Der ungarische Minister für auswärtige Angelegenheiten und Außenwirtschaftsbeziehungen, Péter Szijjártó, hat in einer Rede im Parlament die Minderheitenpolitik Kiews kritisiert. Er bezeichnete die derzeitige ukrainische Praxis, ungarischstämmige Kinder in Transkarpatien mit finanziellen Anreizen in ukrainischsprachige Schulklassen zu locken, als "nicht hinnehmbar".
Ihm zufolge böten staatliche Institutionen in Transkarpatien denjenigen Familien 850 Dollar pro Jahr, die ihre Kinder nicht in Klassen für nationale Minderheiten anmelden, sondern in regulären Klassen, in denen auf Ukrainisch unterrichtet wird. Zugleich unterstützt die Europäische Union das Land mit Milliarden Euro angesichts des Konflikts. Der Minister betonte, dass ein solches Vorgehen, das auf Assimilation (und damit auf lange Sicht auf die Auslöschung der ungarischen Minderheit in der Ukraine) abziele, für Budapest inakzeptabel sei. Szijjártó wörtlich:
"Ungarn steht auf der Seite der transkarpatischen ungarischen Minderheit, und wir nutzen in allen internationalen Foren die Gelegenheit, den transkarpatischen Ungarn zu helfen."
Szijjártó wies auch darauf hin, dass in Ungarn 1.247 Kindergärten und Schulen für ukrainische Kinder zur Verfügung stünden, während alle 99 Schulen der ungarischen Minderheit in der Ukraine ab September geschlossen werden sollten. Überdies wird die Zahl der Fächer, die nach der vierten Klasse in der Minderheitensprache unterrichtet werden, auf 20 Prozent begrenzt, und Abschluss- und Aufnahmeprüfungen können nicht wie früher auf Ungarisch abgelegt werden.
Zuvor hatte Szijjártó erklärt, dass der Europarat auf Initiative Ungarns und Rumäniens beschlossen habe, sich an die Venedig-Kommission wegen der Lage der nationalen Minderheiten in der Ukraine zu wenden. Budapest hofft, dass Kiew gezwungen sein wird, der Entscheidung der Kommission nachzukommen.
Im Januar hatte der ukrainische Beauftragte für den Schutz der Staatssprache, Taras Kremin, erklärt, dass es Probleme mit der Organisation der Unterrichtung auf Ukrainisch in den Schulen des Gebiets Sakarpatje gebe, in der eine große Zahl ethnischer Ungarn lebt. Lokalen Medienberichten zufolge wurden ungarische Flaggen aus öffentlichen Einrichtungen in der Stadt Mukatschjewo und den umliegenden Dörfern entfernt, während mehrere Leiter von Einrichtungen, die der Transkarpatischen Ungarischen Kulturgesellschaft nahestehen, entlassen wurden.
Wiederum bezeichnete der Staatssekretär für bilaterale Beziehungen im ungarischen Außenministerium, Tamás Menzer, die Drangsalierung gegen die Ungarn als inakzeptabel und forderte die lokalen Behörden auf, die "Gräueltaten" gegen sie einzustellen. Damals teilte die ungarische Staatspräsidentin Katalin Novák mit, sie habe in einem Brief an Wladimir Selenskij das Gesetz über nationale Minderheiten kritisiert, aber es habe keine Antwort gegeben.
Die Spannungen zwischen der Ukraine und Ungarn waren im Zuge der Diskussionen über das ukrainische Bildungsgesetz entstanden, das die Möglichkeiten des Unterrichts in den Sprachen nationaler Minderheiten erheblich einschränkt. Das Gesetz war am 28. September 2017 in Kraft getreten und musste bis Ende 2020 schrittweise umgesetzt werden. Szijjártó verkündete, Ungarn werde ein Ministertreffen der Ukraine-NATO-Kommission weiterhin blockieren, da es keine Fortschritte in den für Budapest wichtigen Fragen gegeben habe.
Im Vergleich zur großen russischsprachigen Mehrheit behandelt die Ukraine jedoch die ungarische Minderheit des Landes noch mild. Mit Beginn des Schuljahres 2020 wurden alle russischsprachigen Schulen in der Ukraine endgültig abgeschafft, sodass es selbst in Regionen, in denen Russen und russischsprachige Ukrainer die absolute Mehrheit der Bevölkerung bilden, keinen Unterricht auf Russisch in staatlichen Schulen mehr gibt.
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