Von Dmitri Trenin
Der Besuch des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping in Moskau war nicht nur symbolisch. Es handelte sich dabei um seine erste Auslandsreise, nachdem er für eine dritte Amtszeit als Staatspräsident wiedergewählt wurde. Xis Staatsbesuch war besonders wichtig im Lichte des größeren Kontextes, in dem er stattgefunden hat. Die globale Situation erfordert eine weitere Vertiefung der chinesisch-russischen Beziehungen, um die externen Herausforderungen anzugehen, denen beide Länder ausgesetzt sind.
Das internationale System befindet sich in einer Krise vom Ausmaß eines Weltkriegs. Diese Krise begann vor fast einem Jahrzehnt, als der vom Westen unterstützte Regierungsumsturz auf dem Maidan in Kiew losgetreten wurde und mit Russlands Reaktion darauf, die Kontrolle über die Krim zu übernehmen, was zu einer bis heute anhaltenden amerikanisch-russischen Konfrontation führte. Drei Jahre später gingen die USA von der bisherigen China-Politik des "Engagieren und Eindämmen" abrupt zu einem Handels- und Technologiekrieg über, was in eine ernsthafte Konfrontation zwischen Washington und Peking mündete.
Vergangenes Jahr startete Russland seine Militäroperation in der Ukraine, um jene Bedrohung zu beseitigen, die in Moskau als ein "landgestützter, von den USA bewaffneter und kontrollierter Flugzeugträger vor Russlands Haustür" betrachtet wurde, zu dem die Ukraine de facto geworden war. Damit degenerierte die russisch-amerikanische Konfrontation zu einem Stellvertreterkrieg zwischen den beiden größten Atommächten der Welt. Gleichzeitig verschärfte Washington zunehmend seine Haltung gegenüber Peking und versuchte zudem, seine Verbündeten und Partner in Asien und Europa gegen China zu mobilisieren.
Vor diesem Hintergrund haben auch die Spannungen um Taiwan erheblich zugenommen. Daher kann die Möglichkeit, dass Washington einen bewaffneten Konflikt um diese Insel heraufbeschwören wird, nicht ausgeschlossen werden. Hier steht nicht nur das Schicksal der Ukraine oder die Zukunft Taiwans auf dem Spiel. Das Problem ist die bestehende Weltordnung selbst und ihr gegenwärtiges Organisationsprinzip: Die globale Hegemonie der USA. Dieser von Moskau und Peking rundweg abgelehnte Status wird nun ernsthaft in Frage gestellt. Seit einigen Jahren bezeichnen die USA die gegenwärtige Situation als "Konkurrenz der Großmächte", was im 20. Jahrhundert die Essenz beider Weltkriege war. Russland und China setzen sich seit den 1990er-Jahren für einen Übergang von der US-geführten Unipolarität zu einer multipolaren Weltordnung ein. Diese Position wird von zahlreichen Ländern in Asien, dem Nahen Osten, Afrika und Lateinamerika unterstützt. Tatsächlich ist der Prozess des systemischen Wandels bereits in vollem Gange.
Als Antwort darauf verfolgen die USA eine Strategie, um ihre globale Übermacht um jeden Preis zu verteidigen, was letztlich auf eine Strategie der Prävention hinausläuft. Die USA haben den Aufstieg Chinas, die unerwartete Wiederauferstehung Russlands nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion sowie die regionalen und nuklearen Ambitionen Irans als Herausforderungen verstanden, die nicht tolerieren werden kann. Ungeachtet des starken Interesses Pekings an der Aufrechterhaltung seiner umfangreichen und profitablen Wirtschaftsbeziehungen mit dem Westen, der Bemühungen Russlands, die Krise im Donbass gemäß den Vereinbarungen von Minsk zu lösen, und des Engagements Irans für das Nuklearabkommen, ist Washington kontinuierlich in die Offensive gegangen.
Zudem haben die USA verstanden, dass die Zeit nicht auf ihrer Seite ist, und haben somit beschlossen zu handeln, solange die Kräfteverhältnisse noch zu den eigenen Gunsten stehen: Moskau so weit zu provozieren, dass militärische Maßnahmen in der Ukraine ergriffen werden mussten, was Russland schwächen und isolieren sollte; das Schüren von Spannungen rund um Taiwan mit dem Ziel, Druck auf China auszuüben und Allianzen gegen Peking im asiatisch-pazifischen Raum zu schmieden. Weiter beinhaltet die US-Strategie die Mobilisierung und Disziplinierung zahlreicher Verbündeter auf der ganzen Welt. Die Übermacht der USA innerhalb dieser verschiedenen Blöcke, mit der die neueste Version eines Weltimperiums dargestellt wird, war noch nie so absolut wie jetzt.
