Das russische Außenministerium hat die Initiative Pekings zur Beendigung des Kriegs in der Ukraine begrüßt und gleichzeitig die eigenen Positionen für eine Beendigung der Kampfhandlungen bekräftigt. "Wir begrüßen den aufrichtigen Wunsch unserer chinesischen Freunde, einen Beitrag zur Lösung des Konflikts in der Ukraine mit friedlichen Mitteln beizutragen", kommentierte Außenamtssprecherin Maria Sacharowa am Freitag. "Wir teilen die Überlegungen Pekings."
Wie der Leiter des Büros der Kommission für Auswärtige Angelegenheiten des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh), Wang Yi, bereits auf der Münchner Sicherheitskonferenz am 18. Februar angekündigt hatte, veröffentlichten chinesische Behörden zum heutigen Jahrestag ein Positionspapier zur Lösung der Ukraine-Krise, das auf Vorschlägen des chinesischen Präsidenten Xi Jinping basiert. Die auf der Webseite des chinesischen Außenministeriums veröffentlichte Erklärung enthält zwölf Punkte als Fahrplan zum Frieden.
Wang Wenbin, Sprecher des chinesischen Außenministeriums, erklärte am Freitag auf einer Pressekonferenz:
"Da sich die Eskalation der Ukraine-Krise nun zum ersten Mal jährt, haben wir Chinas Position zur politischen Beilegung der Ukraine-Krise formuliert und veröffentlicht ... Das Dokument umfasst 12 Aspekte, nämlich die Achtung der Souveränität aller Länder, die Abkehr von der Mentalität des Kalten Krieges, die Einstellung der Feindseligkeiten, die Wiederaufnahme der Friedensgespräche, die Lösung der humanitären Krise, den Schutz der Zivilbevölkerung und der Kriegsgefangenen, die Sicherheit der Kernkraftwerke, die Verringerung der strategischen Risiken, die Erleichterung der Getreideexporte, die Beendigung der einseitigen Sanktionen, die Stabilisierung der Industrie- und Lieferketten und die Förderung des Wiederaufbaus nach dem Konflikt."
Es gebe "keine einfache Lösung für ein komplexes Problem", hieß es im dem Vorschlag, und die Länder sollten "eine Blockkonfrontation verhindern" und auf den Aufbau einer "ausgewogenen, effektiven und nachhaltigen europäischen Sicherheitsarchitektur" hinarbeiten. Es wird auch betont, dass die Sicherheit eines Landes nicht auf Kosten der Sicherheit anderer Länder erreicht werden kann. China sprach sich auch gegen einseitige Sanktionen aus, die nicht vom UN-Sicherheitsrat gebilligt werden. Anders als viele westliche Länder hat sich Peking geweigert, Russlands Militäroperation in der Ukraine zu verurteilen und hat Moskau keine wirtschaftlichen Beschränkungen auferlegt. Chinesische Beamte haben betont, dass Peking eine friedliche Lösung anstrebt, anstatt den Konflikt durch Waffenlieferungen an Kiew anzuheizen.
Der russische Außenpolitiker Leonid Sluzki nannte den Plan "ausgewogen" – jedenfalls ausgewogener als die UN-Resolution, die faktisch eine Kapitulation Russlands fordere, schrieb der Vorsitzende des Außenausschusses im Parlament. Außenamtssprecherin Sacharowa führte aus, dass Moskau ebenso wie Peking die Unteilbarkeit der Sicherheit unterstütze, wonach die Sicherheit eines Landes nicht auf Kosten der Sicherheit eines anderen Landes – oder einer Gruppe von Ländern – gestärkt werden darf.
"Wie unsere chinesischen Kollegen halten auch wir alle restriktiven Maßnahmen, die nicht vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen genehmigt wurden, für illegitim. Sie sind ein unverhohlenes Instrument des unlauteren Wettbewerbs und der wirtschaftlichen Kriegsführung," so Sacharowa.
Diese Überlegungen waren für Moskau demnach der Anlass, Ende des Jahres 2021 einen Vertrag zwischen der Russischen Föderation und den Vereinigten Staaten von Amerika über Sicherheitsgarantien sowie ein Abkommen über Sicherheitsmaßnahmen zwischen der Russischen Föderation und den NATO-Mitgliedsstaaten voranzubringen, den westliche Länder jedoch ablehnten.
Laut der Mitteilung des Außenministeriums fordert Russland zugunsten einer diplomatischen Lösung die "Einstellung der westlichen Waffen- und Söldnerlieferungen an die Ukraine, die Beendigung der Feindseligkeiten, die Rückkehr der Ukraine zu einem neutralen, blockfreien Status, die Anerkennung der neuen territorialen Gegebenheiten, die durch das Selbstbestimmungsrecht der Völker geschaffen wurden, die Entmilitarisierung und Denazifizierung der Ukraine und die Beseitigung aller von ihrem Territorium ausgehenden Bedrohungen".
