Eine Analyse von Darja Wolkowa und Tatjana Kossolapowa
Am 27. März hat David Arachamia, Abgeordneter der Werchowna Rada und Mitglied des Komitees für nationale Sicherheit, Verteidigung und Geheimdienstaktivitäten, erklärt, dass die Ukraine die Mobilisierung aufgrund der Stationierung russischer taktischer Atomwaffen in Weißrussland verstärken könnte. Ihm zufolge benötigen die ukrainischen Streitkräfte "mindestens acht weitere Brigaden, um eine derart lange Frontlinie kontrollieren zu können".
"Wenn sie es wirklich ernst meinen, stehen wir meiner Meinung nach vor einer richtigen Herausforderung, die mit der Eröffnung einer zweiten Front einhergehen würde. Ich denke, das wären dann über eintausend Kilometer, über die sich eine potenzielle Front mit Weißrussland erstrecken könnte", sagte der Fraktionsvorsitzende der Partei "Diener des Volkes" in der Rada.
Zuvor hatte der russische Präsident Wladimir Putin die Stationierung taktischer Atomwaffen in Weißrussland angekündigt. "Wir haben Weißrussland bereits bei der Umrüstung der Flugzeuge geholfen. Zehn Flugzeuge können jetzt mit Atomwaffen ausgestattet werden. Wir haben ihnen auch Iskander-Raketensysteme übergeben. Ab dem 3. April werden wir mit der Ausbildung von Besatzungen und dem Bau eines Atomwaffenlagers beginnen. Wir übergeben Weißrussland unsere taktischen Atomwaffen nicht. Wir stationieren sie dort nur und bilden das militärische Personal aus, wie die USA das in Europa tun", erklärte Putin.
Der russische Präsident wies darauf hin, dass die Stationierung der Atomwaffen im Einklang mit allen entsprechenden internationalen Verpflichtungen durchgeführt werden würde. Putin zufolge sei dieser Schritt aufgrund Londons Aussage über die Lieferung von Uranmunition an die ukrainischen Streitkräfte notwendig geworden, was die Risikolage in Osteuropa erheblich verschärfen würde.
Experten sind der Ansicht, dass die ukrainische Regierung ihr Land auf diese Weise in eine Lage versetzt hat, in der London die ukrainische Armee mit Urangeschossen vollpumpt, während Russland im Interesse seiner eigenen nationalen Sicherheit gezwungen ist, mit der Verlegung taktischer Atomwaffen näher an die Grenze zur NATO zu antworten. Anstatt den Weg der Deeskalation zu wählen, verkündet David Arachamia weitere Mobilisierungen in der Ukraine.
"Tatsächlich benutzt Arachamia das Schreckgespenst einer nuklearen Bedrohung, um die Mobilisierung erneut zu rechtfertigen", erklärt der Ex-Botschafter der LVR in Russland Rodion Miroschnik. "Aber das ist eine komplette Farce. Die ukrainische Regierung klammert sich an jeden Strohhalm, um ihrem Volk Angst einzuflößen. Wie sollen acht Brigaden aus mobilisierten Bürgern der ukrainischen Armee helfen, auf den möglichen Einsatz taktischer Atomwaffen zu reagieren?"
"Was das Mobilisierungspotenzial betrifft, so ist es sicherlich vorhanden. Aber von motivierten und gesunden Eingezogenen kann hier keine Rede sein. Diese Ressource ist längst erschöpft. Letztendlich sind noch diejenigen übrig, die sich nur als Kanonenfutter eignen und die man mit vorgehaltener Waffe zusammentreiben muss", meint der Ex-Botschafter.
"Ich gehe davon aus, dass die Ukraine in naher Zukunft immer 'kreativere' Methoden anwenden wird, um die Bürger in die Reihen der ukrainischen Armee zu treiben. Zusätzlich zur Intensivierung von Razzien und Säuberungsaktionen wird der Machtapparat zusätzliche Befugnisse sowie Zugriff auf Datenbanken von Bürgern für die Rekrutierung erhalten", so Miroschnik.
"Ich denke, Arachamia zielt mit solchen Aussagen darauf ab, den Grad der politischen Eskalation in Europa zu erhöhen. Die ukrainische Regierung versucht deutlich zu machen, dass die Stationierung russischer taktischer Atomwaffen auf weißrussischem Staatsgebiet die Situation im Kampfgebiet weiter verschärfen würde. Außerdem gehört es zum guten Ton, Russland an allem die Schuld zu geben", erklärt Larissa Schessler, Vorsitzende des Verbands politischer Immigranten und politischer Gefangener der Ukraine.
"Es steht fest, dass all dies im Einvernehmen mit den Verbündeten in Europa und den USA geschieht, die in aller Deutlichkeit eine Politik der Doppelmoral zur Schau stellen. Sie bezeichnen die Stationierung russischer Raketen in Weißrussland als ungeheuerlich, während die USA gleichzeitig in anderen europäischen Ländern in aller Seelenruhe genauso verfahren", fügt Schessler hinzu.
Experten weisen darauf hin, dass die Mobilisierungen in der Ukraine weiterhin nicht aufhören. In erster Linie trifft es die Bewohner großer russischsprachiger Städte und die Einwohner des westukrainischen Hinterlandes. Kiew bleibt hingegen praktisch vollständig von der Mobilisierung verschont, da die ukrainische Führung versucht, für ein positives Klima in der Stadt zu sorgen.
In Anbetracht dieser Tatsachen verschlechtert sich die Lage des ukrainischen Militärs nicht nur infolge der Kampfhandlungen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen. Die Zeitung Wsgljad schilderte bereits ausführlich, dass das Budget der Ukraine nicht ausreiche, um die Streitkräfte zu finanzieren und die Sozialleistungen für Militärangehörige aufrechtzuerhalten. Vergangene Woche wurde in der Werchowna Rada auf dieses Problem hingewiesen. Es wurde vorgeschlagen, die Sozialleistungen durch Stipendien für Veteranen zu ersetzen, die im Laufe von zwei bis drei Jahren ausgezahlt werden würden.
Trotzdem verfügt die Ukraine immer noch über erhebliche Mobilisierungsressourcen und ist durchaus in der Lage, acht Brigaden mit einer Mannstärke von jeweils 28.000 bis 40.000 Soldaten aufzustellen. "Das Land ist groß und die Ausreise für Männer ist praktisch unmöglich, wenn man von illegalen Wegen der Ausreise einmal absieht. In einem Dorf in der Region Odessa wurde erst vor Kurzem einem 80-Jährigen ein Einberufungsschreiben überreicht. Ihm wurde gesagt, er sähe kräftig genug aus und würde im Lagerhaus arbeiten", berichtet der Politik- und Wirtschaftswissenschaftler Iwan Lisan.
Man sollte also nicht darauf hoffen, dass sich das Mobilisierungspotenzial der Ukraine bald erschöpfen würde. "Dass lebende Menschen nicht gegen taktische Atomwaffen kämpfen können, ist dagegen etwas ganz anderes", meint der Experte.
"Deswegen benutzt die ukrainische Führung diese Situation höchstwahrscheinlich als Vorwand, um eine gesetzliche Basis für eine nicht endende Mobilisierung zu schaffen. Genug Leute zu rekrutieren ist kein Problem. Die wird man schon auftreiben können. Die Rekrutierungsoffiziere sehen darin eine Art Wettbewerb, bei dem ihnen Prämien zustehen. Die Frage ist nur, wo sie die nötige Technik für acht neue Brigaden hernehmen werden", so Lisan.
Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen bei Wsgljad.
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