Von Juri Sainaschew
Parallel zur Kompanie von Challenger-2-Kampfpanzern wird Großbritannien der Ukraine auch Munition, darunter Panzergranaten mit abgereichertem Uran liefern. Dies berichtete die stellvertretende Verteidigungsministerin des Vereinigten Königreichs, Baronesse Annabel Goldie. "Solche Geschosse verfügen über eine hohe Effektivität bei der Bekämpfung moderner Panzer", behauptete sie in einer schriftlichen Antwort auf die entsprechende Anfrage des Mitglieds des House of Lords Raymond Jolliffe.
Der Umfang der britischen Militärhilfe an die Ukraine im vergangenen Jahr hatte etwa 2,3 Milliarden Pfund betragen. Insbesondere wurden über 10.000 Panzerabwehrraketenkomplexe vom Typ NLAW, über zweihundert Panzerwagen, Mehrfachraketenwerfer M270 und Hochpräzisionsraketen Brimstone gesendet. Überdies bildeten britische Instrukteure bei Vorbereitungskursen über 10.000 ukrainische Militärs aus. Außerdem leistete das Königreich humanitäre Hilfe im Wert von 1,5 Milliarden Pfund. In diesem Jahr beabsichtigt London, mindestens 2,3 Milliarden US-Dollar für Militärhilfe an die Ukraine zu bewilligen.
Die Aussage der britischen Baronesse rief bei den ukrainischen Nationalisten Begeisterung hervor. So zitierte das Nachrichtenportal Ukraine.ru den Anführer der neonazistischen Gruppierung S14 und Kämpfer der ukrainischen Spezialkräfte Jewgeni Karas:
"Nachdem das Vereinigte Königreich uns Granaten mit abgereichertem Uran übergeben hat, die keine radioaktive Bedrohung darstellen, nachdem, was wir hier im Allgemeinen bombardiert haben, und wenn es eine Erhöhung der Strahlung um ein Mikroröntgen gibt, dann ist es egal. Nicht, dass viele dieser Granaten abgefeuert werden, aber die Hauptsache ist, dass sie eine sehr hohe Durchschlagskraft haben."
Dagegen sorgte diese Nachricht im ehemaligen Jugoslawien für Ratlosigkeit. Durch den Einsatz von Munition mit abgereichertem Uran während der Aggression der NATO wurden sowohl Zivilisten, als auch NATO-Soldaten, die an der Operation teilnahmen, getötet. Daran erinnerte der Leiter der Serbischen Radikalen Partei Vojislav Šešelj und fügte hinzu:
"Großbritannien spielt mit dem eigenen Schicksal. Es tritt immer offener in den Krieg gegen Russland ein."
Wie die Nachrichtenagentur TASS erinnerte, waren im Laufe des Angriffs auf Serbien im Jahr 1999 etwa fünfzehn Tonnen abgereichertes Uran über Geschosse auf das Land abgeworfen worden. Danach nahm Serbien den ersten Platz bei Krebserkrankungen in Europa ein. Während der ersten zehn Jahre nach den Bombardierungen erkrankten etwa 30.000 Bewohner der Republik an Krebs, von denen 10.000 bis 18.000 Menschen starben.
Im Januar 2020 wurde in Serbien die erste Klage gegen die NATO für den Einsatz von abgereichertem Uran eingereicht. Die serbischen Klagen waren mit den 500 Klagen der italienischen Soldaten, die im Jahr 1999 im besetzten Kosovo stationiert waren, identisch. Etwa 200 davon wurde stattgegeben – Italiens Verteidigungsministerium erstattete den Schaden. Die Kanzlei des serbischen Anwalts Srđan Aleksić bereitet die Einreichung von über 2.500 weiteren Klagen von lokalen Militärangehörigen und Polizisten vor. Aleksić prognostizierte:
"Beim Einsatz von Geschossen mit abgereichertem Uran entsteht Uranstaub, der über ganz Europa verstreut und zu Ausbrüchen von Krebserkrankungen führen wird."
Die Pressesprecherin des russischen Außenministeriums Maria Sacharowa erklärte:
"Diese Geschosse töten nicht nur, sie verseuchen auch die Umwelt und rufen Krebserkrankungen bei Bewohnern dieses Lands hervor. In Jugoslawien kamen in erster Linie NATO-Soldaten, insbesondere Italiener, zu Schaden. Danach versuchten sie lange, von der NATO eine Entschädigung für die verlorene Gesundheit einzuklagen … wann wird man in der Ukraine aufwachen?"
Der ehemalige Leiter der Abteilung für internationale Verträge des russischen Verteidigungsministeriums, Generalleutnant a. D. Jewgeni Buschinski, erklärte der Zeitung Wsgljad:
"Der Krieg in Jugoslawien hat bereits bewiesen, dass solche Geschosse sowohl für diejenigen gefährlich sind, die sie einsetzen, als auch für jene, gegen die sie eingesetzt werden. Eine radioaktive Verseuchung der Umwelt findet trotzdem statt, auch wenn sie klein ist."
