Von Pepe Escobar
Das Jahr 2022 endete mit einem Zoom-Meeting, um alle Zoom-Meetings zu beenden: Die Präsidenten Wladimir Putin und Xi Jinping besprachen alle Aspekte der strategischen Partnerschaft zwischen Russland und China in einer exklusiven Videokonferenz.
Putin stellte fest, "dass Russland und China es geschafft haben, rekordhohe Wachstumsraten im gegenseitigen Handel sicherzustellen, was bedeutet, dass wir in der Lage sein werden, unser Ziel von 200 Milliarden US-Dollar bis 2024 vorzeitig zu erreichen". Zur gemeinsamen Koordinierung bei der "Bildung einer gerechteren Weltordnung auf der Grundlage des Völkerrechts" betonte Putin, "dass wir die gleichen Ansichten über die Ursachen, den Verlauf und die Logik der laufenden Transformation der globalen geopolitischen Landschaft teilen". Angesichts "beispiellosen Drucks und Provokationen aus dem Westen" bemerkte Putin, dass Russland und China nicht nur ihre eigenen Interessen verteidigen, "sondern auch jene derjenigen, die für eine wahrhaft demokratische Weltordnung und das Recht der Länder einstehen, ihr eigenes Schicksal frei zu bestimmen".
Zuvor hatte Xi angekündigt, dass Peking das dritte Belt-and-Road-Forum im Jahr 2023 veranstalten wird. Dies wurde inoffiziell von diplomatischen Quellen bestätigt. Das Forum war ursprünglich als halbjährliches Forum konzipiert, das zuerst 2017 und dann 2019 stattfand, 2021 jedoch wegen Corona nicht stattfand. Die Rückkehr des Forums signalisiert nicht nur einen erneuten Schub, sondern bildet einen äußerst bedeutenden Meilenstein, da die Belt and Road Initiative (BRI), die 2013 in Astana ins Leben gerufen und dann erneut in Jakarta bekräftigt wurde, ihr zehnjähriges Bestehen feiern wird.
Die Belt and Road Initiative 2.0
Die BRI 2.0 wird 2023 im gesamten geopolitischen und geoökonomischen Spektrum den Ton angeben. Parallel zu ihrer geoökonomischen Breite und Reichweite wurde die BRI als Chinas übergreifendes außenpolitisches Konzept angelegt. Jetzt ist es an der Zeit, die Dinge zu optimieren. Projekte der BRI 2.0 entlang ihrer verschiedenen Konnektivitätskorridore müssen zwangsläufig neu dimensioniert werden, um sich an das Post-Corona-Umfeld, an die Nachwirkungen des Krieges in der Ukraine und an eine zutiefst verschuldete Welt anzupassen.
Und dann ist da noch die Verzahnung der Konnektivität über BRI mit der Konnektivität über den International North South Transportation Corridor (Internationaler Nord-Süd-Transportkorridor, INSTC), bei dem die Hauptakteure Russland, Iran und Indien sind.
Die Tatsache, dass Russland, China, Iran und Indien ineinandergreifende Handelspartnerschaften entwickeln, sollte den geoökonomischen Antrieb der russisch-chinesischen Partnerschaft, wie von Putin und Xi diskutiert, ausweiten und feststellen, dass die BRICS-Mitglieder Russland, Indien und China – sowie Iran als ein baldiges Mitglied der erweiterten BRICS – jene Quadrilaterale ist, die in Eurasien wirklich eine Bedeutung hat. Der neue Ständige Ausschuss des Politbüros in Peking, der vollständig auf die Prioritäten von Xi ausgerichtet ist, wird sich stark darauf konzentrieren, konzentrische geoökonomische Einflusssphären im globalen Süden zu festigen.
Wie China mit "strategischer Mehrdeutigkeit" jongliert
Dies hat nichts mit Kräftegleichgewicht zu tun, was ein westliches Konzept ist und zudem nichts mit Chinas fünftausendjähriger Geschichte zu tun hat. Dies ist auch keine weitere Flexion der "Einheit der Mitte" – der geopolitischen Repräsentation, wonach keine Nation in der Lage ist, die Mitte, also China, zu bedrohen, solange man in der Lage ist, die Ordnung aufrechtzuerhalten. Diese kulturellen Faktoren, die China in der Vergangenheit möglicherweise daran gehindert haben, ein Bündnis unter dem Konzept der Parität zu akzeptieren, spielen keine Rolle mehr, wenn es um die strategische Partnerschaft zwischen Russland und China geht.
