Der frühere italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi hat am Freitag in einem Videointerview mit dem Nachrichtensender Sky TG24 davor gewarnt, dass die EU nicht in der Lage sei, sich zu verteidigen, wenn China einen ihrer Mitgliedsstaaten angreifen würde. Der langjährige Spitzenpolitiker, der derzeit im San-Raffaele-Krankenhaus in Mailand wegen Leukämie behandelt wird, forderte Brüssel auf, eine robuste Militärstrategie zu verfolgen und massiv in die Verteidigung zu investieren.
Die EU sei kaum eine Kraft, mit der man auf der internationalen Bühne rechnen könne, so Berlusconi. Sollte China beschließen, "Italien und vielleicht ein anderes europäisches Land zu besetzen, wären wir absolut nicht in der Lage, dem etwas entgegenzusetzen." Weiter sagte er:
"Das Beste, was wir tun könnten, wäre, zur Schule zu gehen und Chinesisch zu lernen."
Um ihre Position zu verbessern, müsse die EU eine "einheitliche Militärpolitik mit einer starken Zusammenarbeit zwischen den Streitkräften aller europäischen Länder" verfolgen, so der Ex-Premier. Berlusconi sprach sich auch für eine Erhöhung der Verteidigungsausgaben und die Einrichtung eines 300.000 Mann starken "Notfallkorps" aus. Politisch wünsche er sich ansonsten einen "wahrhaft geeinten Kontinent". Das sei leichter zu erreichen, wenn die Organisation ihr Einstimmigkeitsprinzip zugunsten einer 80 bis 85 Prozent-Mehrheit aufgäbe. Die EU könne und müsse eine größere Rolle in der Welt spielen, um sich dem "chinesischen Imperialismus" entgegenzustellen.
Die derzeitige italienische Ministerpräsidentin Giorgia Meloni erwägt einem Bloomberg-Bericht zufolge einen Rückzug aus dem chinesischen Infrastrukturprojekt "Belt and Road". Laut den in dem Artikel zitierten Quellen gebe es jedoch innerhalb der Regierungskoalition keinen Konsens in dieser Frage.
Vor ihrem Besuch in China Ende März hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gesagt, dass eine "Abkopplung" von Peking zwar nicht im Interesse der EU sei, Brüssel aber "mutiger" in seinen Beziehungen zu China werden sollte, das "zu Hause repressiver und nach außen hin selbstbewusster" werde.
Der chinesische Botschafter bei der EU, Fu Cong, kommentierte von der Leyens Äußerungen indes als inkohärent und widersprüchlich. Er rügte die "falsche Darstellung und Interpretation der chinesischen Politik und der chinesischen Positionen" und riet der EU-Kommissionschefin, sich bessere Redenschreiber zu suchen.
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