuen Realien eine herausragende Bedeutung als möglicher künftiger Kriegsschauplatz und als 'Ressourcenlager' für die Entwicklung im 21. Jahrhunderts. Die NATO wird einen ganzen Komplex von Entscheidungen zur operativen Planung und praktischen Militäraktionen herausarbeiten, die vor allem mit Angriffen auf Russland und Erlangung der Überlegenheit in der Arktis zusammenhängen. Dies ist das Hauptziel, vor allem unter Berücksichtigung von Finnlands erhaltener und Schwedens künftiger Mitgliedschaft in der Allianz. Künftige Manöver werden einen beispiellos breit angelegten Charakter haben",
betonte der Experte.
Nach Finnlands Beitritt zur NATO könne die Lage in der Region als angespannt bezeichnet werden, so Korotschenko.
"Bedenkt man das heutige Verhältnis zwischen Russland und der Allianz, sind Moskau und Helsinki mögliche direkte militärische Gegner mit allen entsprechenden Folgen. Niemand macht inzwischen einen Hehl daraus", erklärte der Experte.
Eine ähnliche Ansicht vertrat der Professor der Diplomatischen Akademie des russischen Außenministeriums, Wladimir Winokurow.
"Alle Szenarien übt der Westen im Kontext der Konfrontation mit Russland, auch wenn sie den konkreten Gegner nicht benennen. Die Arktis wird zunehmend zu einem Brennpunkt. Diese Tendenz war seit Langem zu beobachten. Es ist klar, dass eine Region, die so reich an Kohlenwasserstoffen und anderen Ressourcen ist, niemand einfach so verlassen wird. Ferner ist die Arktis aus militärstrategischer Sicht wichtig. Darüber verläuft die kürzeste Route für gegenseitige Angriffe mit interkontinentalen ballistischen Raketen zwischen den USA und Russland",
erklärte Winokurow.
Der Maßstab der Manöver stellt eine klare Bedrohung für die Sicherheit der Russischen Föderation dar, meinte der Analytiker.
"Eine solche Menge an Flugzeugen, zumal in der Arktis, ist sehr viel. Zweifellos sind solche Manöver ein Bedrohungselement für die Sicherheit Russlands. Dabei sollte berücksichtigt werden, dass Russland über die am besten entwickelte Infrastruktur und das größte Truppenkontingent in der Arktis verfügt", schlussfolgerte Winokurow.
Übersetzt aus dem Russischen.
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