Tatsächlich sind ehemalige Großmächte wie Großbritannien und Frankreich sowie die führenden Industriemächte Deutschland und Japan heute viel enger an die Politik der USA gebunden als zu Zeiten des Kalten Krieges. Nachdem Washington die NATO ermutigt hat, in den Indopazifik zu expandieren und mit AUKUS einen neuen Militärblock gegründet hat, der speziell auf China abzielt, nutzt Washington die gesamte Macht seiner Allianzen gegen China und Russland. Man hofft auch, beide Rivalen einen nach dem anderen auszuschalten. Zuerst Russland als Großmacht eliminieren und dann China dazu zu bringen, Washingtons Diktat zu akzeptieren.
Was könnte dann angesichts der Lage die Strategie der chinesisch-russischen Interaktion sein? China und Russland sind Großmächte, die ihre Strategien völlig souverän auf der Weltbühne ausspielen. Die Ziele dieser Strategien orientieren sich direkt an den jeweiligen nationalen Interessen. Die Beziehungen zwischen Moskau und Peking sind weit entfernt von einer strengen Blockdisziplin, wie sie in den von den USA geführten westlichen Allianzen herrscht.
Dennoch verstehen die chinesische und die russische Führung, dass sie Washingtons Plan, zuerst Moskau zu neutralisieren, um sich dann gegen Peking zu wenden, zunichte gemacht werden muss. Infolgedessen könnten US-amerikanische Warnungen und Drohungen in Richtung China wegen der Hilfe, die Peking Russland leisten könnte, tatsächlich kontraproduktiv sein. Chinas Führung wird den Ton dieser Ermahnungen als unhöflich und respektlos empfinden, insbesondere im Zusammenhang mit bevorstehenden Waffenlieferungen aus den USA an Taiwan. Während China die US- und EU-Märkte für seine Waren und Dienstleistungen gewinnen will, fragt man sich, ob man Washington und seinen Verbündeten tatsächlich vertrauen kann, angesichts der Erfahrung Moskaus mit den Minsker Abkommen, die, wie die ehemaligen deutschen und französischen Staatsoberhäupter zugegeben haben, nichts weiter als eine Finte waren, um der Ukraine Zeit für die Aufrüstung zu verschaffen.
Daher ist mit einer wesentlich stärkeren Koordination zwischen Peking und Moskau zu rechnen. Dies deutet nicht auf die Bildung eines neuen Militärblocks in Eurasien hin, sondern auf eine größere gemeinsame Anstrengung, um der Welt zu helfen, sich schneller in Richtung Multipolarität zu bewegen, was effektiv bedeutet, dass die globale Hegemonie der USA beendet werden muss.
Eine Möglichkeit, dies zu erreichen, wäre die Reduzierung der Rolle des US-Dollars bei internationalen Transaktionen. Ein Großteil des bilateralen Handels zwischen China und Russland wird bereits in chinesischen Yuan abgewickelt, wobei der Yuan auch im Verkehr mit Drittländern verwendet werden kann. Eine weitere Möglichkeit, an der Erschaffung einer neuen Weltordnung beizutragen, besteht darin, nicht-westliche Institutionen wie BRICS und die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) aufzuwerten, damit sie die Agenda in Bereichen wie Finanzen und Technologie sowie Energie und Klima und nicht zuletzt im Bereich der internationalen Sicherheit führen.
Chinas jüngster Aufstieg als weltweiter geopolitischer und nicht nur geo-ökonomischer Akteur, der durch seine jüngste Vermittlung der iranisch-saudischen Annäherung in den Vordergrund trat, wird in Moskau als praktischer Schritt in Richtung der neuen Weltordnung begrüßt. Moskau und Peking könnten erfolgreicher sein, wenn sie gemeinsam daran arbeiten, die wirtschaftliche und politische Abhängigkeit vieler Länder im Nahen Osten, in Asien, Afrika und Lateinamerika von den USA und ihren europäischen Verbündeten zu reduzieren.
Im Bereich der militärischen Sicherheit gibt es viel, wovon Russland und China durch eine engere Zusammenarbeit profitieren könnten. Über die bestehenden Formate hinaus. Das Hauptziel bestünde darin, Washington nicht nur durch Worte, sondern auch durch Taten davon abzubringen, den Stellvertreterkrieg gegen Russland in der Ukraine zu eskalieren und Peking wegen Taiwan noch mehr zu provozieren.
Ein spezifischer Bereich ist der eingehende Dialog über Nuklearpolitik und nukleare Proliferation unter den gegenwärtigen Bedingungen der Konfrontation zwischen den Großmächten und den tatsächlich bestehenden Konflikten. Auch wenn China und Russland am Übergang zu einer multipolaren Zukunft arbeiten, tragen Putin und Xi eine enorme Verantwortung, um sicherzustellen, dass dieser Übergang ohne einen heißen Krieg zwischen den Großmächten erfolgt. Eine engere Zusammenarbeit zwischen China und Russland in Sicherheitsfragen würde diesen Übergang auf alle Fälle sicherer machen.
Aus dem Englischen
Dmitri Trenin ist Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Senior im Kollegium für Forschung am Institut für globale Ökonomie und internationale Beziehungen. Er ist zudem Mitglied des russischen Rates für internationale Beziehungen.
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