Eine Analyse von Aljona Sadoroschnaja
Russland hat Soledar unter Kontrolle gebracht. Laut dem Gründer des Militärunternehmens Wagner, Jewgeni Prigoschin, entstand in der Stadt ein Kessel, wo gekämpft wird. Der Zusammenbruch der ukrainischen Verteidigung in Soledar eröffnet der russischen Armeegruppe Möglichkeiten für neue Offensiven und in der Perspektive auch für die Befreiung des gesamten Gebietes der Donezker Volksrepublik. Wie sollten die russischen Streitkräfte weiter vorgehen, um den Erfolg auszubauen?
Das ukrainische Militär hat bei den Kämpfen um Soledar im Nordosten der DVR etwa 25.000 Menschen verloren, diese Verluste sind unersetzlich. Dies erklärte am Mittwoch der ehemalige Botschafter der Lugansker Volksrepublik in Moskau, Rodion Miroschnik. Nach seiner Einschätzung habe die Ukraine für das Halten von Soledar zu politischen Zwecken einen "ungeheuren, unverhältnismäßigen Preis" gezahlt.
Die Kampfmoral des ukrainischen Militärs am Frontabschnitt im Gebiet Saporoschje sinkt vor dem Hintergrund der Nachrichten aus Soledar, insbesondere über die Einkesselung einiger Hunderte ukrainischer Militärangehöriger. Dies erklärte der Leiter der Bewegung "Wir sind zusammen mit Russland", Wladimir Rogow, gegenüber der Nachrichtenagentur TASS. Der Politiker merkte an, dass sich nach dem Verlust von Soledar der Ton von öffentlichen Erklärungen Wladimir Selenskijs und des Leiters des ukrainischen Präsidialamtes, Andrei Jermak, sichtlich verändere. Den ukrainischen Soldaten würde man erklären, dass das Verlassen von Soledar und der überaus wahrscheinliche Verlust des benachbarten Artjomowsk (ukrainisch Bachmut) nicht so wichtig sei, sagte Rogow.
Dabei räumte der Berater des Leiters des ukrainischen Präsidialamtes, Alexei Arestowitsch ein, dass ein Teil der ukrainischen Verbände aus ihren Stellungen in Soledar geflohen sei. Ihm zufolge schaffe die Flucht einer einzigen Kompanie von der Front eine Lage, in der der Gegner die freigewordene Stellung leicht besetzen kann.
Darüber, dass in der Nacht auf Mittwoch die Verbände des Militärunternehmens Wagner Soledar unter ihre Kontrolle brachten und die ukrainischen Truppen im Stadtzentrum einkesselten, berichtete der Gründer des Militärunternehmens, Jewgeni Prigoschin. Nach seinen Worten beteiligten sich an dem Sturm ausschließlich Mitarbeiter von Wagner.
In seinem Lagebericht sprach der offizielle Pressesprecher des russischen Verteidigungsministeriums, Generalleutnant Igor Konaschenkow, von einem erfolgreichen Vormarsch der russischen Truppen am Frontabschnitt bei Donezk. Russische Luftlandetruppen hätten Soledar vom Norden und Süden her blockiert. Der Pressesprecher des russischen Präsidenten, Dmitri Peskow, wies seinerseits auf eine positive Dynamik im Verlauf der Sonderoperation hin.
Das amtierende Oberhaupt der DVR, Denis Puschilin, erklärte, die vollständige Befreiung von Soledar eröffne Möglichkeiten für eine Befreiung von Artjomowsk und Sewersk. Seiner Meinung nach werde die Einnahme der Stadt einen Vorstoß zu dem Ballungsraum von Slawjansk und Kramatorsk erlauben, wo eine zahlenmäßig große ukrainische Heeresgruppe versammelt ist. Ein Vorstoß in Richtung Donezk und Kramatorsk bedeute einen Wendepunkt in der Befreiung des gesamten Gebietes der Donezker Volksrepublik, so Puschilin.
Das Mitglied der Akademie für Militärwissenschaften Anexander Bartosch ist der Meinung, dass ein weiteres Vordringen der russischen Streitkräfte nur nach einer vollständigen Säuberung von Soledar möglich sei. Er erklärte gegenüber der Zeitung Wsgljad:
"Vielversprechend für weitere Vorstöße erscheinen Artjomowsk und Kramatorsk. Erst nach deren Befreiung können wir von strategischen Erfolgen sprechen."
Bartosch zufolge stünden noch viele "schwere und blutige Kämpfe bevor".
Darauf, dass Soledar noch nicht vollständig gesäubert sei, verwies auch der Abgeordnete des Volksrats der DVR, Wladislaw Berditschewski. Er vermutete:
"Wir werden etwas Ähnliches zu Mariupol sehen. Die verbliebenen ukrainischen Verbände werden sich aktiv in Kellern und Unterständen verstecken. Ein Teil davon wird sich wohl ergeben. Doch die Mehrheit wird man mit Gewalt aus ihren Befestigungen herausschlagen müssen."
