Eine Analyse von Wladislaw Sankin
Kiewer Offizielle bereuen aktuell die eigene "Milde" gegenüber der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche (UOK) in den ersten Monaten der russischen Militäroperation im vergangenen Jahr. Damals wäre es einfacher gewesen, diese "schmerzlos" zu entfernen, um dem Ziel "alles Prorussische physisch zu säubern" näherzukommen.
So verglich der Berater des ukrainischen Präsidialamtes, Michail Podoljak, in einem Fernsehinterview im ukrainischen Kanal 24 die Kirche mit einem Geschwür und sprach von einer Notwendigkeit, es "chirurgisch zu schließen". Daraufhin führte er aus:
"Ich denke, dass die einzigartige Chance, dass man alles sehr schnell und schmerzlos entscheiden konnte, in den ersten drei bis sechs Monaten des Krieges bestand. Damals konnte man viel Prorussisches einfach physisch säubern, heute ist es etwas schwieriger. Dennoch bedeutet 'etwas schwieriger' nicht 'unmöglich'. Und heute müssen wir juristisch motiviert, ziemlich hart diesen Weg gehen. Ich betone nochmals: In der Ukraine darf es nur eine einzige Ukrainisch-Kanonische Kirche geben."
Doch die Mönche einfach mit Gewalt aus dem tausend Jahre alten Kloster zu werfen, würde für unschöne Bilder eines Unterdrückungsregimes sorgen. Im digitalen Zeitalter würden diese unmittelbar vor Augen führen, mit welcher mittelalterlichen Intoleranz die Selenskij-Regierung gegen die Religionsfreiheit verstößt. Selbst die in anderen Fragen völlig voreingenommene UNO äußerte sich schon kritisch zu den Repressalien gegen die weltweit anerkannte UOK.
Das Kiewer Regime steht also offenbar vor einem Dilemma. Der Beschluss, die UOK juristisch zu liquidieren, ist schon gefallen. Konsequente Hass-Kampagnen in den Medien, die die Kirche als angeblichen Handlanger Moskaus diskreditieren, sind nur ein Beweis dafür unter vielen. Dafür sprechen insbesondere die radikalen Äußerungen zahlreicher Regierungsvertreter wie die des Chefs des Sicherheits- und Verteidigungsrates, Alexei Danilow.
Aber diesen Beschluss ohne Polizeigewalt umzusetzen, scheint derzeit unmöglich zu sein, denn sowohl die Priester als auch die Gemeinde der Gläubigen zeigen sich geschlossen. Sie sind sich sicher, dass ihre Überzeugungen richtig sind. In der langen Kirchengeschichte haben sie viele Beispiele für gescheiterte Versuche gefunden, den Glauben zu verhindern oder die Kirche gar zu zerstören.
Und so schickt das Regime "Aktivisten" ins Feld, um Versammlungen der Gläubigen zu stören. Tonangebend sind dabei die Jünger des berühmt-berüchtigten Kiewer Nazis Eugen Karas. So auch am Sonntag, als Hunderte Kiewer sich zu einem Gottesdienst und anschließenden Gebeten in einer der Kirchen des Höhlenklosters versammelt hatten. Sie waren so zahlreich, dass viele auf der Straße bleiben mussten. An den Zugängen zum Kloster fanden entsprechend viele Szenen der Konfrontation statt.
Orthodoxe Gemeindeanhänger wurden beim Gebet mit obszönen Lieder über Russen und den russischen Präsidenten gestört. Während des Gebetes einer jungen Chorsängerin und Songpoetin auf dem Fußgängerüberweg vor dem Kloster haben die "Aktivisten" eine "Disco" veranstaltet und die junge Frau mit einem Tanz um sie herum verhöhnt. Besonders diese Szene sorgte für Wirbel im Netz. Die Störer wurden von zahlreichen Kommentatoren mit tollwütigen Teufeln verglichen.
Die anderen trugen offen Nazi-Symbole und forderten durch eine Stimme aus den Lautsprechern die Versammelten auf, sich zu ergeben – "wie deutsche Nazis in den Schützengräben an der Ostfront". Der Telegram-Kanal "Nachrichten der Orthodoxie" zeigt die Aufnahme dazu. In einem anderen Video ist zu hören, wie die Störer "Lang lebe Satan" schreien.