Bereits im Februar 2022, Tage vor den Ereignissen, die zu Russlands militärischer Operation in der Ukraine führten, hatten Putin und Xi gegenseitig bekräftigt, dass ihre Partnerschaft "keine Grenzen" habe – auch wenn man unterschiedliche Vorstellungen davon hat, wie Moskau mit einem Kiew umgehen soll, das vom Westen instrumentalisiert wurde, um Russland zu bedrohen. Kurz gesagt: Peking wird Moskau wegen der Ukraine nicht "fallen lassen" – so sehr man auch nicht offen seine Unterstützung zeigen wird. Die Chinesen spielen ihre ganz eigene subtile Interpretation dessen, was die Russen als "strategische Mehrdeutigkeit" definieren.
Konnektivität in Westasien
In Westasien werden die Projekte der BRI in Iran besonders schnell vorankommen, dies als Teil der zwischen Peking und Teheran unterzeichneten Abkommen und des endgültigen Endes des "Nukleardeals" – dem Atomabkommen JCPOA mit dem Iran –, das keine Hoffnungen auf neue europäische Investitionen in die iranische Wirtschaft machte. Iran ist nicht nur ein Partner in der BRI, sondern auch ein vollwertiges Mitglied der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ). Es hat zudem ein Freihandelsabkommen mit der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) abgeschlossen, die aus den postsowjetischen Staaten Russland, Armenien, Weißrussland, Kasachstan und Kirgisistan besteht. Und Iran ist heute wohl das wichtigste Verbindungsglied innerhalb des INSTC, der den Indischen Ozean – und darüber hinaus – erschließt und nicht nur Russland mit Indien, sondern auch mit China, Südostasien und möglicherweise sogar mit Europa verbindet – vorausgesetzt, die EU-Führung wird sich eines Tages darauf einlassen, wenn sie sehen, woher der Wind weht.
Hier haben wir also den stark von den USA sanktionierten Iran, der gleichzeitig von der BRI, vom Internationalen Nord-Süd-Verkehrskorridor und dem Freihandelsabkommen mit der Eurasischen Wirtschaftsunion profitiert. Die drei kritischen BRICS-Mitglieder – Indien, China und Russland – werden besonders an der Entwicklung des transiranischen Transitkorridors interessiert sein, der zufällig die kürzeste Route zwischen dem größten Teil der EU und Süd- und Südostasien ist und einen schnelleren und günstigeren Transport ermöglicht. Hinzu kommt die bahnbrechend geplante Stromtrasse Russland-Transkaukasien-Iran, die zum endgültigen Bindeglied in der Konnektivität werden könnte, die den Antagonismus zwischen Aserbaidschan und Armenien beseitigen könnte.
Auch in der arabischen Welt hat Xi das Schachbrett bereits neu geordnet. Die Reise von Xi nach Saudi-Arabien im vergangenen Dezember sollte als diplomatische Blaupause dafür dienen, wie schnell ein postmodernes Quid pro quo zwischen zwei alten, stolzen Zivilisationen etabliert werden kann, um eine Wiederbelebung der Neuen Seidenstraße zu ermöglichen.
Der Aufstieg des Petroyuan
Peking hat möglicherweise riesige Exportmärkte innerhalb des kollektiven Westens verloren – also musste ein Ersatz her. Die arabischen Führer, die sich in Riad aufstellten, um Xi zu treffen, sahen plötzlich zehntausend scharfe westliche Messer auf sich zukommen und dachten, es sei an der Zeit, ein neues Gleichgewicht zu finden. Das bedeutet unter anderem, dass der saudische Kronprinz Mohammad bin Salman eine multipolarere Agenda angenommen hat: keine weitere Bewaffnung des Salafi-Dschihadismus im ganzen eurasischen Raum und die Tür weit offen für die strategische Partnerschaft zwischen Russland und China. Der Hochmut kam beim amerikanischen Hegemon diesmal vor dem Fall.
Ein Stratege der Schweizer Großbank Credit Suisse, Zoltan Pozsar, wies in zwei aufeinanderfolgenden Newslettern mit den Titeln War and Commodity Encumbrance (Die Bürde von Krieg und Rohstoffe, 27. Dezember) und War and Currency Statecraft (Krieg und monetäre Staatskunst, 29. Dezember) auf die Zeichen an der Wand hin.
