US-Journalist in Jekaterinburg wegen Spionage festgenommen

Der russische Inlandsgeheimdienst FSB hat in Jekaterinburg einen akkreditierten Korrespondenten der US-Zeitung The Wall Street Journal (WSJ) festgenommen. Aus der entsprechenden Pressemitteilung der Behörde vom Donnerstag geht hervor, dass es sich um den US-Bürger Evan Gershkovich handelt.

Der FSB legt Gershkovich Spionage für die US-Regierung zur Last, schreibt das russische Nachrichtenportal Lenta.ru. Der Verdächtige soll im Auftrag der US-Seite geheime Informationen über ein russisches Rüstungswerk beschafft haben. Russische Medien zitieren eine Mitteilung des FSB-Zentrums für Öffentlichkeitsarbeit:

"Der Föderale Sicherheitsdienst der Russischen Föderation hat die illegalen Aktivitäten des im Jahre 1991 geborenen und beim russischen Außenministerium [als Journalist] akkreditierten US-amerikanischen Staatsbürgers Evan Gershkovich unterbunden, der der Spionage für die US-Regierung verdächtigt wird.

Es wurde festgestellt, dass Evan Gershkovich im Auftrag der US-amerikanischen Seite Daten sammelte, die Staatsgeheimnisse darstellen – Daten über die Aktivitäten eines der Unternehmen der russischen Rüstungsindustrie. Der Ausländer wurde in Jekaterinburg festgenommen, als er versuchte, geheime Daten zu erhalten."

Am Vortag hatte die Lokalzeitung Wetschernije Wedomosti (dt.: Abendnachrichten) berichtet, dass dieser US-Journalist seit dem Abend des 29. März, also seit dem Vorabend der Meldung über dessen Festnahme, nicht mehr zu erreichen gewesen sei. Es werde vermutet, dass eine zuvor gemeldete Festnahme vor dem Restaurant "Bukowski Grill" im Stadtzentrum Gershkovich betraf, so das Blatt mit Verweis auf den PR-Manager Jaroslaw Schirschikow. Gershkovichs Chef habe in der folgenden Nacht Schirschikow angerufen, weil dieser einer der Gesprächspartner des WSJ-Journalisten bei einem Interview in Jekaterinburg gewesen sei, bevor er nach Moskau abflog:

"Ich hatte mich sogar auch schon schlafengelegt – und da kommt doch etwa um ein Uhr nachts ein Anruf aus London. Ein gewisser Sir Namens Thomas informiert mich eindeutig besorgt, dass Evan am Mittwoch wieder nach Jekaterinburg angereist, aber über neun Stunden schon nicht mehr zu erreichen gewesen sei. Und da dämmert mir, dass ich mit Evan im 'Bukowski' Mittag gegessen habe – und ganz nahe bei nicht nur mein Büro ist, sondern auch das Büro eines weiteren Figuranten seines Materials."

Schirschikow zufolge wollte der festgenommene Journalist in Jekaterinburg angeblich "die Einstellung der Gesellschaft gegenüber dem russischen privaten Militärdienstleister Wagner" untersuchen. Der Journalist Dmitri Kolesew, der sich in Russland entsprechend dem Gesetz über ausländische Agenten ausweisen muss, gibt jedoch an, dass Gershkovich auch in andere Städte des Gebiets Swerdlowsk gereist sei, in denen Rüstungsunternehmen ansässig sind, schreibt die russische Zeitung Kommersant.

Sprecherin des russischen Außenministeriums Maria Sacharowa kommentierte den Vorfall mit Gershkovich wie folgt:

"Was der Mitarbeiter des US-amerikanischen Wall Street Journal in Jekaterinburg getrieben hat, hat nichts mit Journalismus zu tun.

Leider ist dies nicht das erste Mal, dass Ausländer in unserem Land den Status eines "Auslandskorrespondenten", ein Journalistenvisum und eine Akkreditierung als Deckmantel für Aktivitäten ausgenutzt werden, die nichts mit Journalismus zu tun haben. Da wurde beileibe nicht der erste prominente Westler in flagranti erwischt."

Kremlsprecher Dmitri Peskow klassifizierte etwaige Vergeltungsrazzien in den Stützpunkten russischer Korrespondenten in den USA vonvornherein als außerhalb des Angemessenen liegend – die Kommersant zitiert sein telefonisches Interview mit Radio Majak:

"Wir hoffen, dass das ausbleiben wird – denn es darf das auch nicht geben, weil es hier nicht um Verdachtsfälle geht, sondern Gershkowich wurde auf frischer Tat ertappt."

Evan Gershkovich ist ein Sohn sowjetischer Emigranten in die USA, lebt seit sechs Jahren in Moskau und ist beim russischen Außenministerium als US-Journalist akkreditiert. Er berichtet größtenteils als Reporter über Ereignisse in Russland, der Ukraine und überhaupt der gesamten ehemaligen Sowjetunion. Zuvor hat er für Agence France-Presse (AFP), die Moscow Times und die New York Times gearbeitet. Das Wall Street Journal veröffentlichte von Gershkovich zuletzt am 28. März 2023 dessen jüngsten Artikel.

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