Einer der Männer, der dabei war, hat am selben Tag dem Fernsehsender Fünfter Kanal ein Kurzinterview gegeben. Er sagte, dass das Höhlenkloster schon lange hätte "abgebrannt" werden müssen. Auf die Anmerkung des Journalisten, dass der Vikar des Klosters, Metropolit Pawel, nun mit digitalen Handschellen unter Hausarrest stünde, sagte der "Aktivist", dass man diesen auf die Knie zwingen und ihm in den Kopf schießen müsse. "Bilder davon müssten in russischen Medien laufen", fügte er hinzu. Über sich selbst sagte er, dass er heidnisch sei. Dieser Aufruf zum Mord wurde ohne Zensur mit dem Logo des Kanals gesendet.
Provokationen und feindliche Übernahmen durch Mini-Maidans
Dennoch verliefen die Auseinandersetzungen am Sonntag vor dem Kloster ohne Handgreiflichkeiten. Am selben Tag fand aber im westukrainischen Chmelnizki ein Ereignis statt, das als Modell für das weitere Vorgehen gegen die UOK angesehen werden kann.
Ein Provokateur, wie sich später herausstellte, Ex-Soldat und Anhänger der neonazistischen Gruppierung von Eugen Karas, die auch bei der Belagerung des Höhlenklosters tonangebend war, drang im Camouflage-Anzug in eine Kirche der ukrainisch-orthodoxen Gemeinde ein. Begleitet wurde er von einer Frau mit Handykamera, die sie aber nur zu einem bestimmten Moment einschaltete.
Gekommen war dieser Moment nach einer Reihe aggressiver Handlungen des Provokateurs. Nach Angaben der Augenzeugen wurde er gegenüber einem Priester handgreiflich, beschimpfte die Kirche als "Moskau-Agenten", schmiss Ritualgegenstände, darunter das Evangelium, auf den Boden und erreichte damit den Abbruch der Messe.
Erst danach wurde der Mann von einem kräftigeren Priester angegriffen und mit Gewalt aus der Kirche hinausgedrängt. Genau dann startete die ihn begleitende Frau die Kamera und filmte die Szene mit dem Kommentar "seht her, ein Militärangehöriger wird verprügelt". Die Polizei wurde gerufen und der Störenfried entfernt, aber ab diesem Moment nahmen die Ereignisse ihren Lauf.
Aus dem Nirgendwo tauchten weitere "Aktivisten" auf, bis sie ungefähr fünfzig Personen waren. Die Meute versuchte, das Gotteshaus zu stürmen. Dann füllte sich der gesamte Platz vor der Kirche, wo die Menge bekannte Nazi-Parolen wie "Tod den Feinden" skandierte.
Später standen dort Tische, auf denen Abstimmungszettel lagen, und die Versammelten stimmten als "Gläubiger-Gemeinde" für den Übergang der UOK in die Obhut der nationalistischen Spalter aus der sog. Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU). Die städtischen Behörden haben diesen Schritt als legitim abgesegnet. Nun muss die UOK das Gelände räumen.
Die Gemeinde der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche gilt nach wie vor als die größte im Land. Dabei verhalten sich deren Geistliche loyal gegenüber dem ukrainischen Staat und betonen, dass sie den "Verteidigern der Heimat" jegliche Hilfe leisten. Die Beziehungen zu Moskau haben sie selbst proaktiv noch im Jahr 2022 abgebrochen. Ungeachtet dessen betrachten die jetzigen ukrainischen Machthaber die UOK als Todfeind. Zu einem solchen macht sie ihr Bekenntnis zur Orthodoxie als traditionsreiche Religion und moralischer Anker sowie die Verweigerung, die gemeinsamen Wurzeln von Russen und Ukrainern zu leugnen.
Mit dem Hausarrest des Metropoliten Pawel haben die Kiewer Behörden den wortgewandten geistlichen Führer der Orthodoxen für zwei Monate ausgeschaltet. Jetzt wird durch Provokationen wie in Chmelnizki versucht, die Progromstimmung gegen die UOK weiter anzuheizen und in eine Massenbewegung nach Art des Kiewer Maidans in den Jahren 2013 und 2014 umzuwandeln, um die Kirche und ihre Gläubigen endgültig zu vertreiben.
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