Nach Massenaussterben vor 252 Millionen Jahren: Meere erholten sich schneller als bislang angenommen

Eine außergewöhnliche Ansammlung von Meeresfossilien aus China scheint zu belegen, dass sich das Leben in den irdischen Ozeanen nach dem größten Massenaussterben der Erdgeschichte – entgegen bisherigen Vorstellungen – überraschend schnell erholte.

Eine außergewöhnlich gut erhaltene Fossiliensammlung aus China zeigt, dass die Entstehung eines modernen marinen Ökosystems nach dem Massenaussterben an der Grenze vom Perm zur Trias – auch als das "große Sterben" benannt – schneller erfolgte, als Wissenschaftler bisher meinten. Das sogenannte "große Sterben" am Ende des Perms, in der letzten Epoche des Paläozoikums vor etwa 252 Millionen Jahren, wurde vermutlich durch eine ungewöhnlich hohe Vulkanaktivität ausgelöst, die sowohl zur Versauerung der Ozeane als auch zur globalen Erwärmung führte. Diese Klimakatastrophe mit etwa 10 Grad Temperaturerhöhung traf die Meereslebewesen besonders hart, denn es löschte mehr als 95 Prozent des Lebens in den Ozeanen aus, an Land "nur" 75 Prozent.

Bislang gingen Wissenschaftler davon aus, dass die zu heißen Bedingungen im Meerwasser infolge dieses katastrophalen Klimawandels die Entwicklung von komplexem Leben nach dem Massenaussterben verzögert hätten. Diese Vorstellung stützte sich auf geochemische Beweise für die damaligen Meeresbedingungen. Rund acht Millionen Jahre soll es demnach gedauert haben, bis sich die Ökosysteme der Ozeane von diesem Rückschlag erholten und sich zu der modernen Form entwickelten, die wir heute kennen.

Diese langjährige Hypothese wird nun von einem internationalen Forscherteam infrage gestellt, zu dem unter anderem Wissenschaftler der McGill University in Kanada und der Chinesischen Universität für Geowissenschaften in Wuhan gehören. Denn erst kürzlich in der Nähe der chinesischen Region Guizhou entdeckte Fossilien, die etwa 250,8 Millionen Jahre alt sind, deuteten nun darauf hin, dass sehr komplexe Ökosysteme bereits nur eine Million Jahre nach dem Massenaussterben an der Perm-Trias-Grenze auf der Erde wieder vorhanden waren, also viel früher als bisher angenommen.

Hǎijūn Song von der Chinesischen Universität für Geowissenschaften und seine Kollegen untersuchten die sogenannten "Guiyang-Biota", eine erfolgreich gelungene Sammlung außergewöhnlich gut erhaltener Meeresfossilien in Südchina, die aus der Zeit vor 251 Millionen Jahren stammt, also vom Beginn der Trias. Sie umfasst mindestens 40 verschiedene Arten von Fischen, Muscheln, Ammoniten und Krustentieren wie Garnelen und Hummer. Unter den Fossilien fanden sich demnach Vertreter aller Stufen der Nahrungskette, vom etwa meterlangen räuberischen Quastenflosser bis zu winzigen Einzellern wie den Amöben. Während einige große Organismengruppen das Massenaussterben überlebten, gingen viele andere verloren, die zuvor zahlreich vorhanden waren, wie etwa die Trilobiten. Die Forschungsergebnisse wurden nun in der Fachpublikation Science veröffentlicht.

Die Ansammlung von Arten ähnele dem, was wir in heutigen Ozeanen sehen, "abgesehen von den Ammoniten, die das Pech hatten, zusammen mit den Dinosauriern am Ende der Kreidezeit auszusterben", erklärte Song gegenüber Medienvertretern. Dies deute darauf hin, dass nur eine Million Jahre nach dem großen Sterben bereits wieder ein unerwartet vielfältiges und komplexes marines Ökosystem existierte. "In der geologischen Geschichte ist das sehr rasch."

Bisher ging man davon aus, dass komplexe Ökosysteme fünf bis zehn Millionen Jahre brauchen, um sich nach einem umfangreichen Artensterben neu zu entwickeln. Die Forscher fanden jedoch heraus, dass sich die Exemplare in der Region Guizhou viel schneller entwickelt haben müssen, indem sie die Versteinerungen, in denen die Fossilien entdeckt wurden, radiometrisch datierten. "Die Fossilien aus der Guizhou-Region zeigen ein Meeresökosystem mit verschiedenen Arten, die eine komplexe Nahrungskette bilden, zu der Pflanzen, Knochenfische, Rochen, Krebse, Hummer, Garnelen und Weichtiere gehören. Insgesamt entdeckte unser Team zwölf Organismenklassen und fand sogar versteinerte Fäkalien, die Aufschluss über die Ernährung dieser alten Tiere geben", erläuterte Morgann G. Perrot von der der Université du Québec à Montréal die Funde.

"All dies hat Auswirkungen auf unser Verständnis davon, wie schnell das Leben auf extreme Krisen reagieren kann. Außerdem müssen wir die Bedingungen in den Ozeanen der frühen Trias neu bewerten."

Paul Wignall von der Universität Leeds in Großbritannien erklärte, dass diese Fossiliensammlung voller aufregender neuer Entdeckungen sei, vor allem Garnelen und Hummer, die in der frühen Trias noch nie gesehen worden waren, befänden sich bereits darunter. Dem Enthusiasmus seiner Forschungskollegen möchte sich dieser Wissenschaftler dennoch nicht vollends anschließen. Wignall glaubt vielmehr, dass die Autoren der Studie die Geschwindigkeit der Erholung vermutlich überbewerten. "Es gibt zwar viele verschiedene Fische, aber die Artenvielfalt auf dem Meeresboden ist immer noch recht bescheiden, und es ist noch ein weiter Weg, bis sie das heutige Niveau der Vielfalt erreicht."

David Bottjer von der University of Southern California in Los Angeles ist ebenfalls der Meinung, dass die Fossilien ein Ökosystem zeigen, das sich noch in einer frühen Phase seiner Erholung befindet: "Es gibt eine Vielzahl von Aktivitäten in diesem Ökosystem, aber sie werden von einer Skelettmannschaft ausgeführt". Dies deute darauf hin, meint Bottjer, dass die Erholung wahrscheinlich ungleichmäßig verlief, wobei sich die Meeresgemeinschaften in einigen Teilen der Welt schneller erholten als in anderen Regionen. "Das ist dasselbe, was wir bei den heutigen Umweltkrisen beobachten. Einige Orte sind stärker betroffen als andere."

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