Eine Analyse von Felix Livschitz
Am 30. November 2022 veröffentlichte das Royal United Services Institute (RUSI), eine militärische Elite-Denkfabrik und Lobbygruppe mit engen Verbindungen zur britischen Regierung, einen erhellenden Bericht mit dem Titel "Preliminary Lessons in Conventional Warfighting from Russia's Invasion of Ukraine: February – Juli 2022" (Vorläufige Lektionen aus der konventionellen Kriegsführung bei Russlands Invasion in die Ukraine: Februar bis Juli 2022). Während im Bericht verzweifelt versucht wird, die russische Militäroperation als Fehlschlag darzustellen, kann selbst die üblicherweise stark russophobe RUSI die totale Dominanz Russlands über der Ukraine im Cyberkrieg nicht ignorieren.
Vollkommene Überlegenheit
Im Bericht ist ein langer Abschnitt dem Aspekt der elektronischen Kriegsführung im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine gewidmet. So stellte sich heraus, dass die russischen Streitkräfte innerhalb weniger Wochen nach Beginn der Invasion am 24. Februar durch den Einsatz einer umfangreichen Infrastruktur zur Funk- und Datenstörung rasch die totale Dominanz in diesem Bereich erlangen konnten. Nachdem dieser Zustand erreicht worden war, wurden die ausgeklügelten ukrainischen Cyber-Systeme nicht nur stark gestört, sondern weitgehend lahmgelegt.
Lange vor dem Einmarsch der Russen hatte die Ukraine die besten und modernsten westlichen Aufklärungs- und Angriffsdrohnen erworben, die man sich mit der Anhäufung von Schulden beim IWF kaufen kann. Diese Systeme, so RUSI, sollten auf einem hypothetischen zukünftigen Schlachtfeld "entscheidend für die Kampfkraft" sein, indem sie ein unübertroffenes "Bewusstsein für die Situation auf dem Schlachtfeld und für die Zielerfassung" böten. Wie sich jedoch herausstellte, waren von Februar bis Juli, die "Verschleissraten" dieser Hightech-Drohnen aufgrund der Fähigkeiten der russischen elektronischen Kriegsführung "extrem hoch" und wurden zu etwa 90 Prozent vollständig zerstört.
"Die durchschnittliche Lebenserwartung eines Quadcopters lag bei etwa drei Einsätzen. Die durchschnittliche Lebenserwartung einer Aufklärungsdrohne mit starren Flügeln lag bei etwa sechs Einsätzen. Selbst wenn eine Drohne ihren Einsatz überlebte, bedeutete dies nicht, dass sie ihre Mission erfolgreich erfüllen konnte", heißt es im Bericht weiter. "Die Drohnen konnten ihre Missionen möglicherweise deshalb nicht erfüllen, weil die Anforderungen, sie an den Einsatzort zu bringen noch bevor der Feind sich zu verschieben begann, eine rechtzeitige Zielerfassung verhinderten. Viele Missionen konnten keine Ziele finden, weil sich an den vorgesehenen Einsatzorten keine Ziele befanden."
Ein häufigerer Grund für Misserfolge war "die Störung der Kontrolle einer Drohne durch elektronische Kriegsführung, das Blenden seiner Sensoren oder das unterdrücken seiner Navigationssysteme, um den genauen Standort eines Ziels zu ermitteln. In anderen Fällen haben die Russen erfolgreich die Kontrollstationen der Drohnen am Boden angegriffen. Insgesamt kann nur rund ein Drittel der Drohnen-Missionen als erfolgreich bezeichnet werden."
Russlands Dominanz in der elektronischen Kriegsführung hatte zudem verheerende Auswirkungen auf die Präzisionswaffen, die aus London, Washington und anderen westlichen Staaten in die Ukraine geschickt wurden. Moskaus Cyber-Divisionen "besiegten effektiv die meisten der von Kiew eingesetzten Präzisionswaffen".
