Die Pläne der EU-Länder, in großem Maße Waffen für die Ukraine herzustellen, werden Medienberichten zufolge durch einen Mangel an Schießpulver und Sprengstoff behindert. Gegenüber der Financial Times äußerten Industrie-Insider die Befürchtung, dass sich die Bemühungen zur Steigerung der Granatenproduktion um bis zu drei Jahre verzögern könnte. Knappe Lieferungen von Schießpulver, Plastiksprengstoff und TNT weisen darauf hin, dass die Industrie nicht in der Lage ist, die erwarteten EU-Aufträge für die Ukraine rasch zu erfüllen, egal, wie viel Geld auch immer in das Problem gesteckt wird, so Beamte und Hersteller.
"Das grundlegende Problem ist, dass die europäische Verteidigungsindustrie nicht in der Lage für eine groß angelegte Kriegsproduktion ist", sagte ein deutscher Beamter.
Die EU versucht, Kiews Bedarf an Kriegsgerät zu decken, indem es Geld in den Verteidigungssektor pumpt, insbesondere in die Produktion von 155-mm-Artillerie. Da man zum einen die Versorgung der ukrainischen Streitkräfte, aber auch die nationalen Waffenarsenale aufrechterhalten will, besteht ein dringender Bedarf an Granaten. Hersteller, Industrievertreter und EU-Beamte warnen jedoch, dass eine erhöhte Nachfrage die Preise, die im letzten Jahr bereits um ein Fünftel gestiegen sind, weiter in die Höhe treiben könnte.
"Es ist sehr schwierig, die Produktion von Artilleriemunition zu steigern, insbesondere der schweren, großkalibrigen Munition, in kurzer Zeit zu steigern", sagte Jiří Hynek, Vorsitzender des Verbands der Verteidigungs- und Sicherheitsindustrie der Tschechischen Republik.:
"Eine neue Artilleriefabrik ist sehr einfach, aber wie kann man mehr Artillerie Geschosse ohne Rohstoffe produzieren?"
Der Bericht der Financial Times erschien im Vorfeld eines Treffens der EU-Außen- und Verteidigungsminister am Montag in Brüssel, bei dem ein Munitionspaket beschlossen wurde. Demnach sollen in den nächsten 12 Monaten eine Million Artillerie-Geschosse an die Ukraine geliefert werden. Dafür werden den Planungen zufolge rund zwei Milliarden Euro an EU-Mitteln mobilisiert. Nach Angaben von Vertretern der Verteidigungsindustrie verfügt Europa jedoch nur über einen begrenzten Vorrat an Sprengstoffen wie Schießpulver, TNT und Nitrozellulose, die für die Herstellung von Granaten notwendig sind. Engpässe bestehen vor allem bei Sprengstoffen, die in ganz Europa knapp sind:
"Es ist nicht möglich, die Nitrozellulose-Produktion in kurzer Zeit zu erhöhen … In Europa gibt es keine wichtigen Hersteller der von uns benötigten Rohstoffe. Wenn ich die Produktion von Schießpulver erhöhen will, brauche ich wahrscheinlich drei Jahre", sagte Hynek.
Explosia, ein tschechischer staatlicher Hersteller und einer der größten europäischen Sprengstofflieferanten für Munitionsfabriken, erklärte gegenüber der Financial Times, dass die Produktion von Treibladungen für 155-mm-Artillerie "voll ausgelastet" sei und bis 2026 nicht erhöht werde.
"Es sind Investitionen im Gange, um unsere Produktionskapazität weiter zu erhöhen, aber das ist ein Drei-Jahres-Projekt, keine Aufgabe von ein paar Monaten", sagte Martin Vencl, der Sprecher des Unternehmens.
In dieser Woche erklärte die rumänische Regierung, sie führe Gespräche mit amerikanischen und südkoreanischen Unternehmen über den Bau einer Schießpulverfabrik im Lande. Die letzte derartige Fabrik wurde 2004 geschlossen. Antonio Caro, Generaldirektor der Fábrica Municiones de Granada, einer der zwei spanischen Hersteller von 155-mm-Artillerie, erklärte, dass es vier bis fünf Monate gedauert habe, die Produktion hochzufahren, weil es schwierig sei, Grundstoffe und Komponenten zu beschaffen.
"Unser Hauptproblem sind die Grundstoffe", sagte Caro. "Die Versorgung mit Munition ist weltweit sehr angespannt, weil alle Fabriken, genau wie wir, zu 100 Prozent ausgelastet sind":
"Es gibt nicht allzu viele Fabriken [zur Herstellung von Materialien wie TNT und Nitrozellulose] in Europa, und die sind auch zu 100 Prozent ausgelastet, also müssen wir uns in Indien, Korea und anderen, weiter entfernten Ländern umsehen", so Caro.
Gianclaudio Torlizzi, ein Berater des italienischen Verteidigungsministeriums, stimmte dem zu und erklärte: "Wir müssen neue Lieferquellen aus Ländern finden, die wir bisher nicht angesprochen haben." Torlizzi weiter: "Jedes europäische Land möchte seine Verfügbarkeit von Rohstoffen schützen". Laut Caro haben sich die Kosten für Grundstoffe "verdoppelt und in einigen Fällen verdreifacht". Diese Steigerungen und der Nachfrageschub haben zu höheren Preisen für Munition geführt, auch wenn der Anstieg weniger ausgeprägt war. Eine typische Granate koste heute 850 EUR, etwa 20 Prozent mehr als vor dem Ukraine-Krieg, erklärte Caro weiter.
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