Pozsar verstand voll und ganz, was Xi meinte, als er sagte, China sei "bereit, mit dem Golf-Kooperationsrat (GKR) zusammenzuarbeiten", um innerhalb eines Zeitrahmens von "drei bis fünf Jahren" ein "neues Paradigma der alldimensionalen Energiekooperation" aufzubauen. China wird langfristig weiterhin viel Rohöl aus den GKR-Staaten und noch viel mehr verflüssigtes Erdgas (LNG) importieren. Peking wird "die Zusammenarbeit im vorgelagerten Sektor, bei Ingenieurdienstleistungen sowie bei der nachgelagerten Lagerung, dem Transport und der Raffinierung verstärken. Die Plattform der Shanghai Petroleum and Natural Gas Exchange wird für die vollständige Abwicklung im Öl- und Gashandel in Yuan genutzt und auch eine Kooperation auf Basis eines Währungstausches beginnen".
Pozsar fasste es so zusammen: "GKR-Öl fließt nach Osten + Rechnungsstellung in Yuan = die Morgendämmerung des Petroyuan." Und nicht nur das. Parallel dazu bekommt die BRI einen neuen Schub, denn das bisherige Modell – Öl für Waffen – wird durch Öl für nachhaltige Entwicklung – Bau von Fabriken, neue Arbeitsplätze – ersetzt. Und genau hier trifft die BRI auf die "Vision 2030" von Kronprinz Mohammad bin Salman.
Pozsar ist vielleicht einer der ganz wenigen westlichen Wirtschaftsanalysten, der die globale Machtverschiebung verstanden hat: "Die multipolare Weltordnung", schreibt er, "wird nicht von den Staatsoberhäuptern der G7 aufgebaut, sondern von jenen der G7 des Ostens, den Staatsoberhäuptern der BRICS-Staaten". Aufgrund der Entwicklung hin zu einem erweiterten BRICS+ erlaubte sich Pozsar, die Zahl der Mitgliedsstaaten aufzurunden.
Die aufstrebenden Weltmächte verstehen auch, wie sie ihre Beziehungen ausbalancieren können. In Westasien verfolgt China leicht unterschiedliche Ansätze in seiner Strategie beim BRI-Handel und der Konnektivität: einen Ansatz für Iran und einen anderen für die Monarchien am Persischen Golf. Chinas umfassende strategische Partnerschaft mit Iran beinhaltet ein auf die Dauer von 25 Jahren angelegtes Abkommen, im Rahmen dessen China 400 Milliarden US-Dollar in die iranische Wirtschaft investieren wird, im Austausch für eine stetige Versorgung mit iranischem Öl zu einem hohen Preisnachlass. Auf seinem Gipfeltreffen mit den GKR-Staaten betonte Xi "Investitionen in nachgelagerte petrochemische Projekte, Fertigung und Infrastruktur" im Austausch für die Bezahlung von Energie in Yuan.
Wie man das neue große Spiel spielt
Das Ausrollen der BRI 2.0 war auch bereits während einer Reihe von Gipfeltreffen in Südostasien im vergangenen November im Gange. Als Xi mit dem thailändischen Premierminister Prayut Chan-o-cha auf dem APEC-Gipfel (Asiatisch-Pazifische Wirtschaftsgemeinschaft) in Bangkok zusammentraf, vereinbarten sie, die in Betrieb befindliche Hochgeschwindigkeitsstrecke China-Laos endlich an das thailändische Eisenbahnsystem anzuschließen. Dies ist ein 600 Kilometer langes Bahnprojekt, das Bangkok mit Nong Khai an der Grenze zu Laos verbindet und bis 2028 fertiggestellt werden soll.
Und in einem zusätzlichen Vorstoß vereinbarten Peking und Bangkok, die Entwicklung des chinesischen Wirtschaftsgroßraums Shenzhen-Zhuhai-Hongkong und jene des Jangtse-Delta mit Thailands Eastern Economic Corridor (Östlicher Wirtschaftskorridor, EEC) zu koordinieren. Langfristig zielt China im Wesentlichen darauf ab, seine Strategie in Südostasien auch in Westasien zu replizieren. Peking handelt mehr mit den Staaten des ASEAN als mit Europa oder den USA. Der anhaltende, schmerzhafte Zusammenbruch des kollektiven Westens in Zeitlupe mag ein paar Federn in einer Zivilisation zerzausen, die aus der Ferne bereits den Aufstieg und den Fall von Griechen, Römern, Arabern, Osmanen, Spaniern, Holländern und Briten gesehen hat. Der amerikanische Hegemon ist schlussendlich nur der letzte in einer langen Liste.