Das Haupthindernis für eine friedliche Lösung sei jedoch die "Unmöglichkeit, mit dem russischen Präsidenten zu verhandeln", die im Selenskij-Dekret vom 30. September 2022 verankert wurde.
Auf der Pressekonferenz erklärte der Sprecher des chinesischen Außenamts Wang Wenbin Freitag: "Die Ukraine-Krise hat in Europa stattgefunden, aber ihre Auswirkungen haben sich auf die ganze Welt ausgebreitet," und fügte hinzu dass es laut Präsident Xi Jinping bei Konflikten und Kriegen keine Gewinner gibt, dass es keine einfache Lösung für ein komplexes Problem gibt und dass eine Konfrontation zwischen großen Ländern vermieden werden muss.
"Diese größte Krise in Eurasien seit dem Zweiten Weltkrieg hat uns viele Lehren erteilt: Das Festhalten an der Mentalität des Kalten Krieges führe zu Antagonismus und Konfrontation. Das Ende des Kalten Krieges vor mehr als drei Jahrzehnten bedeutet nicht das Ende des Nullsummen-Denkens und der Mentalität des Kalten Krieges."
Zwar sei die Berliner Mauer niedergerissen worden, doch der "Zaun der Ideologie und der auf Werten basierenden Vorurteile" stehe noch immer. "Wenn diese Mentalität des Kalten Krieges fortbesteht und ungebremst weitergeht, werden Konfrontation und Krise das sein, was die Zukunft für uns alle bereithält," warnte der Sprecher.
"Das Schüren von Blockkonfrontationen führt zu Konflikten und Krieg", so Wang Wenbin.
"Als Produkt des Kalten Krieges besteht die NATO trotz des Endes des Kalten Krieges weiter und ist sogar ständig bestrebt, über ihren traditionellen Verteidigungsbereich und -umfang hinauszugehen und im asiatisch-pazifischen Raum Spannungen zu schüren und Unruhe zu stiften. Die NATO muss sich auf sich selbst besinnen und darf nicht versuchen, hier im asiatisch-pazifischen Raum oder anderswo in der Welt Chaos zu stiften," machte der Sprecher deutlich.
Chinas UN-Vertreter Dai Bing erklärte am Freitag bei einem Treffen des UN-Sicherheitsrats in New York anlässlich des ersten Jahrestags der russischen Militäroperation in der Ukraine:
"Wir rufen Russland und die Ukraine dazu auf, Verhandlungen ohne Vorbedingungen wieder aufzunehmen."
Die Ukraine sei keine Arena für Kämpfe zwischen bedeutenden Ländern. "Niemand sollte von dem Konflikt auf Kosten der Menschen in der Ukraine profitieren", so der chinesische Diplomat.
Einige westliche Politiker haben den Plan Pekings nicht begrüßt. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hingegen wies die Vorschläge aus China zurück und erklärte, dass es Peking an "Glaubwürdigkeit" fehle, um einen solchen Einigungsplan zu unterbreiten. "China hat nicht viel Glaubwürdigkeit, weil es nicht in der Lage war, die illegale Invasion in der Ukraine zu verurteilen", sagte Stoltenberg vor Reportern und erwähnte dabei die engen Beziehungen zwischen China und Russland.
Ursula von der Leyen, die Präsidentin der Europäischen Kommission, äußerte sich in ähnlicher Weise und erklärte, der Fahrplan lediglich eine vage Reihe von Grundsätzen und kein konkreter Aktionsplan. Sie beschuldigte China, sich bereits auf die Seite Russlands geschlagen zu haben, obwohl Peking eine neutrale Position in den Feindseligkeiten einnehme.
"Man muss sie vor einem bestimmten Hintergrund sehen, und das ist der Hintergrund, dass China bereits Partei ergriffen hat, indem es zum Beispiel unmittelbar vor der Invasion eine unbegrenzte Freundschaft unterzeichnete. Wir werden uns also mit den Grundsätzen befassen, aber wir werden sie vor dem Hintergrund betrachten, dass China Partei ergriffen hat", erklärte sie.
Der stellvertretende Sprecher der Bundesregierung, Wolfgang Büchner, kommentierte das Positionspapier zwar etwas gemäßigter und erwähnte, der der Text enthalte einige "wichtige Elemente". Allerdings lasse er andere Positionen vermissen, insbesondere die Forderung nach einem Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine. Polen, einer der größten Unterstützer Kiews, reagierte positiver. Präsident Andrzej Duda erklärte, das Abkommen könne helfen, den "Weg zum Frieden" zu ebnen. "Wir können einen so großen Partner und eine so große Macht wie China nicht ignorieren", sagte er.
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