Der Sprecher und Berater des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan, İbrahim Kalın, hat den ehemaligen Nationalen Sicherheitsberater der USA John Bolton als "Kolonialherren" vergangener Zeiten bezeichnet, dessen Versuche, sich in die türkische Demokratie einzumischen, zum Scheitern verurteilt seien. Bolton hatte in einem in der US-Wirtschaftszeitung Wall Street Journal veröffentlichten Meinungsbeitrag vorgeschlagen, der Türkei mit dem Ausschluss aus der NATO zu drohen.
Auf dem Kurznachrichtendienst Twitter reagierte der türkische Präsidentenberater auf den Artikel mit den Worten:
"Bolton, der bereits zugegeben hat, dass er Staatsstreiche unterstützt, hat die NATO aufgefordert, in die Wahlen in der Türkei einzugreifen. Es wäre vergeblich, zu versuchen, den demokratischen Willen des türkischen Volkes unter Vormundschaft zu stellen."
Kalın fügte hinzu:
"Vorbei sind die Zeiten, in denen ihr den Kolonialherren spielen konntet."
In seinem Tweet, der in türkischer Sprache geschrieben wurde, verlinkte Kalın auch Boltons Meinungsartikel in der US-Zeitung, der am Dienstag veröffentlicht worden war. In diesem hatte der Republikaner, der zu den sogenannten Falken in der Außen- und Sicherheitspolitik der USA gehört, der NATO geraten, "Ankaras Mitgliedschaft auf den Prüfstand zu stellen", um so auf die türkischen Wahlen Einfluss nehmen zu können.
Bolton hatte dem türkischen Präsidenten Erdoğan vorgeworfen, sich "spalterisch und gefährlich" zu verhalten, die Verfassung zu untergraben, die Wirtschaft zu ruinieren und eine "kriegerische Regionalpolitik" zu verfolgen. Die Türkei sei zwar Mitglied der NATO, "verhält sich aber nicht wie ein Verbündeter", so Bolton.
Die Türkei, die seit 1952 Mitglied der transatlantischen Militärallianz ist, verfügt über die zweitgrößte Armee innerhalb der NATO nach den USA. Zudem beherbergt die Türkei das Hauptquartier der NATO-Kommandobehörde LANDCOM in Izmir. Die Beziehungen zwischen Ankara und Washington waren in den letzten Jahren jedoch angespannt, nachdem die USA die Türkei wegen ihres Einmarsches in Syrien und der Entscheidung, S-400-Luftabwehrsysteme von Russland zu kaufen, sanktioniert hatten.
Bolton bekleidet zwar derzeit kein öffentliches Amt in den USA, hatte Washington jedoch zuvor bei den Vereinten Nationen vertreten und war unter US-Präsident Donald Trump Nationaler Sicherheitsberater der Vereinigten Staaten gewesen, bis er 2019 entlassen wurde. Der Verfechter eines Regimewechsels in Venezuela, Iran und Russland deutete kürzlich eine eigene Kandidatur für das Weiße Haus im Jahr 2024 an und behauptete, er sei möglicherweise die einzige Person, die Trump innerhalb der Republikanischen Partei besiegen könne.
Erdoğans Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (Adalet ve Kalkınma Partisi, AKP) regiert in der Türkei seit fast 20 Jahren. Seit 2014 ist er Präsident, davor war er Ministerpräsident gewesen. Die AKP verfügt derzeit über 286 Sitze in der 600 Sitze umfassenden Großen Nationalversammlung, während die größte Oppositionspartei, die Republikanische Volkspartei (Cumhuriyet Halk Partisi, CHP), 134 Sitze hat.
Laut Gesetz muss Ankara bis Mitte Juni Parlamentswahlen ausrufen. Am Mittwoch schlug Erdoğan vor, die Abstimmung auf den 14. Mai vorzuverlegen, den Jahrestag der ersten türkischen Wahlen mit mehreren Parteien im Jahr 1950. Berichten zufolge wollen mehrere Oppositionsparteien zusammenarbeiten, um gegen den Präsidenten anzutreten, haben sich aber noch nicht auf einen gemeinsamen Kandidaten geeinigt. Ein weithin kolportierter Kandidat, der Istanbuler Bürgermeister Ekrem İmamoğlu, wurde im vergangenen Monat wegen Beleidigung von Amtsträgern zu einer Haftstrafe verurteilt und mit Politikverbot belegt. İmamoğlu kann jedoch gegen die Entscheidung des Gerichts noch Berufung einlegen.
Erst jüngst hatte Bolton in einem harschen Kommentar für die britische Zeitung Telegraph die Türkei für ihre weiterhin guten Beziehungen zu Russland kritisiert. So hatte der ehemalige US-Sicherheitsberater auch in diesem Gastbeitrag geschrieben, dass die NATO-Mitgliedschaft des Landes "zur Debatte stehen" sollte. Er hatte zudem die Tatsache bemängelt, dass "Russlands wirtschaftliche und militärische Partner es in dieser Zeit der Not noch nicht im Stich gelassen haben, darunter leider auch die Türkei". Im selben Beitrag hatte Bolton auch Deutschland und Frankreich für ihre angebliche Zurückhaltung bei der Unterstützung der Ukraine getadelt.
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