Von Isaak Funke
Die nächsten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen sind für den 20. Juni in Berlin geplant. Die erste Runde dieser Konsultationen fand im Jahr 2011, also noch während der Kanzlerschaft von Angela Merkel, statt. Damals wurde die Zukunft der bilateralen Beziehungen noch von beiden Seiten als sehr positiv bewertet, wie der anschließenden gemeinsamen Erklärung zu entnehmen ist:
"Die Intensivierung der deutsch-chinesischen Zusammenarbeit liegt angesichts der internationalen und globalen Herausforderungen im beiderseitigen Interesse, dient dem Frieden und der Entwicklung der Welt und fördert die Entwicklung in unseren beiden Ländern", hieß es damals.
Inzwischen hat sich das Blatt nahezu komplett gewendet. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock forderte kürzlich von Peking einen "ehrlichen und offenen Dialog über Differenzen" und fügte hinzu:
"Die Liste unserer Themen war bereits in Peking lang, und sie ist nicht kürzer geworden. Faire Wirtschaftsbeziehungen, Sicherheitsfragen im Indopazifik, aber auch die Entwicklung im Nahen und Mittleren Osten sowie die Frage der Menschenrechte."
Laut Informationen, die an die Medien gedrungen sind, möchte die deutsche Seite insbesondere den Klimawandel ansprechen. Man strebt dort ein globales Ziel für erneuerbare Energien an. Zudem erwartet man von China, dass es sich selbst als Industrieland einstuft und mehr Verantwortung im sogenannten "Kampf gegen den Klimawandel" übernimmt. Es ist zudem zu erwarten, dass von der deutschen Delegation auch der Ukraine-Krieg thematisiert wird. In Berlin erhofft man sich von China, einerseits moderierend auf Russland einzuwirken, andererseits will die Bundesregierung China davon abhalten, bestimmte Güter nach Russland zu exportieren, die das russische Militär benötigen könnte.
Während Baerbock sich auch dafür aussprach, "bei allen Unterschieden auch immer das Verbindende miteinander [zu] finden", ist angesichts der angekündigten Themen davon auszugehen, dass die Bundesregierung insgesamt Peking gegenüber wesentlich konfrontativer auftreten wird als bei bisherigen Treffen. Zwar versucht der neue Bundeskanzler Olaf Scholz die radikalsten antichinesischen Scharfmacher in der Bundesregierung unter Kontrolle zu halten.
Dennoch ist der Wandel im Tonfall mit China als auch in der Wahrnehmung der internationalen Rolle Chinas unübersehbar. Die Diversifizierung weg von China ist inzwischen weitgehend Konsens in der politischen Elite Deutschlands. Durch verschiedene harte und weiche Maßnahmen versuchen die führenden Politiker in Brüssel und Berlin, westliche Unternehmen dazu zu bringen, sich wirtschaftlich nicht alleine auf China zu verlassen. Chinesische Aktivitäten in Europa – egal ob politisch, wirtschaftlich oder kulturell – werden zunehmend kritischer bewertet, und bisweilen wird sogar versucht, sie gänzlich zu stoppen. Von neuen Projekten der Zusammenarbeit ist kaum noch die Rede. Die anfängliche Begeisterung über positive Synergien, die die ersten Regierungskonsultationen noch prägte, ist also weitgehend Geschichte.
Es zeichnet sich demzufolge ab, dass die deutschen Vertreter bei den Gesprächen mit ihren chinesischen Kollegen großen Gesprächsbedarf zeigen werden. Baerbock plant, allen Fachministern das Wort zu erteilen, "vom Finanzminister über die Bildungsministerin bis zum Wirtschaftsminister".
Das undiplomatische Auftreten Baerbocks in Peking während ihres Besuchs im April ist ein ominöses Zeichen dafür, dass die deutsche Außenministerin bereit ist, das gegenseitige Vertrauen und die arbeitsorientierte Stimmung zwischen Peking und Berlin – ein Ergebnis jahrzehntelanger Bemühungen beider Seiten – ohne Rücksicht auf Verluste zu schädigen, um ihre eigene ideologische Agenda durchzusetzen. Es war in Peking auch nicht die erste antichinesische Entgleisung Baerbocks. Es zeigt sich, dass Olaf Scholz die Minister seines Kabinetts nicht immer unter Kontrolle hat und seine Richtlinienkompetenz als Bundeskanzler offenbar nur zögerlich und unvollständig durchsetzen kann oder will.
Überhaupt herrschen in der Bundesregierung keine Klarheit und Einigkeit darüber, wie denn nun genau mit Peking umzugehen sei. Während die Grundstimmung gegenüber Peking, wie oben geschildert, allgemein deutlich kühler ist als in früheren Jahren, streiten sich die verschiedenen Minister – und deren Parteien in dieser Koalition – über die genauen Details. Scholz und die SPD wollen noch ein Mindestmaß an Kooperation mit China aufrechterhalten. Die Grünen und teilweise die FDP dagegen sehen in China vor allem einen politisch-ideologischen Rivalen und wirtschaftlichen Konkurrenten.
Zudem übt man aus Washington, D.C. Druck auf Berlin bezüglich seiner China-Politik aus. Auch in Brüssel sitzt mit Ursula von der Leyen eine Politikerin an der Spitze der EU-Bürokratie, die China skeptisch betrachtet und stattdessen auf eine klassisch-transatlantische Linie setzt. Andererseits ist davon auszugehen, dass wichtige Teile der deutschen Wirtschaft ihrerseits zunehmend Druck ausüben, um den Schaden an den deutsch-chinesischen Beziehungen zu begrenzen. Zwar ist bisher nichts Konkretes diesbezüglich an die Öffentlichkeit gedrungen, jedoch hatten sich in den vergangenen Monaten bedeutende Wirtschaftsvertreter mit deutlichen Worten in den Medien gemeldet und die Beziehungen mit China verteidigt. Allerdings ist auch bekannt, dass einige Wirtschaftsverbände vor Baerbocks China-Reise von ihr gefordert hatten, sich für einen "fairen Wettbewerb" einzusetzen.
Ursprünglich sollte zum Jahreswechsel vom Kabinett unter Scholz eine einheitliche China-Strategie beschlossen werden. Doch diese Strategie lässt immer noch auf sich warten. Zu stark waren die Gegensätze zwischen den verschiedenen Fachministerien und auch das Bundeskanzleramt selbst intervenierte. Solange es jedoch keine einheitlichen Grundsätze zum Verhältnis mit China gibt, werden sich die antichinesischen Kräfte ermutigt fühlen, ihre Handlungsfreiheit zu nutzen, wo sie nur können, um Fakten zu schaffen. Daher ist auch die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die deutsche Delegation gar nicht mit einer Stimme sprechen kann, sondern mit zwei, drei unterschiedlichen Tonlagen. So erklärte der Finanzminister Christian Linder (FDP), dessen China-Besuch man vonseiten Pekings kürzlich platzen ließ, dass er einen "selbstbewussten und realistischen Umgang mit China" sowie "weniger samtpfotiges Auftreten" im Vergleich zur letzten deutschen Regierung anstrebe. Lindner bekräftigte:
"Wir lassen uns unsere liberalen Werte nicht für gute Geschäfte abkaufen."
Das macht die ganze Angelegenheit für die chinesische Regierung schwer, denn es ist unklar, wer jetzt eigentlich für Deutschland spricht, mit wem man verbindliche Gespräche aufnehmen kann und wer sich am Ende durchsetzen wird.
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