Der russische Außenminister Sergei Lawrow teilte auf einer Pressekonferenz zum Abschluss der Gespräche mit dem türkischen Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu am Freitag mit, er habe mit seinem türkischen Amtskollegen über die Nichteinhaltung der Bedingungen des Getreideabkommens durch UN-Generalsekretär António Guterres gesprochen.
Lawrow sagte, dass der ukrainische Teil des Getreideabkommens erfolgreich umgesetzt werde, was durch "recht seriöse Statistiken" bestätigt werden könne. Er wies jedoch darauf hin, dass "der gesamte ukrainische Teil der Schwarzmeer-Initiative zu einem kommerziellen Export ukrainischen Getreides unter Sonderbedingungen verkommen ist, wobei die Anforderungen, die an solche Waren für westliche Länder gestellt werden, aufgehoben wurden".
Der russische Diplomat deutete außerdem darauf hin, dass parallel zur Schwarzmeer-Initiative die von der Europäischen Union formulierte Initiative der so genannten Solidaritätskorridore umgesetzt wird, die den Export ukrainischen Getreides und vieler anderer Güter nach Europa auf dem Landweg vorsieht. Für diese Waren würden maximale Vorzugsbedingungen geschaffen, in der Tat Bedingungen, die Produkte der europäischen Länder selbst diskriminierten. In Europa gebe es bereits ernsthafte Proteste, weil der europäische Markt mit billigem ukrainischem Getreide überschwemmt werde, so Lawrow. Er schlug weiter vor:
"Wenn es dort zu viel billiges ukrainisches Getreide gibt, das es den europäischen Ländern nicht erlaubt, ihr eigenes Getreide gewinnbringend zu verkaufen, dann geben Sie diesen Überschuss ukrainischen Getreides an Entwicklungsländer."
Lawrow unterstrich, dass genau aus diesem Grund Guterres die ganze Initiative für den sicheren Transport von Getreide und Lebensmitteln vorgesehen habe. In Wirklichkeit erhielten die ärmsten Länder weniger als drei Prozent des ukrainischen Getreides, und der Löwenanteil davon landete in der EU, betonte der Minister.
Dabei werde der russische Teil des Abkommens hingegen trotz zahlreicher Appelle an die Länder des kollektiven Westens überhaupt nicht erfüllt. Die Hindernisse beim Export russischer Produkte bleiben bestehen und verschärfen sich sogar, betonte der russische Außenminister.
Moskau bezweifele, dass ein Getreideabkommen überhaupt notwendig sei. Lawrow wörtlich:
"Nachdem wir dieses Abkommen um 120 Tage verlängert und keine Anzeichen dafür bemerkt hatten, dass irgendjemand diese Probleme tatsächlich lösen konnte, waren wir es leid, an das Gewissen derer zu appellieren, von denen es abhängt, und hatten uns danach für eine leichte Verschärfung entschieden und vorgeschlagen, dieses Abkommen nur um 60 Tage zu verlängern auf der Grundlage, dass wir, wenn es keine weiteren Fortschritte bei der Beseitigung von Hindernissen für den Export von russischen Düngemitteln und Getreide gibt, überlegen werden, ob dieses Abkommen überhaupt notwendig ist oder nicht."
Der russische Diplomat räumte ein, dass Russland außerhalb des Getreideabkommens arbeiten könne. Es gibt schon solche Möglichkeiten mit der Türkei und mit Katar. Die Präsidenten hätten entsprechende Pläne bereits besprochen, teilte Lawrow mit.
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