US-Universität: Nur 18 Schweizer Unternehmen haben Russland vollständig verlassen

Schweizer Firmen wie der Industriekonzern ABB, der Zementhersteller Holcim und der Ölhändler Vitol gehören zu den wenigen Unternehmen, die seit der militärischen Eskalation in der Ukraine Russland verlassen haben, so ein Professor von der Yale University.

Laut dem Professor Jeffrey Sonnenfeld von der US-amerikanischen Universität Yale haben nur wenige Schweizer Unternehmen ihre Beziehungen mit Russland komplett abgebrochen. Sonnenfeld soll bereits wenige Tage nach der militärischen Eskalation in der Ukraine mit der Zusammenstellung der Liste begonnen haben, wie die Schweizer SonntagsZeitung berichtete.

Die Liste umfasst demnach heute mehr als 1.300 Unternehmen und Organisationen aus der ganzen Welt, darunter 53 Schweizer Unternehmen, die in fünf Kategorien unterteilt sind. Neben den Schweizer Unternehmen ABB, Holcim und Vitol gehören auch der Schokoladenhersteller Lindt & Sprüngli und der Hersteller von Sanitärprodukten Geberit zu den Schweizer Firmen, die ihre Geschäfte mit Russland vollständig einstellen oder das Land verlassen wollen.

Ein vollständiger Rückzug aus einem Land braucht jedoch Zeit. ABB erklärte gegenüber swissinfo.ch im vergangenen Monat, dass das Unternehmen immer noch "an der Vollendung des Ausstiegs [...] in Übereinstimmung mit allen geltenden Gesetzen und Sanktionen" arbeite.

Am anderen Ende des Spektrums stehen vier Schweizer Unternehmen, die ihre Strategie nicht geändert haben und ihre Geschäfte in Russland wie gewohnt weiterführen: der Chemiekonzern Ems-Chemie, der Maschinenhersteller Liebherr, der Holzverarbeiter Swiss Krono und der Konsumgüterhändler Zepter.

Firmen lassen sich Optionen offen

"Ich will die Werke nicht dem russischen Staat überlassen", wird EMS-Chemie-Chefin Magdalena Martullo-Blocher zitiert. Das Unternehmen hat seine beiden Fabriken in Russland trotz anhaltender Kritik offen gehalten und musste Personal abbauen, weil "das Geschäft eingebrochen ist".

Eine Schwierigkeit, mit der die Unternehmen konfrontiert sind, ist laut der SonntagsZeitung ein Gesetz, das besagt, dass Unternehmen ihre russischen Tochtergesellschaften nur zu einem Preis verkaufen dürfen, der mindestens 50 Prozent unter dem Marktwert liegt. Einigen ausländischen Firmen wurde der Verkauf ihrer Tochtergesellschaften gänzlich untersagt.

Viele Schweizer Unternehmen haben einen differenzierten Ansatz für den russischen Markt gewählt. Vierzehn haben ihre Aktivitäten in Russland eingestellt, halten sich aber Optionen für eine eventuelle Rückkehr offen. Dazu gehören die Uhrenhersteller Swatch Group, Richemont und Rolex, der Rohstoffhändler Glencore und der Weltfußballverband FIFA mit Sitz in Zürich.

Neun weitere Unternehmen sind in Russland weiterhin tätig, allerdings mit deutlich reduzierten Aktivitäten. Dazu gehören die Banken UBS, Credit Suisse und Julius Bär, der Logistikriese Kühne + Nagel und der Baustoffhersteller Sika.

Für die Banken ist die Situation schwierig, schreibt die SonntagsZeitung, auch weil der russische Staat eingegriffen habe. So hat ein Gericht der Credit Suisse untersagt, ihre beiden russischen Tochtergesellschaften zu verkaufen.

Zu einer fünften Kategorie von Unternehmen, die entweder neue Investitionen gestoppt oder ihre Verkäufe eingeschränkt haben, aber ansonsten weiterhin in Russland tätig sind, gehören acht aus der Schweiz. Darunter die Pharmariesen Roche und Novartis (der Verkauf von Medikamenten ist aus humanitären Gründen von den Wirtschaftssanktionen ausgenommen), der Lebensmittelhersteller Nestlé und der Schokoladenhersteller Barry Callebaut. Nestlé, so die Zeitung, verkaufe weiterhin einen großen Teil seiner umfangreichen Produktpalette im Land.

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