An einem stürmischen Montag, am 26. März 1827, verstarb der deutsche Komponist Ludwig von Beethoven nach langer Krankheit. Seit Weihnachten bettlägerig, war er von Gelbsucht befallen, seine Glieder und sein Unterleib waren geschwollen, jeder Atemzug ein Kampf. Als seine Mitarbeiter zu jener Zeit seine persönlichen Gegenstände durchsuchten, entdeckten sie ein Dokument, das Beethoven ein Vierteljahrhundert zuvor geschrieben hatte – ein Testament, in dem er seine Brüder bat, der Öffentlichkeit Einzelheiten über seinen gesundheitlichen Zustand mitzuteilen.
Seitdem wird über den Gesundheitszustand und die Todesursache jenes großen Mannes debattiert. Heute ist es kein Geheimnis mehr, dass einer der größten Musiker der Geschichte mit Mitte 40 funktionell taub war. So war es letztlich eine tragische Ironie des Schicksals, von der sich Beethoven wünschte, dass die Welt sie verstehen würde – nicht nur aus persönlicher, sondern auch aus medizinischer Sicht. Doch erst fast zwei Jahrhunderte nach Beethovens Tod machte sich ein Forscherteam daran, sein Testament auf eine Weise zu erfüllen, die er sich zu Lebzeiten nie hätte träumen lassen: indem es die DNA in authentischen Haarproben genetisch analysierte.
Die von der Universität Cambridge in Zusammenarbeit mit dem Beethoven Center San José (Kalifornien) und der American Beethoven Society, dem Universitätsklinikum sowie der Universität Bonn, dem Beethoven-Haus Bonn und dem Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie durchgeführte Studie liefert erstmals wichtige Anhaltspunkte zur Gesundheit des Komponisten und wirft neue Fragen über dessen Todesursache, aber auch über seine Abstammung auf. "Unser primäres Ziel war es, Beethovens Gesundheitsprobleme aufzuklären, zu denen bekanntlich ein fortschreitender Hörverlust gehörte, der mit Mitte bis Ende 20 einsetzte und schließlich dazu führte, dass er 1818 funktionell taub war", erklärte der Biochemiker Johannes Krause vom Max-Planck-Institut in einer Pressemitteilung.
Die Ursache für Beethovens Hörverlust konnte nie geklärt werden und auch seinem Leibarzt, Dr. Johann Adam Schmidt, war sie seinerzeit nicht bekannt. Was als Tinnitus in seinen 20er-Jahren begann, führte zu einer verminderten Toleranz für laute Geräusche und schließlich zu einem Verlust des Gehörs in den höheren Tonlagen, was seine Karriere als Künstler beendete. Für einen Musiker könnte es nichts Dramatischeres geben. In einem Brief an seine Brüder gab Beethoven einmal zu, dass er "hoffnungslos geplagt" war und sogar an Selbstmord dachte. Doch war es nicht nur Schwerhörigkeit, mit der der Komponist in seinem Erwachsenenleben zu kämpfen hatte.
Mindestens seit seinem 22. Lebensjahr soll er unter starken Bauchschmerzen und chronischen Durchfallanfällen gelitten haben. Sechs Jahre vor seinem Tod traten zudem die ersten Anzeichen einer Lebererkrankung auf, die vermutlich zumindest teilweise für seinen Tod im relativ jungen Alter von 56 Jahren verantwortlich war. Insgesamt acht Locken aus privaten und öffentlichen Sammlungen aus Großbritannien, den USA und Europa wurden für die Studie analysiert. Drei von ihnen schieden allerdings aus. Sie konnten nicht wie die übrigen fünf eindeutig und authentisch einer Person zugeordnet werden.
Besonders überraschend war das im Fall der sogenannten "Hiller-Locke". Sie galt als eine der berühmtesten Locken Beethovens. Eine forensische Untersuchung im Jahr 2007 ergab, dass eine Bleivergiftung seinen Tod beschleunigt haben könnte, wenn sie nicht sogar für die Symptome verantwortlich war, die letztlich sein Leben forderten. Die Belastung durch Blei war lange Zeit eine der wichtigsten Erklärungen – einige Wissenschaftler vermuteten, dass Beethoven zu viel billigen Wein getrunken hatte, der zum Überdecken der Bitterkeit im 19. Jahrhundert oftmals mit Blei gesüßt war.
