Eine Analyse von Geworg Mirsajan
Wladimir Putin betonte, die Stationierung in Weißrussland sei kein Transfer von Atomwaffen (weil das einen Verstoß gegen den Atomwaffensperrvertrag darstellen würde), sondern eine Unterbringung russischer Waffen auf entsprechend gesicherten Stützpunkten Weißrusslands.
Mit anderen Worten: Die Waffen bleiben russische Waffen, so wie die US-amerikanischen Atomwaffen in Deutschland amerikanische bleiben. "Wir machen keine Übergabe. Die Vereinigten Staaten übergeben sie auch nicht an ihre Verbündeten. Wir tun im Grunde dasselbe, was die USA schon seit Jahrzehnten tun. Sie haben einige Staaten als Verbündete, wo sie die Trägermittel vorbereiten und die Besatzungen ausbilden. Wir haben dasselbe vor", sagte Putin.
Aus dieser Sicht ist an der Entscheidung Russlands nichts Besonderes. Die Republik Belarus ist ein Verbündeter Russlands innerhalb der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OVKS) und der GUS-Staaten. In jüngster Zeit wurde eine Reihe von Beschlüssen gefasst, die unsere militärischen und politischen Beziehungen stärken und vertiefen. Unter anderem geht es um die Schaffung eines gemeinsamen militärischen Verbandes auf dem Territorium von Belarus. Hinzu kommt, dass die NATO-Länder offen ihre Aggressivität auch gegen Belarus demonstrieren. So hat Polen seine Armee aufgestockt und die Vereinigten Staaten verlegen ihre Truppen an die belarussischen Grenzen. Das Kiewer Regime führt sogar Drohnenangriffe gegen Belarus durch. Angesichts dieser Situation erscheinen Maßnahmen zur Stärkung der Souveränität von Belarus auch mit der Hilfe einer nuklearen Komponente durchaus gerechtfertigt, umso mehr, weil laut Wladimir Putin der Präsident Alexander Lukaschenko selbst darum gebeten hatte. Als souveränes Staatsoberhaupt von Belarus hat er das Recht, über die Stationierung von jeglichen Waffen aus beliebigen Ländern auf seinem Staatsgebiet zu verfügen.
Dennoch reagieren westliche Länder nun äußerst nervös. Die Europäische Union droht mit neuen Sanktionen, während die US-Amerikaner etwas fassungslos sind und aufrichtig darauf hoffen, dass dort doch keine Waffen stationiert werden. Und diese Reaktion erscheint logisch, denn sie begreifen alle: Die Stationierung russischer Atomwaffen in Belarus dient nicht nur und nicht einmal so sehr dem Schutz des Territoriums von Belarus, weil das Land durchaus mit Atomwaffen auch vom Staatsgebiet der Russischen Föderation aus verteidigt werden könnte. Diese Stationierung ist Teil der größeren Strategie Russlands, die darauf abzielt, den Westen zu einem Friedensschluss oder zumindest zu einem zivilisierten Verhalten auf dem Schachbrett der Ukraine zu zwingen.
Die Sache ist die, dass sich die westlichen Länder äußerst anmaßend aufspielen. Angefangen mit sehr vorsichtigen Lieferungen von Helmen und Munition an die Ukraine vor einem Jahr, sind sie nun dazu übergegangen, Panzer (mit dem bekannten Balkenkreuz am Turm) bereitzustellen, und sprechen gar davon, in naher Zukunft Kampfflugzeuge zu liefern. Dies geht mittlerweile so weit, dass einige Vertreter westlicher Staaten sogar über die Entsendung eigener Militärkontingente in die Ukraine sprechen (also über die direkte Beteiligung an der Okkupation russischer Hoheitsgebiete bislang nur durch ukrainische Streitkräfte). Und das Vereinigte Königreich beabsichtigt, das Kiewer Regime mit Munition zu beliefern, die abgereichertes Uran enthält, was die Beteiligung an der radioaktiven Verseuchung des russischen Territoriums durch ukrainische Terroristen darstellen würde.