Die größte Gefahr des abgereicherten Urans bestehe nicht in der Radioaktivität, sondern in der Toxizität, erklärte der wissenschaftliche Mitarbeiter des Instituts für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen der Russischen Akademie der Wissenschaften, Ilja Kramnik:
"Der Staub, der durch die Einschläge solcher Geschosse entsteht, ist giftig und kann eine Reihe von schweren Folgen für den Körper hervorrufen. Übrigens haben die Unsrigen zunächst auch abgereichertes Uran für Geschosskappen getestet, doch später zugunsten von Wolframkarbid darauf verzichtet."
Jedenfalls werden nach Kramniks Meinung die Lieferungen solcher Munition an die ukrainische Armee nichts am Kräfteverhältnis an der Front ändern.
Um wie viel effektiver solche Geschosse beim Durchschlagen von Panzerung sind, zeigt das vom russischen Verteidigungsministerium im Jahr 2018 veröffentlichte Handbuch "Die Armee Russlands im Vergleich". Demnach wurde die Stabilisierungsanlage und das Ladegerät des Panzers T-80BVM für Munition des Typs 3BM59 "Swinez-1" und 3BM60 "Swinez-2" modernisiert. Das Pfeilwuchtgeschoss "Swinez-1" hätte einen Kern aus Wolframcarbid und "Swinez-2" einen aus Uranlegierung. Konnte das erstere 700 bis 740 Millimeter homogener Panzerung in einer Entfernung von zwei Kilometern durchschlagen, betrug dieser Wert beim zweiten 800 bis 830 Millimeter auf gleicher Distanz.
Der Leiter des Zentrums des Instituts für aktuelle internationale Probleme der Diplomatischen Akademie des russischen Außenministeriums, Wadim Kosjulin, zählt zu Experten, die den Umweltschaden durch den Einsatz von Uranmunition anzweifeln. Er sagte:
"Ein Panzergeschoss mit einer solchen Kappe wird auch 'fliegende Brechstange' genannt. Uran ist sehr schwer, und je schwerer das Geschoss ist, desto besser schlägt es die Panzerung durch. Seinerzeit setzte das Pentagon solche Geschosse in Jugoslawien ein und seitdem haben viele den Verdacht, dass sie der Umwelt schadeten. Es ist nicht bewiesen, könnte aber theoretisch wahr sein."
In jedem Fall ruft diese Waffe sowohl in russischer, als auch in westlicher öffentlicher Meinung negative Assoziationen hervor, räumte der Experte ein. Kosjulin sagte:
"Besonders empört sind lokale Umweltschützer. Warum beschloss London dennoch, solche Geschosse an Kiew zu liefern? Möglicherweise läuft ihnen die Munition aus, die Lager leeren sich, und Großbritannien schickt diese Geschosse wegen Munitionsmangel."
Die Lieferung von Munition mit abgereichertem Uran werde für London ein böses Ende nehmen, warnte der russische Außenminister Sergei Lawrow. Nach seiner Ansicht zeige Großbritannien damit die Bereitschaft, "nicht nur Risiken einzugehen, sondern auch Verletzungen des humanitären Völkerrechts in Kauf zu nehmen". Der Minister erklärte:
"Dies geschah auch 1999 in Jugoslawien und viel Anderes, das sie sich erlaubten, darunter Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit."
Londons Entscheidung bedeute, dass die Welt einem nuklearen Konflikt einen Schritt näherkäme, es blieben bis dahin "immer weniger Stufen", erklärte Russlands Verteidigungsminister Sergei Schoigu. Er sagte:
"Dies lässt uns ernsthaft über den weiteren Verlauf der Ereignisse nachdenken und wie wir darauf antworten können."
Die Pläne Großbritanniens zeugen von der Bereitschaft des Westens, bis zum letzten Ukrainer nicht nur in Worten, sondern bereits in Taten zu kämpfen, erklärte diesbezüglich der russische Präsident Wladimir Putin. Während einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping warnte er:
"In dieser Hinsicht möchte ich anmerken, dass, wenn das geschieht, Russland zu einer entsprechenden Reaktion gezwungen sein und dabei berücksichtigen wird, dass der kollektive Westen bereits Waffen mit einer nuklearen Komponente einsetzt."
Bald nach dieser Erklärung aus Moskau versicherte Washington, dass es in diesem Fall dem Beispiel Großbritanniens nicht zu folgen beabsichtige. Laut Pentagons Pressesprecher Patrick Ryder habe das US-amerikanische Kommando keine solchen Pläne.
Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen bei Wsgljad.
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