Von Oleg Issaitschenko
Am Dienstag hat die Zeitung Politico unter Verweis auf den Berater des ukrainischen Verteidigungsministers, Juri Sak, berichtet, dass Kiews Militär von den westlichen Staaten 40 bis 50 Jagdflugzeuge des Typs F-16 erwarte. Er merkte an, dass das ukrainische Kommando aus diesen Flugzeugen drei bis vier Geschwader für die Luftabwehr aufstellen wolle, denn gegenwärtig könne das Land die russischen Flugzeuge "durch nichts aufhalten".
Sak fügte hinzu, dass die Luftverteidigung der Ukraine ohne die F-16 unvollständig sein würde, und bemerkte, dass Präsident Wladimir Selenskij die Frage nach Jetlieferungen zum Hauptanliegen des G7-Gipfels in Hiroshima sowie des NATO-Gipfels in Vilnius im Juli machen wolle. Bis dahin plane Selenskij, eine "Jetkoalition" zu versammeln.
Sak erklärte weiter, dass Italien, Frankreich, Großbritannien und Deutschland zwar über keine F-16 verfügen, allerdings die USA und die Türkei zu Lieferungen aufzurufen beabsichtigen. Eben damit scheint Deutschland begonnen zu haben. So trat die Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestags, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, gegen Lieferungen von deutschen Jägern an Kiew auf.
Strack-Zimmermann zufolge solle es weder Tornado- noch Eurofighter-Flugzeuge am Himmel der Ukraine geben, vor allem wegen der Flugweite dieser Maschinen und der komplizierten Ausbildung. Dabei merkte sie an, dass Kiew andere Flugzeugtypen, wie etwa die sowjetische MiG-29 oder die US-amerikanische F-16, erhalten solle.
Seinerseits behauptete Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, dass Paris jetzt schon bereit sei, die Ausbildung ukrainischer Piloten zu beginnen. Ihm zufolge könne Frankreich dies gemeinsam mit einigen anderen europäischen Ländern tun, die ebenfalls eine solche Bereitschaft erklärten. Er merkte an, dass diesbezügliche Verhandlungen mit den USA noch im Gange seien. Dabei bestätigte Macron nicht, dass Frankreich bereit sei, der Ukraine Kampfflugzeuge zu liefern, und sagte, dass es bei theoretischen Überlegungen bleibe.
Der Kommunikationsdirektor des US-Sicherheitsrats, John Kirby, erklärte seinerseits, dass Washington immer noch keine Übergabe von ATACMS-Raketen und F-16-Flugzeugen an Kiew plane. Dabei hatte zuvor ein russischer Pilot, der an der Militäroperation teilnimmt, der Zeitung Wsgljad berichtet, dass die ukrainischen Kampfflugzeuge inzwischen größtenteils von ausländischen Söldnern gesteuert werden.
"Was die F-16 und die Wahrscheinlichkeit ihrer Übergabe angeht, so übersteigen sie nach ihren technischen Eigenschaften in keiner Weise die russischen Jäger. Dennoch ist es wichtig zu verstehen, dass ein Flugzeug heute vor allem als eine Waffenplattform verwendet wird. Viel wichtiger sind somit die Besonderheiten jener Raketen, mit denen die Maschinen ausgestattet werden", erklärte der Chefredakteur des Portals Avia.ru, Roman Gussarow.
"Theoretisch würde der Wert solcher Lieferungen im Zusammenhang mit den Nachrichten über den Erhalt der britischen Raketen Storm Shadow durch das ukrainische Militär steigen. Dennoch gibt es keinen Grund für Panik: Im letzten Monat zeigten sich die russischen Luftabwehrsysteme sehr positiv. Wir schießen gegnerische Flugzeuge regelmäßig und effektiv ab. Und ich denke nicht, dass sich die F-16 in dieser Hinsicht als gefährlicher erweist", bemerkte der Experte.
"Dennoch stellt sich die Frage, wer die 50 Maschinen steuern wird. In der Ukraine gibt es einen akuten Mangel an professionellen Piloten. Heute werden einige ukrainische Militärangehörige in den NATO-Staaten ausgebildet, dennoch können in einem halben Jahr keine Asse vorbereitet werden. Natürlich wird ein Teil von ihnen den Zugang zu den F-16 erhalten. Doch auch die Piloten der NATO werden fliegen", betonte Gussarow.
"Natürlich sind 50 Flugzeuge relativ viel. Doch ich denke nicht, dass sie die Lage radikal ändern werden. Erstens müsste der Gegner für eine Lufthoheit eine zahlenmäßige Überlegenheit im Vergleich zu uns erreichen. Es ist schwer zu sagen, wie viele Maschinen wir einsetzen, doch ein halbes Hundert Maschinen werden dem ukrainischen Militär kaum eine Mehrheit gewähren", sagte er.
"Zweitens spielen die Techniker bei der Wartung von Flugzeugen eine viel größere Rolle als ihre Anzahl. Die Ukraine verfügt über keine notwendigen Werkstätten für eine Reparatur der F-16. Es ist praktisch unmöglich, sie kurzfristig aufzubauen. In dieser Hinsicht wäre eine Übergabe von sowjetischen Modellen an die Ukraine logischer", vermutete der Experte.
