Eine Analyse von Jewgeni Krutikow
Nach Kiews Verweigerung eines Waffenstillstands zu Weihnachten wurden ukrainische Verteidigungslinien im Donbass durchbrochen. Die Streitkräfte der Russischen Föderation erzielten maßgebliche Erfolge in Soledar und Artjomowsk (ukrainisch wieder Bachmut) – also wichtigen strategischen Orten, die die ukrainische Führung um jeden Preis zu halten versucht, unter anderem auch aus politischen Gründen.
Nach dem Stand vom 9. Januar finden Kämpfe bereits im Zentrum von Soledar sowie im Gebiet der fünfstöckigen Wohnhäuser im Nordosten der Stadt statt. Die russischen Streitkräfte brachten bereits zwei Eisenbahnstationen, mehrere Salzbergwerke sowie Wohngebiete im Süden und Südosten entlang der Oktjabrskaja-Straße unter ihre Kontrolle. Ebenso wurde das Dorf Bachmutskoje südwestlich von Soledar eingenommen. Vom Osten her, aus dem Dorf Jakowlewka kommende Verbände drangen in das Gebiet hinter der Verklärungs-Kirche vor. Die Sturmtruppen stießen zum Jurtschina-Berg vor und durchschnitten den Straßenabschnitt bis Blagodatnoje. Damit wurden ukrainische Truppen im strategisch wichtigen Sewersk von der Versorgung abgeschnitten.
Nach Angaben der Zeitung Wsgljad begannen am Mittag erbitterte Kämpfe um das Verwaltungsgebäude von Soledar und um das benachbarte Kulturhaus, mit anderen Worten: um das Stadtzentrum. Auf Satellitenbildern der Stadt ist ein großer Brand in der Nähe des zentralen Platzes zu sehen. Die ukrainische Verteidigung wurde fragmentiert, sie verfügt nicht mehr über eine einheitliche Führung, sondern ist in einzelne Gruppen zerschlagen.
Noch davor begann der Rückzug der ukrainischen 128. Gebirgssturmbrigade, der bald in eine Flucht ausartete. Auch die 61. Separate mechanisierte Brigade begann trotz der Versuche, sie durch Reservebataillone zu verstärken, die Stellungen zu verlassen. Schließlich zog sich die Brigade zurück, was auch die Flucht der 10. Gebirgssturmbrigade sowie der 17. Panzerbrigade zur Folge hatte. Gerade Letztere stellte eine operative Reserve dar, die Soledar halten und Lücken in der Verteidigung stopfen sollte.
Allerdings versuchten ideologisch motivierte ukrainische Einheiten, darunter der Sonderverband "Karpaten" und einzelne Verbände der Gebirgssturmbrigaden, Beobachtungsstellen in fünfstöckigen Häusern an der Karpinskowo-Straße zu halten, weswegen es noch zu früh ist, von einer Einnahme von ganz Soledar zu sprechen. Doch am Montag zogen sich die ukrainischen Verbände (genauer gesagt, deren Reste) in den Südwesten der Stadt in die Gegend des Salzbergwerks "Artjomsol" und der Eisenbahnstation "Sol".
Theoretisch könnte dies als dritte Verteidigungslinie bezeichnet werden, deren Zweck der Versuch sein sollte, den Stadtrand bis zur Ankunft der von Selenskij angekündigten Verstärkungen zu halten. Vermutlich handelt es sich bei diesen Verstärkungen um neu aufgestellte "bezifferte" Brigaden aus frisch eingezogenen Rekruten des Gebiets Tschernigow, die während des letzten Monats am Militärübungsplatz Gontscharowskoje ausgebildet wurden.
Die zweite Aufgabe der Reste ukrainischer Truppen in der Stadt wird sein, russische Streitkräfte daran zu hindern, in den Norden von Soledar vorzustoßen und die Straße nach Sewersk zu durchschneiden. Im Grunde ist dieser Plan schon gescheitert, denn die Kreuzung des Weges nach Sewersk, die Kreuzung der Straßen Oktjabrskaja und Pionerskaja, liegt bereits in Feuerreichweite russischer Streitkräfte.
Auch die Lage bei Artjomowsk (ukrainisch heute wieder Bachmut) hat sich drastisch verändert. Am Morgen des 9. Januar schlugen die russischen Streitkräfte die zusammengesetzten Verbände der ukrainischen 60. und 17. Separaten mechanisierten Brigaden aus dem Dorf Podgorodneje zurück und eröffneten damit die Möglichkeit einer Einkesselung von Artjomowsk vom Norden her. Im Süden und Südosten der Stadt dauert schon lange die Vernichtung von Befestigungen in den Dörfern Opytnoje und Kleschtschijewka sowie die Räumung des Geländes um die KNAUF-Gipsfabrik an der Patrice-Lumumba-Straße.
Das ukrainische Militär verlegte ständig Verstärkungen nach Artjomowsk, und zwar Reserven der 60. Separaten mechanisierten Brigade, zwei Panzergruppen der 28. Mechanisierten Brigade sowie einzelne Verbände der Spezialkräfte und der Territorialverteidigung. Vermutlich werden die 58. Separate Mot-Schützen-Brigade und die 93. Separate mechanisierte Brigade aus dem bereits erwähnten Gebiet Tschernigow zu den nächsten ukrainischen Reserven. Zwei Brigaden, die dringend vom Frontabschnitt Saporoschje nach Artjomowsk verlegt werden sollen, werden mit Sicherheit nicht rechtzeitig ankommen.