Die neueste Studie widerlegt diese Theorie jedoch und zeigt, dass das für die Untersuchungen im Jahr 2007 verwendete Haar gar nicht von Beethoven, sondern von einer unbekannten Frau stammte. "Da wir jetzt wissen, dass die 'Hiller-Locke' von einer Frau und nicht von Beethoven stammt, trifft keine der früheren Analysen, die ausschließlich auf dieser Haarprobe basieren, auf Beethoven zu", erklärte William Meredith, Emeritus Director des Beethoven Center in San José und Mitinitiator der Studie. Dazu zählt zum Beispiel die lange Jahre vermutete Bleivergiftung Beethovens. "Künftige Studien zur Untersuchung auf Blei, Opiate und Quecksilber müssen auf authentischen Proben basieren", so Meredith.
Die anderen Locken, die mit hoher Wahrscheinlichkeit vom Kopf des Komponisten stammen, belegten nun, dass Beethovens Tod stattdessen wahrscheinlich die Folge einer Hepatitis-B-Infektion war, die durch seinen Alkoholkonsum und zahlreiche Risikofaktoren für Lebererkrankungen noch verschlimmert wurde. Und seine anderen Krankheiten? "Wir waren nicht in der Lage, eine definitive Ursache für Beethovens Taubheit oder Magen-Darm-Probleme zu finden", räumte Krause ein. In gewisser Weise bleiben auch nach der neuesten Studie mehr Fragen über das Leben und den Tod des berühmten klassischen Komponisten offen. Wo hat er sich Hepatitis zugezogen? Wie konnte eine Haarlocke einer Frau jahrhundertelang als Beethovens Haar durchgehen? Und was war der Grund für seine Bauchschmerzen und seinen Hörverlust?
Wenn man bedenkt, dass das Team von Beethovens Wunsch inspiriert wurde, dass die Welt seine Schwerhörigkeit versteht, ist das ein bedauerliches Ergebnis. Allerdings offenbarte die Untersuchung noch eine weitere Überraschung, die in seinen Genen verborgen war. Denn das Forscherteam analysierte auch das Erbgut dreier noch lebender Nachfahren von Beethovens Neffen Karl. Das überraschende Ergebnis: Offenbar hatte es in den Generationen vor der Geburt des Komponisten ein kleines außereheliches Techtelmechtel gegeben. Denn bei keinem Einzigen von ihnen konnte eine eindeutige Übereinstimmung mit der DNA Beethovens gefunden werden. Zwar hätten einige von ihnen einen gemeinsamen väterlichen Vorfahren mit Beethoven – "doch ihr Y-chromosomales Erbgut stimmte nicht mit dem Y-Chromosom überein, das in den authentischen Haarproben gefunden wurde", so die Forschenden.
"Dieser Befund deutet auf ein außereheliches Vaterschaftsereignis in seiner väterlichen Linie zwischen der Empfängnis von Hendrik van Beethoven in Kampenhout, Belgien, um 1572 und der Empfängnis von Ludwig van Beethoven sieben Generationen später, 1770, in Bonn, Deutschland, hin", sagte Tristan Begg, ein biologischer Anthropologe, der jetzt an der Universität von Cambridge im Vereinigten Königreich arbeitet. In Anbetracht der schicksalhaften Bitte, die Beethoven seinerzeit in seinem Testament zu Papier brachte, könnten die Ergebnisse der Studie dennoch zufriedenstellender sein, als der junge Beethoven es damals erwartet hatte. Niemals hätte er sich träumen lassen, welche Geheimnisse er bewahren würde, als seine Freunde und Kollegen ihm nach jener düsteren, stürmischen Montagnacht im Jahr 1827 die Haare abschnitten.
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