Die Ukraine imitiert eine Frühjahrsoffensive

Die Ukraine bereitet offenbar eine Offensive an den Frontabschnitten Cherson und Saporoschje vor und transportiert gleichzeitig wertvolle Industrieausrüstung aus der Stadt Saporoschje ab. Was plant Kiew, und kann es Saporoschje halten?

Eine Analyse von Darja Wolkowa

Am Sonntag haben ukrainische Medien unter Verweis auf das US-amerikanische Institut für Kriegsstudien (ISW) Meldungen publiziert, wonach das ukrainische Militär Stellungen am linken Dnjepr-Ufer im Gebiet Cherson nahe der Stadt Aljoschki besetzte.

Später erklärte der amtierende Gouverneur des Gebiets Cherson Wladimir Saldo, dass russische Streitkräfte das linke Ufer vollständig kontrollieren und dass die Ukraine dort keinen Brückenkopf errichtet habe. In seinem Telegram-Kanal schrieb er:

"Ich erkläre offiziell, dass es nach dem Stand vom 23. April keine feindlichen Brückenköpfe am linken Ufer des Dnjepr bei Aljoschki sowie in beliebigen sonstigen Orten des Gebiets Cherson oder an der Kinburn-Nehrung gab und gibt. Unsere Streitkräfte kontrollieren das Territorium vollständig."

Dabei könne es Fälle von Landungen von Sabotagegruppen geben, die später bekämpft werden, fügte der Gouverneur hinzu. Er rief dazu auf, nur offiziellen Informationsquellen zu vertrauen, und bezeichnete die Meldungen über Brückenköpfe als "Lüge im Rahmen des Informationskriegs".

Der Militärexperte Boris Roschin merkte in einer Publikation für den Telegram-Kanal "Voenkor Kotenok Z" an, dass das ukrainische Militär am Chersoner Frontabschnitt bei Bolschoje Potjomkino und Aljoschki weiterhin aktiv ist, indem es Sabotagetrupps auf Booten schickt und regelmäßig Präsenz am Ufer zeigt. Roschin schrieb:

"Es werden Reaktionen der russischen Streitkräfte auf Landungsversuche getestet. Die Sammlung diverser Landungsmittel für den Fall eines Ablenkungsschlags durch eine Überquerung des Dnjepr parallel zu einem potenziellen Angriff im Gebiet Saporoschje wird fortgesetzt."

Am Frontabschnitt Saporoschje seien die wichtigsten ukrainischen Stellungen dort verblieben, wo sie sich zuvor befanden, so Roschin weiter. Das ukrainische Militär beschieße die Städte Pologi, Tokmak und Wassiljewka sowie das Umland des Kernkraftwerks von Saporoschje, die russischen Luftstreitkräfte griffen Saporoschje, Orechow, Kamenskoje und Guljajpole an.

Parallel dazu erklärte der Vorsitzende der Bewegung "Wir sind zusammen mit Russland" Wladimir Rogow, dass die Kiewer Regierung wertvolle Ausrüstung aus den Fabriken der von ihr kontrollierten Stadt Saporoschje in die Westukraine oder nach Polen abtransportiert und versucht, die restlichen Aktiva zu verkaufen oder zu zerstören. Rogow zufolge versteht das Kiewer Regime, dass es die Stadt nicht halten kann.

Zuvor hatte die ukrainische Regierung tatsächlich ihre Bereitschaft erklärt, die sich in ihrem Eigentum befindenden Staatsunternehmen zu verkaufen. Funktionierende Fabriken, Bergbau- und Aufbereitungskombinate sowie Pharmaunternehmen werden zu einem Spottpreis veräußert. Wie die Politologin Larissa Schessler in einem Gespräch mit der Zeitung Wsgljad bemerkte, will Selenskijs Regierung westliche Unternehmer zu einer an einem Sieg der Ukraine interessierten Partei machen.

Rogow berichtete weiter, dass ukrainische Truppen Militärgerät auf Metallfabriken und in Getreidespeichern der von ihnen kontrollierten Kreise Orechow und Pologi im Gebiet Saporoschje versammeln.

In letzter Zeit sei außerdem eine aktive Vorbereitung des ukrainischen Militärs auf eine Überquerung des Dnjepr beobachtet worden. Am Dnjepr-Wasserkraftwerk sei ein unkontrollierter Wasserablass durchgeführt worden, am rechten Ufer versammele die Ukraine Militärpersonal und Kriegsgerät.