"Natürlich liegt Polen nebenan, und es ist theoretisch möglich, dass die Flugzeuge zum Warten und Tanken nach Warschau weitergeleitet werden. Allerdings vermindern solche 'Zwischenschritte' die Einsatzeffektivität der Luftwaffe", bemerkte er.
Gussarow vermutete, dass die Ukraine mithilfe der westlichen Maschinen versuchen könnte, die Frontlinie an die russischen Grenzen von vor 2022 zu verschieben. Darüber hinaus werde das ukrainische Militär nach Meinung des Experten militärische Objekte nicht nur an der Front, sondern auch im Hinterland angreifen.
"Die Ukraine will ausgerechnet die F-16 erhalten, weil sie nach ihren technischen Eigenschaften mit der MiG-29 vergleichbar ist und es für ukrainische Piloten leichter sein wird, diese Maschinen steuern zu lernen. Zudem ist die F-16 im Hinblick auf ihre Wartung, Manövrierfähigkeit und Geschwindigkeit sogar besser als das Kampfflugzeug der fünften Generation F-35", erklärte der Militärexperte Juri Knutow.
"Allerdings denke ich, dass die USA gegen die Lieferungen der F-16 sein werden. Dieses Jagdflugzeug hat ein ziemlich großes Exportpotential. In den USA wird es auf Grundlage der Erfahrung der Kriege im Nahen Osten der 1980er Jahre als 'MiG-Killer' beworben. Daran gibt es nichts Verwunderliches, denn in diesen Kriegen wurden Flugzeuge unterschiedlicher Generationen eingesetzt, während die US-amerikanischen Maschinen jünger waren", sagte Knutow.
"Sollten sich die USA dennoch zu Lieferungen entschließen, wird das ukrainische Militär die Flugzeuge der frühesten Ausführungen erhalten, die der Generation 4++ entsprechen. Sie können problemlos von unseren Luftabwehrkomplexen und Jägern vernichtet werden. Dabei könnte dies in den USA selbst als ein Schlag gegen den Ruf der F-16 und der US-amerikanischen Rüstungsindustrie gewertet werden", fügte er hinzu.
"Wozu braucht die Ukraine die F-16? Erstens zur Bekämpfung unserer Flügelraketen und Drohnen. Zweitens zur Kontrolle über das Schwarze Meer. Drittens zur Unterstützung der Landtruppen an der Frontlinie, darunter während der geplanten Gegenoffensive. Das vierte Ziel besteht darin, die sowjetischen MiG-29 und Su-27 zu ersetzen, denn der Ukraine und anderen Staaten gehen die Ersatzteile dafür aus", bemerkte der Experte.
"Die Ukraine plant, englische und französische Storm-Shadow-Raketen von den F-16 abzufeuern. Außerdem will sie die US-amerikanischen hochpräzise gesteuerten Flugbomben GBU-3 einsetzen. Somit würde mit dem Erscheinen der F-16 in der Ukraine die Anzahl der einsetzbaren Präzisionswaffen mit großer Reichweite steigen", führte der Analytiker aus.
"Die Flugzeuge werden in der Ukraine sowie in Polen und der Slowakei ihre Basis haben und zur Unterstützung der Truppen bei der Gegenoffensive eingesetzt werden. Wir haben unsererseits viele Möglichkeiten, die F-16 abzuschießen. Neben Luftabwehrsystemen können dafür Jäger der Typen Su-30 und MiG-35 eingesetzt werden. Beispielsweise wurde eine F-16 in Syrien im Jahr 2018 von einem sowjetischen Luftabwehrkomplex S-200 abgeschossen. Unsere Technik hatte auch zuvor die F-16 erfolgreich bekämpft", erklärte Knutow.
"Insgesamt ist die F-16 kein schlechtes Flugzeug, in Bezug auf die technischen Daten wird es oft mit unserer Su-35 verglichen. Gleichzeitig ist unser Pendant besser beim Aufspüren von Zielen und trägt etwas mehr Waffenlast. Darüber hinaus unterliegt der US-amerikanische Jäger unseren Flugzeugen in Manövrierfähigkeit und Geschwindigkeit", erklärte der Zeitung Wsgljad Andrei Krasnoperow, Fliegerinstrukteur, Major der Luftstreitkräfte und Meister im Jetkunstflug.
"Sicher könnten die westlichen Verbündeten Kiew 40 oder 50 Jäger übergeben, doch wer wird sie fliegen? Die einzige Variante, die ich sehe, ist, gleichzeitig mit Flugzeugen auch Besatzungen in die Ukraine zu schicken, doch werden Kiews Verbündete kaum darauf eingehen. Um ukrainische Piloten an solchen Maschinen auszubilden, werden mindestens eine halbjährige Ausbildung und Englischkenntnisse auf hohem Niveau benötigt", führte der Experte aus.
"Neben den Piloten muss auch das Wartungspersonal ausgebildet werden. Überdies erfordern die F-16 längere Startbahnen. Um Russland die Lufthoheit abzuringen, braucht die Ukraine somit nicht nur westliche Flugzeuge, sondern auch eine ganze Menge qualifizierter Spezialisten. Wir werden sehen, wie die NATO diese Aufgabe lösen wird", schlussfolgerte Krasnoperow.
Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen bei Wsgljad.
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