Wie der Militäranalytiker Michail Onufrijenko seinerseits erklärte, könnten sich in den Salzbergwerken unter Soledar, die eine Tiefe von mehreren hundert Metern und eine Gesamtlänge von über 200 Kilometern haben, noch ukrainische Militärs verstecken. Diese Soldaten würden den Widerstand wahrscheinlich fortsetzen. Onufrijenko schlug daher vor, nunmehr auf Meldungen von einer vollständigen Säuberung der unterirdischen Anlagen zu warten. In diesem Zusammenhang erklärte er:
"Die Einnahme des gesamten Stadtgebietes von Soledar bedeutet, dass diese Verteidigungslinie nach dem Fall von Sewerodonezk und Lissitschansk durchbrochen ist."
In Bezug auf taktische Möglichkeiten, die sich nach einer Einnahme von Soledar eröffnen, biete sich in erster Linie eine Einkesselung von Artjomowsk an, meinte Bartosch. Dabei sollte ein innerer und ein äußerer Einkesselungsring gebildet werde, um ukrainische Versuche einer Deblockierung zu vereiteln.
Dafür müsse Russland allerdings Militärgerät und Personal von anderen Frontabschnitten verlegen sowie die Arbeit der Luftstreitkräfte und Artillerie intensivieren. Der Militärexperte erklärte:
"Eine Einkesselung wird es erlauben, die lokale Logistik des Gegners vollständig zu zerstören und Verstärkungen, Munitions- und Verpflegungslieferungen zu unterbinden."
Berditschewski vermutete, dass das ukrainische Militär Artjomowsk nicht verlassen und die Stadt bis zu ihrer Einkesselung halten werde. In dieser Woche kündigte Selenskij eine organisierte Verlegung ukrainischer Verbände nach Artjomowsk und Soledar an. Berditschewski sagte diesbezüglich:
"Nur nachdem wir all diese Gebiete befreien werden, wird sich das ukrainische Militär bis nach Slawjansk zurückziehen. Ich schließe nicht aus, dass sie sämtliche Städte auf dem Weg dahin zerstören. Das sollte nicht verwundern – der Donbass und die einheimische Bevölkerung sind für sie fremd. Ihr Schicksal kümmert die Ukraine nicht."
Seinerseits bemerkte Onufrijenko, dass die Vorbedingungen für eine Isolierung der ukrainischen Truppen in Artjomowsk bereits vorlägen. Die Straßen nach Artjomowsk seien bereits durchschnitten, Kämpfe würden um den nördlichen Stadtrand und die südliche Vorstadt geführt. Und dies wiederum werde erlauben, die Straße nach Tschassow Jar unter Beschuss zu nehmen:
"Die Versorgung der ukrainischen Truppen wird ganz problematisch werden und die Garnison von Artjomowsk in eine aussichtslose Lage versetzen."
Nach Meinung des Experten wäre es nun logisch, weiter nach Westen vorzudringen, um die im Herbst verlorenen Gebiete wiedereinzunehmen und "den Gegner zu zwingen, die Reste seiner Reserven über einen breiteren Frontabschnitt zu verteilen."
Onufrijenko erklärte, dass Soledar, Sewersk, Artjomowsk, Konstantinowka, Druschkowka, Kramatorsk und Slawjansk eine ununterbrochene hufeisenförmige Befestigungskette bildeten, die von der Flusswindung des Sewerski Donez bis zu der Stadt Torezk im Süden reiche. Nach Onufrijenkos Prognose wird die Einnahme von Soledar einen Dominoeffekt hervorrufen und eine Befreiung von Artjomowsk und Sewersk mit anschließendem allmählichem Vormarsch nach Kramatorsk und Slawjansk nach sich ziehen.
Die Kämpfe um Soledar hatte seit August des vergangenen Jahres angedauert. Im November erlitt das ukrainische Militär schwere Verluste, verzichtete auf Offensiven und ging zur Verteidigung über. Buchstäblich jedes Haus wurde lange und blutig erkämpft. Im Dezember verlegte Kiew Verstärkung in die Stadt, darunter ausländische Söldner mit NATO-Waffen. Doch zu Jahresbeginn begann ein massenhafter Rückzug der ukrainischen Truppen aus dem Stadtgebiet. Der Assistent des Leiters des regionalen Innenministeriums und Polizeioberst der LVR, Witali Kisseljow, erklärte Ende vergangener Woche, dass die ukrainischen Streitkräfte einen Rückzugsbefehl aus Soledar erhalten hätten.
Übersetzt aus dem Russischen, zuerst erschienen bei Wsgljad.
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