Die wichtigste Verteidigungstaktik des ukrainischen Militärs in Soledar und Artjomowsk bestand im unregelmäßigen Artilleriebeschuss durch die Artilleriedivision der 60. Separaten mechanisierten Brigade und der 17. Panzerbrigade, die fernab der Kontaktlinie stationiert waren. Hinzu kamen fünf Su-25 und zwei MiG-29 vom Flugplatz Mirgorod. Die auf zentralen Hauptstraßen von Soledar errichteten behelfsmäßigen Befestigungen aus traditionellen, zu Panzerigeln verschweißten Stahlträgern erwiesen sich als nutzlos.
Laut einer Reihe von Meldungen kann eine aktive Verlegung von ukrainischen Reserven nach Soledar und Artjomowsk nicht vor dem 20. Januar beginnen. Folglich werden sie eine neue Verteidigungslinie westlich der durchbrochenen Linie Artjomowsk – Soledar – Sewersk errichten oder halten müssen.
Am Nachmittag des 9. Januar erschienen Meldungen, wonach russische Truppen den Sturm des Dorfs Opytnoje südlich von Artjomowsk begannen und in die Dörfer Krasnaja Gora und Paraskowijewka einmarschierten. Die beiden letztgenannten Ortschaften liegen entlang der Eisenbahnlinie und sind sogar nach lokalen Maßstäben klein, stellen aber wichtige taktische Stellungen dar. Sie schließen die Einkesselung von Artjomowsk vom Norden her und schneiden damit die ukrainische Garnison von Soledar ab. Wenn dieser Erfolg ausgebaut wird, nehmen die russischen Streitkräfte das ganze Gebiet zwischen Artjomowsk und Soledar unter ihre Kontrolle.
Die Einnahme von kleinen Dörfern südlich und südwestlich von Artjomowsk bedroht die Versorgung der dortigen Garnison. Die neue ukrainische Verteidigungslinie wird wohl wie in Soledar entlang des westlichen Stadtrands sowie im Ort Tschassow Jar aufgebaut werden. Letzterer wurde in vergangenen Monaten vom ukrainischen Militär zum Hauptstützpunkt der ganzen ukrainischen Heeresgruppe sowie zur Verteilungsstelle für alle ankommenden Reserven ausgebaut.
Tschassow Jar ist eine gute Stellung, in diesem Städtchen liegen historische Gruben von feuerfestem Ton. Die zugehörigen Fabriken arbeiten zwar schon lange nicht mehr, bilden allerdings ein leicht zu verteidigendes Industriegebiet. Außerdem liegt unmittelbar vor Tschassow Jar der Kanal Sewerski Donez – Donbass, der selbst zu kalter Jahreszeit (am Montag betrug die Temperatur im Donbass Minus 12 bis 15 Grad Celsius) eine Verteidigungslinie darstellt.
Der Verlust der ganzen Verteidigungslinie Artjomowsk – Soledar – Sewersk birgt für das ukrainische Militär weitreichende Gefahren. Erstens verschwindet der Druck auf Kremennaja und Lissitschansk, die ganze Flanke der ukrainischen Front an diesem Abschnitt wird durchhängen.
Zweitens wird der Aufbau einer neuen Verteidigungslinie (vermutlich um Tschassow Jar) von Kiew besondere Anstrengungen erfordern. Schon jetzt sind etwa sechs Brigaden, die die Garnisonen von Artjomowsk und Soledar bildeten, faktisch zerschlagen und müssen umgruppiert und mit neuen Rekruten verstärkt werden.
In den vergangenen Wochen hielten sich diese Garnisonen dank der Verbände aus Veteranen der Gebirgssturmbrigaden, von hochmotivierten Nationalisten und Spezialkräften. Dagegen zeigen die neuen bezifferten Brigaden, die vollständig aus frisch Eingezogenen und einer kleinen Anzahl von ideologisierten Unteroffizieren und Offizieren der Veteranen bestehen, eine schwache Effizienz.
Gegenwärtig ist die ukrainische Verteidigungslinie durchbrochen, und die ukrainische Führung wird wohl das Blatt nicht mehr wenden können. Dennoch ist es verfrüht, von einer vollständigen Einnahme von Artjomowsk zu sprechen, denn Kiew wird diesen Ort aus ideologischen Gründen bis zuletzt halten wollen.
Bereits jetzt ist eine weitere Verteidigung von Artjomowsk für Kiew sinnlos, doch es gibt keine Anzeichen eines Rückzugs ukrainischer Truppen aus der Stadt. Mehr noch, es erscheinen Meldungen über den Bau von Befestigungen im Zentrum von Artjomowsk nach dem Vorbild von Soledar. Und das ukrainische Militär besteht weiterhin auf einer Verstärkung der Garnison der Stadt, darunter durch Verbände vom südlichen Frontabschnitt.
Andererseits tauchen Meldungen über eine verstärkte ukrainische Präsenz in Ugledar auf, was auf die Vorbereitung einer Gegenoffensive am südlichen Frontabschnitt deuten kann. Noch ist das Vormarschtempo der russischen Streitkräfte in Soledar und um Artjomowsk hoch, dennoch sind immer noch unangenehme Überraschungen möglich.
Übersetzt aus dem Russischen und zuerst erschienen bei Wsgljad.
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