Irgendwelche Versuche, dem Westen auf zivilisierte Art und Weise zu erklären, dass eine solche Eskalation das Risiko eines direkten nuklearen Konflikts zwischen Russland und der NATO in sich birgt, sind bisher ohne Erfolg geblieben. Das Gegenteil ist der Fall: Alle russischen Warnungen und Argumente werden im Westen eher als Zeichen der Schwäche Moskaus gewertet, als Beweis für die mangelnde Fähigkeit Russlands, den warnenden Worten auch Taten folgen zu lassen. Dabei ist Moskau nicht etwa "nicht bereit", sondern will nicht zur Tat schreiten – will keine Angriffe auf polnische und rumänische Waffendepots ausführen müssen, die letztlich für die Ukraine bestimmt sind. Und zwar ganz einfach deshalb, weil Russland nicht Lettland oder Polen ist, sondern eine Großmacht, die für den Weltfrieden wesentlich mitverantwortlich ist. Deswegen hat Russland einen anderen Weg der Abwehr gewählt – den Weg der schrittweisen Dressur. Eine schrittweise, graduelle Steigerung vor der weiteren Eskalation.
Im Rahmen dieser Strategie hat Moskau seit Februar eine Reihe von Schritten unternommen. Zuerst verkündete Wladimir Putin die Aussetzung der Teilnahme Russlands an dem Vertrag über strategische Offensivwaffen. Danach wurden am 9. März fünf "Kinschal"-Raketen auf die Ukraine abgefeuert. Eine der Raketen traf ein Gebäude mit hochrangigen NATO-Beratern in der Nähe von Kiew und signalisierte damit dem Westen, dass der Kreml westliche Entscheidungszentren in der Ukraine angreifen werde. Sehr gut möglich, dass auch andere Objekte der westlichen Infrastruktur mit diesem "Dolch" durchstochen wurden, deren Zerstörung Kiew bisher zu verbergen wusste. Schließlich versank am 14. März in Anwesenheit russischer Piloten eine US-amerikanische Reaper-Drohne im Schwarzen Meer, die zweifellos mit geheimen Gerätschaften ausgestattet war.
Dies war ein weiteres Signal an den Westen, dass man in Moskau den USA nicht erlauben wird, selbst von neutralen Gewässern aus ungehindert strategische Informationen über Russland zu sammeln.
Inzwischen stationiert Russland seine Atomwaffen in Belarus und bringt sie näher an die europäischen Hauptstädte heran. Damit wird signalisiert, dass Moskau bereit ist, sich zu revanchieren, wenn die europäischen "Partner" das herrschende Regime in Kiew weiterhin mit Waffen versorgen und die Bedrohung der Russischen Föderation weiter verstärken.
Natürlich würde Russland keine Panzer T-90 oder schwere Raketenwerfer TOS-1 an baskische, schottische oder irische Separatisten liefern. Und es wird sie auch nicht an diejenigen vernünftigen Europäer liefern, die bereit sind, die konservativen europäischen Werte mit Waffen in der Hand gegen die Pest des Ultraliberalismus zu verteidigen. Allerdings ist die erhöhte Gefahr eines Atomkriegs und die verkürzte Flugzeit nunmehr auch russischer Raketen zu den europäischen Hauptstädten eine ausreichende Warnung. Ausreichend genug, um ernsthafte europäische Politiker dazu zu bringen, das Spiel, das sie in der Ukraine spielen, zu überdenken und die Risiken zu überdenken.
Vorausgesetzt natürlich, dass es noch solche ernstzunehmenden Politiker in Europas Hauptstädten gibt. Sollte es keine solchen Politiker mehr geben, weil sie dort vergessen haben, was Vernunft bedeutet, so wird Moskau sie mit neuen erzieherischen Maßnahmen daran erinnern.
Übersetzt aus dem Russischen.
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