Von Darja Wolkowa
Präsident Wladimir Putin hat jüngst erklärt, dass die Pläne des Westens, die Russische Föderation zu liquidieren, unverändert bestehen blieben – und dies die Existenz des russischen Volkes bedrohe. In demselben Interview verwendete er erneut den historisch-politischen Begriff "Noworossija": Experten zufolge wird damit eine ideologische Grundlage geschaffen, um wie zur Zeit Iwans IV. das "russische Land zu sammeln" und das russische Volk zu schützen. Es wurden Prozesse in Gang gesetzt, die das Gegenteil jenes "Zerfalls Russlands" darstellen, den die Vereinigten Staaten von Amerika anstreben.
Am Sonntag erklärte Putin in einem Interview mit dem Fernsehsender Rossija 1, die Politik des Westens in der Ukraine verfolge nur ein einziges Ziel – die Russische Föderation zu liquidieren. Dabei betonte er, dass die USA und ihre Satelliten Russland in die sogenannte "Familie der zivilisierten Völker" nur in Teilen aufnehmen wollten.
"Wozu? Um diese Teile zu unterwerfen und unter ihre Kontrolle zu bringen", erklärte das russische Staatsoberhaupt. Sollte das dem Westen gelingen, könne sich das Schicksal vieler Völker Russlands und vor allem natürlich des russischen Volkes radikal wandeln. "Ich weiß nicht einmal, ob solch eine ethnische Gruppe wie das russische Volk in der Form, in der es heute existiert, überhaupt überleben würde. Es wird wohl irgendwelche Moskowiter, Uraler und so weiter geben", fügte Putin hinzu.
Der Präsident wies außerdem bei der Beantwortung von Fragen des Korrespondenten Pawel Sarubin auf die eigennützigen Absichten in Washington hin, wo man sich nur um die eigenen Interessen kümmert und zum Nachteil sogar der eigenen Verbündeten handelt.
"Washingtons Kurs auf die Vernichtung Russlands als Weltmacht und die Einbeziehung seiner europäischen Satelliten in diesen Prozess sind auf die feste Absicht Russlands zurückzuführen, der Hegemonie der Vereinigten Staaten zu widerstehen. Egal, was und wie sehr jemand auch will – wir werden aber dem Druck Washingtons und seiner Verbündeten nie nachgeben und werden keine Vasallen werden", sagte Konstantin Dolgow, Mitglied des Föderationsrates aus der Region Murmansk, in einem Gespräch mit der Zeitung Wsgljad.
Unter diesen Bedingungen seien die Maßnahmen der Russischen Föderation zur Aussetzung der Beteiligung am New-START-Vertrag mehr als gerechtfertigt, meint er:
"Es wäre unfassbar, dass nach allem, was die USA heute in der Ukraine tun, ihre Experten in unseren Nuklearanlagen herumschnüffeln dürften, wie das unser Präsident kurz und bündig ausdrückte", sagte der Abgeordnete unter Verweis auf das Interview mit dem Präsidenten.
"Der Westen rechnet natürlich damit, uns den Rest zu geben", sagte Wadim Truchatschow, Dozent am Lehrstuhl für ausländische Regionalkunde und Außenpolitik an der Russischen Staatlichen Humanitären Universität in Moskau. "Offensichtlich ist ihr Hauptziel, Russland wirtschaftlich und politisch in den Zustand der 1990er-Jahre zurückzuversetzen, damit es nichts auf der Welt beeinflussen und schon gar nicht mit den USA konkurrieren könnte."
Allerdings sei in der aktuellen Situation ein wenig ganz vorsichtige Schwarzmalerei angebracht, kommentierte Truchatschow in einem Interview mit der Zeitung Wsgljad. Denn – wohl wahr: "Präsident Putin weiß, dass es unter westlichen Politikern keine einheitliche Meinung zu Russland gibt. Es werden verschiedene Optionen in Bezug auf unser Land diskutiert: vom vollständigen Zusammenbruch und der Aufteilung in Dutzende unabhängiger Staaten über die Beibehaltung der Grenzen von 2013 bis hin zur Festschreibung bestehender Grenzen, sogar unter Berücksichtigung der Zugehörigkeit der Krim und des Donbass zu Russland, aber nicht darüber hinaus. Doch keine dieser Optionen passt uns, rein objektiv gesehen", wertet Truchatschow.