Unbeachtete Prophezeiungen
RUSI ist eine prominente und sehr einflussreiche Denkfabrik. Ihre Publikationen erzeugen in der Regel ein enormes Medienecho – sofern diese Berichte Russland in einem überwältigend negativen Licht darstellen und die Notwendigkeit hervorheben, dass man Moskau durch eine äußerst aggressive politische, diplomatische, geheimdienstliche und militärische Haltung entgegentreten muss.
Aber abgesehen von einem einzigen Bericht im amerikanischen Magazin Forbes wurde die Einschätzung von RUSI weit über einen Monat lang von keinem Journalisten oder Experten des Mainstreams aufgenommen. Es ist nicht das erste Mal, dass ein RUSI-Bericht auf mysteriöse Weise keine Anerkennung findet.
Ende Januar vergangenen Jahres veröffentlichte die Denkfabrik eine Einschätzung zum Wert westlicher Waffenlieferungen für Kiew. Man kam zu dem Schluss, dass es aufgrund von Moskaus operativer Fähigkeit, seiner Militärdoktrin und seinem strategischem Denken "wenig Sinn macht, Fahrzeuge oder Waffen jeglicher Art in die Ukraine zu schicken, falls es zu bewaffneten Feindseligkeiten mit Russland kommt. Die seit langem von Moskau verfolgten Doktrinen bedeuten, dass der Kreml und seine Armeechefs, eine militärische Auseinandersetzung als Erweiterung der Diplomatie betrachten und daher die Überlegenheit beim Fernbeschuss nutzen werden, um entscheidende Effekte gegen einen Gegner zu erzielen, was wiederum zu strategischen Ergebnissen führen könnte".
Zu den angestrebten "strategischen Ergebnissen" gehöre ein Schlachtfeld, auf dem keine "massiven Bodenformationen in direkter Konfrontation eingesetzt werden". Stattdessen können russische strategische Ziele ohne eine solche Konfrontation erreicht werden, indem "genügend Schaden zugefügt wird, um die Vorgehensweise eines Gegners zu beeinflussen oder zu signalisieren, dass Russlands Absichten ernst gemeint sind". Dies würde durch den Einsatz von Langstreckenraketen in einem "berührungslosen militärischen Engagement" erfolgen – "als das Mindestmaß an Gewalt, das erforderlich ist, um die regionalen Ziele Russlands voranzutreiben und die Notwendigkeit des Einsatzes von Bodentruppen zu begrenzen". Mit anderen Worten: Genau das, was sich im vergangenen Jahr abgespielt hat.
"Gepanzerte Fahrzeuge, Kurzstrecken-Panzerabwehrwaffen und Luftverteidigungssysteme können nur in einem Szenario nützlich sein. Einem Szenario, dem wahrscheinlich eine verheerende und ausgedehnte Periode berührungsloser Kriegsführung vorausgeht, die darauf abzielt, die ukrainischen Streitkräfte daran zu hindern, überhaupt effektiv zu operieren", prognostizierte RUSI. "Ihre Verwendung wird erst möglich sein, wenn alle Initiative verloren ist und sich die Situation wahrscheinlich nicht zu Gunsten der Ukraine entwickeln wird."
Die Schlussfolgerung des Berichts war, dass die Waffen, die der Westen in die Ukraine geschickt hatte oder zu schicken plante, "nichts dazu beitragen werden, die Chancen der Ukraine zu verbessern, Russland abzuschrecken oder sich sogar gegen eine russische Invasion zu verteidigen, sobald sie begonnen hat". Jeder Versuch, Kiew zu bewaffnen, würde "wahrscheinlich nicht helfen die Souveränität der Ukraine verteidigen".
Diejenigen, die den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine nicht durch die Linse der Berichterstattung der Mainstream-Medien, sondern durch ausgewogenere Informationsquellen verfolgen, werden seit dem 24. Februar 2022 in Echtzeit gesehen haben, wie sich die Prophezeiung von RUSI bewahrheitet hat.
Übersetzt aus dem Englischen.
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