In einem Gespräch mit der Zeitung Wsgljad erklärte Rogow, dass Kiew offensichtlich eine Offensive gegen die Gebiete Saporoschje und Cherson vorbereite: "Dies wird im Grunde nicht verheimlicht. Kriegsgerät und Personal werden immer näher an die Frontlinie gebracht. Dabei versuchen sie, es in zivilen Objekten zu verstecken, unter anderem in Gemüsespeichern. Diese Lager wurden noch zu Sowjetzeiten unterirdisch gebaut und sind für den Großteil der modernen Waffen schwer zu zerstören", berichtete er. Rogow betonte außerdem:

"Dabei sehen wir, wie die Stadt Saporoschje de facto geplündert wird. Unternehmen werden zu Spottpreisen verkauft, beispielsweise das Titan-Magnesium-Kombinat von Saporoschje und weitere Objekte. Aus Saporoschje wird wertvolle Industrieausrüstung abtransportiert, unter anderem aus dem Forschungs- und Industriekomplex 'Iskra'."

"Insgesamt sind die Bewohner der von Kiew kontrollierten Teile der Gebiete Saporoschje und Cherson eingeschüchtert und wissen nicht, was sie tun müssen und wie sie sich retten sollen. Es gibt viele Beispiele dafür, wie Familien de facto in Geiselhaft genommen werden, weil die Männer wegen der allgemeinen Mobilmachung nicht herausgelassen werden. Darüber hinaus ist die ukrainische Regierung daran interessiert, dass möglichst viele Zivilisten im Kampfgebiet verbleiben, um das Militär zu zerstreuen und vor unseren Luftschlägen zu schützen. All dies macht die Loyalität der Bevölkerung gegenüber Kiew minimal", fasste er zusammen.

Der Militäranalytiker Michail Onufrijenko äußerte indessen in einem Gespräch mit der Zeitung Wsgljad Zweifel daran, dass Kiew eine Aufgabe von Saporoschje vorbereite. "Die Stadt liegt an beiden Ufern des Dnjepr, es ist eine große Gebietshauptstadt. Wie wir bereits sahen, beißt sich der Gegner selbst in viel kleinere Ortschaften fest, selbst wenn es überhaupt keinen Sinn hat", meinte er.

"Was den Abtransport von Geräten und Ausrüstung aus Fabriken angeht, hängt es meiner Meinung nicht mit einer Absicht zusammen, die Stadt zu verlassen. Der Hauptgrund liegt wahrscheinlich im Wunsch, wertvolle Industrie weiter weg aus der Reichweite unserer Luftstreitkräfte zu verlagern, also in die Westukraine oder nach Polen", bemerkte der Experte.

"Nachdem sich die Frontlinie entlang des Dnjepr etabliert hatte, finden Landungsversuche ans linke Ufer regelmäßig statt. Dennoch dauerte der erfolgreichste von ihnen etwas über einen Tag und endete in einer vollständigen Vernichtung des Sabotagetrupps. Insgesamt verlor der Gegner bei Dutzenden solcher Versuche über eintausend Mann, und zwar absolut zwecklos und ohne irgendwelche Verluste unsererseits", erklärte er.

"Unlängst erschienen Meldungen, wonach das ukrainische Militär angeblich einige Ortschaften am linken Ufer besetzt hatte. Tatsächlich handelte es sich um ein Dorf in einer überflutbaren Niederung, das aus zwei Scheunen besteht und von niemandem bewohnt wird. Dabei ist die eigentliche Landung nicht das Problem. Danach müsste man sich befestigen, die Technik übersetzen, Schützengräben graben und einen Brückenkopf errichten. Deswegen haben diese Landungen unter militärischem Gesichtspunkt keine Wirkung. Ich denke, dass Kiews Hauptziel heute darin besteht, Aufsehen in den Medien zu erregen und die Kampfmoral der eigenen Militärs durch solche 'Siege' aufrechtzuerhalten. Und ganz sicher gehört zu diesen Plänen nicht ein Verlassen der Stadt Saporoschje, denn alle verstehen, dass dies die Kampfmoral der ukrainischen Armee schwer beeinträchtigen würde", fasste Onufrijenko zusammen.

Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen bei Wsgljad.

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