Andere von Wsgljad befragte Experten beobachten, dass der Präsident begonnen hat, den Begriff "Noworossija" öfter zu verwenden, unter anderem in seiner jüngsten Rede vor der Föderationsversammlung oder eben im Interview mit dem Journalisten Sarubin. "Das ist sicherlich ein gutes Zeichen", meint Truchatschow:
"In seiner Ansprache stellte der Präsident fest, dass Noworossija ein Teil der historisch zu Russland gehörigen Gebiete ist. Daraus können wir schlussfolgern, dass nicht nur die vier neuen russischen Regionen gemeint sind, sondern auch eine Reihe anderer Gebiete, die historisch zu Noworossija gehörten, einschließlich Transnistrien.
Ich denke, all das stellt die Weichen dafür, was Russland im Ergebnis der speziellen Militäroperation erhalten möchte. Wir begnügen uns nicht mit dem Donbass und den Gebieten Saporoschje und Cherson – und können das auch nicht, da es unter den gegenwärtigen Bedingungen unmöglich wäre, sowohl in diesen Regionen als auch auf dem noch nicht befreiten Territorium von Noworossija die Sicherheit des russischen Volkes zu gewährleisten", stellt der Politikwissenschaftler fest.
Es sei daran erinnert, dass der Präsident in seiner Ansprache an die Föderationsversammlung erklärt hatte: Je nach der Reichweite der von Westen an Kiew gelieferten Waffen wird sich Russland gezwungen sehen, seine Grenzsicherung weiter nach Westen auszudehnen.
Am Sonntag bekräftigte auch Verteidigungsminister Sergei Schoigu diese These. Ebenso hält der Historiker Wladimir Kornilow die Verwendung des Begriffs "Noworossija" durch den Präsidenten für einen natürlichen Schritt. "Die Region Noworossija erstreckte sich einst auf das Territorium der Republiken Donezk und Lugansk sowie der Regionen Saporoschje, Cherson, Odessa und Nikolajew, und die Stadt Odessa wurde sogar als dessen Hauptstadt betrachtet", sagte er Wsgljad.
"Gleichzeitig ist Noworossija ein vergleichbarer historischer und geografischer Begriff wie etwa Bayern oder die Iberische Halbinsel. Und es ist offensichtlich, dass Putin ihn gerade in diesem Sinne verwendet. Ich sehe hier keine imperialen Ansprüche, sondern den Wunsch, zu betonen, dass Russland mit seinen Handlungen alle Russen schützt, egal wo sie wegen der abenteuerlichen Politik der jüngsten Vergangenheit heute leben müssen. Darin besteht ja die Pflicht des russischen Staates", betonte Kornilow.
Die Träume westlicher Politiker von der Vernichtung Russlands als einheitlicher Staat gebe es schon lange, "keine einzige Generation von ihnen hat das je verheimlicht", weiß der Historiker.
"Gleichzeitig beweist die Geschichte, dass alle Versuche, einen Feldzug gegen Russland zu führen und die Russen zu vernichten, für ihre Verursacher zum Scheitern verurteilt waren. Unser Volk hat sich dagegen nur noch fester gesammelt und den Feinden eine gewaltige Abfuhr erteilt. Ich bin überzeugt, dass es auch diesmal so sein wird", fasste Kornilow zusammen.
Der Politologe Truchatschow ist gar der Ansicht, dass "das, was Russland jetzt tut, schon vor langer Zeit hätte beginnen können":
"Wir hatten große Probleme mit einer Politik für den Schutz von Russen im Ausland, aber wie wir sehen, werden nun Schlussfolgerungen gezogen, und die Ansätze ändern sich. Zugleich gibt es immer noch Fragen zum russischen Bewusstsein und Selbstbewusstsein in den Regionen von Noworossija. Obwohl sich selbst im Jahr 2021 die überwältigende Mehrheit der Einwohner der Regionen Charkow, Dnjepropetrowsk und Odessa als Russen betrachtete, gibt es jetzt nur im Donbass ein fertig ausgebildetes russisches Bewusstsein. In den anderen Territorien muss daran natürlich noch gearbeitet werden."
Senator Dolgow erinnert auch daran, dass "die USA seit den 1990er-Jahren alles getan haben, um Russland zu zerstören, zu unterjochen und die Kontrolle über dessen natürliche Ressourcen zu erlangen".
"Und wenn ihnen das damals nicht gelungen ist, als unser Land sehr schwach war, dann wird das heute erst recht nicht funktionieren. Heute schützt Russland nicht nur sein Territorium und seine Souveränität, sondern auch alle Russen, unabhängig davon, wo sie leben. Das ist die wichtigste Aufgabe unseres Staates", schloss der Abgeordnete.
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei Wsgljad.
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