Von Andrej Restschikow
Die Außenministerin der Bundesrepublik Deutschland, Annalena Baerbock, hat laut ausgesprochen, was kein Politiker der NATO-Länder zuvor gesagt hat: Europa führt Krieg gegen Russland. Die Erklärung der Ministerin erfolgte während der parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) am Dienstag, auf der sich Baerbock gegen Vorwürfe wehren musste, es gebe Verzögerungen bei der Lieferung von Panzern an die Ukraine. Das Außenministerium Russlands hat bereits auf diese Erklärung reagiert. Mit welchen Konsequenzen ist Baerbocks Eingeständnis eines nicht erklärten Krieges verbunden?
Die Aussagen von Annalena Baerbock und der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel sprechen dafür, dass der Westen von vornherein einen Krieg gegen Russland geplant hat, so die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa. Am Mittwoch zitierte sie auf ihrem Telegram-Kanal die Worte Baerbocks, die ebenfalls auf der Sitzung der PACE gesagt wurden, es müsse mehr "zum Schutz der Ukraine" getan werden.
Es war eine Antwort der Ministerin auf die Frage der norwegischen Abgeordneten Ingrid Schulerud, die wissen wollte, wann Deutschland die Lieferung von Leopard-2-Panzern an die Ukraine beschließen werde. Daraufhin erwiderte Baerbock, dass gegenseitige Anschuldigungen und Vergleiche der Liefermengen für die Ukraine nicht hilfreich seien:
"Der wichtigste und entscheidende Teil ist, dass wir es gemeinsam tun und dass wir uns in Europa nicht gegenseitig die Schuld zuschieben, weil wir einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander führen."
Ihrer Meinung nach führe der Streit über die Benennung von Liefermengen konkreter Länder zur Spaltung des geeinten Europas und zu seiner Schwächung angesichts eines "gemeinsamen Feindes".
"Nimmt man dazu noch die Offenbarungen [der ehemaligen deutschen Bundeskanzlerin Angela] Merkel, darüber, dass sie die Ukraine [für die Kampfhandlungen] stärkten und nicht auf die Minsker Vereinbarungen setzten, dann sprechen wir von einem geplanten Krieg gegen Russland. Und behaupten Sie im Nachhinein nicht, Sie hätten es nicht gehört",
bemerkte Sacharowa.
Bekanntlich hatte Merkel im Dezember vergangenen Jahres in einem Interview für die Wochenzeitung Die Zeit (wie später auch im Spiegel ‒ d.Red.) gesagt, dass die deutschen und französischen Vermittlungsbemühungen im Minsker Format darauf abzielten, der Ukraine Zeit zu geben, um "stärker zu werden":
"Das Minsker Abkommen von 2014 war ein Versuch, der Ukraine Zeit zu geben. Sie hat diese Zeit auch genutzt, um stärker zu werden, wie man heute sehen kann."
Diesen Worten stimmte der ehemalige französische Präsident François Hollande zu, der überzeugt ist, dass die Ukraine ihr militärisches Potenzial seit 2014 ausgebaut hat:
"In der Tat war die ukrainische Armee ganz anders als im Jahr 2014. [Heute] ist sie besser ausgebildet und besser ausgerüstet. Es ist ein Verdienst der Minsker Vereinbarungen, dass Kiew diese Chance bekommen hat",
sagte Hollande.
Russlands Präsident Wladimir Putin hatte daraufhin sein Bedauern zum Ausdruck gebracht, die Worte von Frau Merkel seien unerwartet und enttäuschend.
Seit Jahresbeginn haben die westlichen Länder intensiv über die Lieferung schwerer deutscher Leopard-2-Panzer an die Ukraine verhandelt. Zunächst verschob Deutschland seine Entscheidung über Lieferungen und begründete seine Haltung unter anderem mit der historischen Vergangenheit des Landes. Am Mittwoch kündigte die deutsche Regierung jedoch die Versorgung der Ukraine mit 14 Leoparden an. Die Bereitschaft zu diesen Lieferungen haben daneben Polen, Finnland, die Niederlande und Dänemark signalisiert.
Der Vorsitzende des Rates für Außen- und Verteidigungspolitik, Fjodor Lukjanow, ist der Meinung, dass "die Erklärungen deutscher offizieller Vertreter überzeugend demonstrieren, dass die Teilnahme am Krieg, wie auch immer diese verschleiert und gerechtfertigt wird, eine Teilnahme am Krieg ist".
"Selbst auf der Ebene der Kommunikation bricht es ständig hervor. Man kann es nicht kaschieren. Da kann Scholz erzählen, was er will, ob niemals oder auf keinen Fall. Das Leben nimmt seinen Lauf. Eine andere Sache ist, dass diese Beteiligung natürlich weitaus intensiver sein kann, aus diesem Grund ist es für Russland noch zu früh, sich in die Brust zu schlagen, wir sind "im Krieg mit der NATO". Bisher ist es nur etwas Oberflächliches. Jedes Unglück hat jedoch seinen Anfang",
schrieb Lukjanow auf seinem Telegram-Kanal.
Der Generaldirektor des russischen Rates für Auswärtige Angelegenheiten, Andrej Kortunow, erinnerte daran, dass Baerbock schon immer "radikale Positionen" vertreten habe:
"Der Konflikt zwischen den Grünen und den Sozialdemokraten war von Anfang an sehr ernst. Bundeskanzler Olaf Scholz rief zur Mäßigung und Zurückhaltung auf, während Baerbock zur Entschlossenheit und Kompromisslosigkeit neigte. Weitaus stärker als Scholz ist sie solidarisch mit der radikalen Haltung der baltischen Staaten, Polens und neuerdings auch Finnlands."
Der Experte weist darauf hin, dass während Baerbock das eine sagt, man vom NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am gleichen Tag höre, dass das Bündnis nicht am Ukraine-Konflikt direkt beteiligt sei. Die NATO und ihre Mitgliedsstaaten möchten eine möglichst bequeme Position für sich einnehmen: einerseits der Ukraine eine zunehmend intensivere Versorgung bieten, andererseits so tun, als würden sie sich aus dem Konflikt heraushalten. Die NATO verfolge diese Taktik seit Beginn der Konfrontation, gleich der Salamitaktik erfolge eine "allmähliche Eskalation des Engagements, wobei gleichzeitig ständig betont wird, dass weder die NATO noch ihre einzelnen Länder direkt in diesen Konflikt verwickelt sind", unterstrich der Politologe.
"Baerbock ist keine professionelle Diplomatin, im Gegensatz zu Stoltenberg hat sie noch nicht gelernt, das eine zu sagen und das andere zu denken. Deswegen gab sie preis, was jeder in der NATO versteht, es aber nicht ausspricht ‒ dass das Bündnis ein direkter Teilnehmer an der bewaffneten Konfrontation mit Russland ist",
sagt Wladimir Dschabarow, Mitglied des Föderationsrates und erster stellvertretender Vorsitzender des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten.
Die Aussage der deutschen Diplomatin schwäche die Position Berlins in den Augen der Weltöffentlichkeit bezüglich des russisch-ukrainischen Konfliktes sogar. Baerbock habe bestätigt, dass das Ziel des kollektiven Westens nicht darin besteht, die Ukraine vor irgendjemandem zu schützen, sondern darin, Russland anzugreifen. Folge man der Logik, so werde Kiew als Stellvertreter gegen Moskau eingesetzt, nichts weiter als "Verbrauchsmaterial im Kampf gegen Russland", ergänzte der Senator.
Übersetzt aus dem Russischen
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