Der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij hat die westlichen Länder aufgefordert, Kampfjets und Langstreckenmunition an Kiew zu liefern. Nur wenige Stunden zuvor hatten die Vereinigten Staaten von Amerika und die Bundesrepublik Deutschland offiziell die Lieferung schwerer Kampfpanzer zugesagt. Umgehend forderte der ukrainische Präsident noch mehr und andere schwere, weitreichende Waffen.
Auch der frühere ukrainische Botschafter in Berlin, Andrei Melnyk, erklärte in einem Interview mit dem Fernsehsender NTV, dass sein Land nun weitere Waffen braucht. Er nannte ebenfalls und konkreter moderne Kampfjets, dazu "Kriegsschiffe und U-Boote". Als jetziger Vize-Außenminister der Ukraine sagte er, dass die nun zugesagten Panzerlieferungen nur der "erste Schritt" sein können.
Selenskij seinerseits dankte zunächst in einer Videoansprache am Mittwoch seinen deutschen und US-amerikanischen Partnern für ihre Entscheidungen, Panzer zu schicken, ging dann aber umgehend dazu über, dass die Ukraine zusätzliche Waffen benötigt:
"Wir müssen auch die Lieferungen von Langstreckenraketen an die Ukraine einleiten, das ist wichtig – wir müssen unsere Zusammenarbeit bei der Artillerie ausbauen."
Der ukrainische Präsident fügte hinzu, dass sein Land auch Kampfjets benötige und dass "jetzt Schnelligkeit und Menge entscheidend" seien. Der "Terrorstaat" Russland müsse den Krieg verlieren, so Selenskij.
Die Entscheidung in Washington, D.C., nun doch Kampfpanzer Abrams zu schicken, beendete eine Kontroverse mit der Bundesregierung in Berlin, die nur eigene Leopard-2-Panzer schicken oder Verbündeten erlauben wollte, solche nach Kiew zu reexportieren, wenn die Vereinigten Staaten ihrerseits moderne Kampfpanzer liefern würden. Wie nun bekannt wurde, wollen die US-Amerikaner insgesamt 31 Kampfpanzer M1 Abrams für Kiew zur Verfügung stellen. Die Bundesregierung hatte der Ukraine am Mittwoch 14 Kampfpanzer vom Typ Leopard 2 aus Bundeswehrbeständen zugesagt.
Ukrainische Offizielle hatten bereits lange schwerere Panzer, insbesondere den M1 Abrams, und andere fortschrittliche Waffensysteme aus dem Westen gefordert.
Ein hochrangiger Berater von Selenskij, Michail Podoljak, erklärte am Mittwoch gegenüber der britischen Tageszeitung Telegraph, dass er davon ausgehe, dass die Unterstützer der Ukraine nun irgendwann Langstreckenraketen bereitstellen werden, und behauptete, dass diese erhoffte Zusage bereits "Teil des Verhandlungsprozesses" für die nächste Waffenlieferung an Kiew wäre. So sagte er:
"Im Moment erleben wir einen starken Stimmungswandel bei den politischen Eliten der europäischen Länder, die verstehen, dass die gesamte Ausrüstung, einschließlich der gepanzerten Fahrzeuge, übergeben werden muss. Und wir werden, da bin ich mir sicher, ohne jeden Zweifel eine Einigung über Langstreckenraketen erzielen."
Der Berater fügte hinzu: "Nur mit diesen Raketen wird es möglich sein, fast die gesamte Infrastruktur der russischen Armee im Hinterland zu zerstören."
Unter Berufung auf namentlich nicht genannte Quellen berichtet der Telegraph, dass die britische Regierung Raketen mit größerer Reichweite "nicht ausschließt", aber derzeit keine Pläne für deren Lieferung habe. In Washington hat man bisher die Anfragen der Ukraine nach ATACMS-Boden-Boden-Raketen mit einer Reichweite von rund 305 Kilometern abgewiesen. Es ist jedoch unklar, ob diese Entscheidung – ebenso wie die über die Panzer M1 Abrams – noch lange Bestand hat.
Moskau hat die westlichen Länder wiederholt aufgefordert, die Waffenlieferungen an die Ukraine zu stoppen, da solche Lieferungen den Konflikt nur unnötig verlängern und eine Verhandlungslösung unmöglich machen würden. Der russische Botschafter in den USA, Anatoli Antonow, verurteilte die bevorstehenden Panzerlieferungen als "eine weitere eklatante Provokation" und betonte, dass die Waffen von den russischen Streitkräften "zerstört" werden würden.
Mehr zum Thema - Russischer General über mögliche Folgen von Leopard-2-Panzer-Lieferungen an die Ukraine