In praktischer Hinsicht werden die Projekte der BRI 2.0 nun einer genaueren Prüfung unterzogen: Dies wird das Ende von unpraktischen Vorschlägen zu exorbitanten Kosten markieren, mit verlängerten Rettungsleinen für eine Reihe von verschuldeten Nationen. BRI wird in den Mittelpunkt der Erweiterung bei der BRICS+ gestellt, aufbauend auf einem Konsultationsgremium vom vergangenen Mai, an dem Außenminister und offizielle Vertreter aus Südamerika, Afrika und Asien teilnahmen, das in der Praxis die globale Bandbreite möglicher Beitrittskandidaten aufzeigte.
Implikationen für den globalen Süden
Das neue neue Mandat von Xi Jinping, das ihm vom 20. Kongress der Kommunistischen Partei erteilt wurde, hat die unumkehrbare Institutionalisierung der BRI signalisiert, was zufällig die zentrale Politik von Xi ist. Der globale Süden zieht rasch ernsthafte Konsequenzen, insbesondere im Gegensatz zu der eklatanten Politisierung der G20, wie auf ihrem Gipfel im vergangenen November in Bali sichtbar wurde.
Zoltan Pozsar ist somit ein westlicher Analyst, der verstanden hat, dass die BRICS die neuen "G" sind, auf die es ankommt, und dass sie den Weg zu BRICS+ anführen. Er hat auch verstanden, dass die Quadrilaterale, auf die es wirklich ankommt, die drei wichtigsten BRICS-Staaten plus Iran sind.
Die akute Entkopplung der Lieferketten, das Crescendo der westlichen Hysterie über Pekings Position zum Krieg in der Ukraine und die schweren Rückschläge bei chinesischen Investitionen im Westen, spielen alle eine Rolle bei der Entwicklung der BRI 2.0. Peking wird sich gleichzeitig auf mehrere Knotenpunkte des globalen Südens konzentrieren, insbesondere auf die Nachbarn der ASEAN und in ganz Eurasien.
Man denke zum Beispiel an die von Peking finanzierte Hochgeschwindigkeitsstrecke Jakarta-Bandung, Südostasiens erste dieser Art: Ein BRI-Projekt, das dieses Jahr eröffnet wird, im selben Jahr, in dem Indonesien den ASEAN-Vorsitz einnehmen wird. China baut auch den East Coast Rail Link (Ostküsten Bahnverbindung) in Malaysia und hat die Verhandlungen mit den Philippinen über drei Eisenbahnprojekte erneuert.
Dann gibt es die überlagerten Verbindungen. Die EAWU wird ein Freihandelsabkommen mit Thailand abschließen. Am Rande der epischen Rückkehr von Luiz Inácio Lula da Silva an die Macht in Brasilien trafen sich am vergangenen Sonntag Delegierte Irans und Saudi-Arabiens, um entspannt über – was wohl – BRICS+ zu diskutieren. Es war eine ausgezeichnete Wahl des Austragungsortes dieses Treffens: Brasilien wird von praktisch allen geopolitischen Akteuren als erstklassiges neutrales Territorium angesehen.
Aus Pekings Sicht könnte der Einsatz nicht höher sein, da der Schub hinter BRI 2.0 im globalen Süden darin besteht, China nicht von westlichen Märkten abhängig zu machen. Beweis dafür ist Pekings kombinierter Ansatz gegenüber dem Iran und der arabischen Welt. Chinas Verlust bei der Nachfrage, sowohl aus dem US- als auch aus dem EU-Markt, könnte sich am Ende als eine bloße Bodenwelle auf dem multipolaren Weg herausstellen.
Das Jahr 2023 wird davon geprägt sein, dass China das Neue Große Spiel beginnt, um eine Globalisierung 2.0 zu gestalten, die institutionell von einem Netzwerk unterstützt wird, das die Belt and Road Initiative, die BRICS+, die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, die Unterstützung seines strategischen russischen Partners, die Eurasische Wirtschaftsunion und die OPEC+, umfasst. Kein Wunder also, dass die üblichen Verdächtigen nervös werden und verwirrt sind.
Aus dem Englischen. Zuerst erschienen bei The Cradle.
Pepe Escobar ist ein unabhängiger geopolitischer Analyst und Autor. Sein neuestes Buch heißt "Raging Twenties" (Die wütenden Zwanziger). Er wurde von Facebook und Twitter aus politischen Gründen verbannt aber man kann ihm auf Telegram folgen.
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