Treuhandfonds, die Vermögenswerte in Milliardenhöhe für Roman Abramowitsch hielten, wurden drei Wochen vor Beginn der russischen Militäroperation in der Ukraine so abgeändert, dass das wirtschaftliche Eigentum auf seine Kinder übertragen werden konnte, so die britische Zeitung The Guardian in einem Artikel, in dem es heißt:
"Durchgesickerte Akten, die The Guardian einsehen konnte, deuten darauf hin, dass 10 geheime Offshore-Treuhandfonds, die zugunsten von Abramowitsch eingerichtet wurden, Anfang Februar des Jahres 2022, drei Wochen vor Beginn von Wladimir Putins Krieg in der Ukraine, rasch umstrukturiert wurden. Die umfassende Umstrukturierung von Abramowitschs Finanzangelegenheiten begann nur wenige Tage, nachdem die Regierungen gedroht hatten, im Falle einer Invasion Sanktionen gegen russische Oligarchen zu verhängen. Die geleakten Dokumente werfen die Frage auf, ob die Änderungen an den Fonds in dem Versuch vorgenommen wurden, das riesige Vermögen des Oligarchen vor dem drohenden Einfrieren der Vermögenswerte zu schützen."
Bis zum Februar des Jahres 2022 war Abramowitsch der alleinige Begünstigte von mindestens 10 Fonds auf Zypern und Jersey, will die britische Zeitung wissen. Das Vermögen im Wert von "mindestens 4 Milliarden US-Dollar" gingen dann Anfang des Monats an sieben Kinder Abramowitschs, von denen "das jüngste neun Jahre alt ist". Nun seien sie die wirtschaftlichen Eigentümer von Vermögenswerten, die "seit Langem mit ihrem Vater verbunden sind, darunter Luxusimmobilien und eine Flotte von Superyachten, Hubschraubern und Privatjets", so die Zeitung.
Die Kinder würden durch die Umstrukturierung der Fonds insgesamt 51 bis 100 Prozent an den Vermögenswerten erhalten, die von Anteilen an großen russischen Unternehmen bis zu den Luxusgütern reichen.
Die weitreichende Umstrukturierung der Abramowitsch-Treuhandfonds würde die Bemühungen zur Durchsetzung von Sanktionen gegen den Oligarchen erschweren, so die Sanktionsexperten gegenüber The Guardian. Sie erklärten auch, die Änderungen seien möglicherweise "ein bewusster, aber nicht unrechtmäßiger Versuch gewesen, den Oligarchen vor der Verhängung von Sanktionen von seinem Vermögen zu trennen". The Guardian schreibt:
"Die Umstrukturierung könnte die Behörden, die seit Langem vermutetes Abramowitsch-Vermögen verfolgen, vor Herausforderungen stellen, wenn es darum geht, festzustellen, wer das milliardenschwere Vermögen in Wirklichkeit besitzt und kontrolliert: der Oligarch oder seine Kinder."
Wie die britische Zeitung vermutet, wurden die Unterlagen zu der Umstrukturierung der Treuhandfonds durch einen Hack bei einem in Zypern ansässigen Offshore-Dienstleister erlangt, der die Fonds des Milliardärs verwaltet. The Guardian betont dabei: Die Akten wurden der Zeitung anonym zur Verfügung gestellt. Sie würden „eine Momentaufnahme des Vermögens des Oligarchen am Vorabend der Invasion" zeigen und verdeutlichen, "wie seine Treuhandgesellschaften ein zahlloses Netz von Unternehmen in geheimen Rechtsordnungen gehalten und einen extravaganten Lebensstil finanziert haben", so die Zeitung.
Nach dem Beginn der russischen Militäroperation in der Ukraine im Februar des Jahres 2022 wurde Roman Abramowitsch von der britischen Regierung und der EU-Führung mit Sanktionen belegt – allerdings steht er nicht auf der Sanktionsliste der USA. Wie The Guardian schreibt, habe die Ukraine angeblich "das Weiße Haus gebeten, keine Sanktionen gegen ihn zu verhängen, nachdem der Geschäftsmann als inoffizieller Vermittler bei Friedensverhandlungen aufgetreten war".
Seit März des Jahres 2022 sind die Besitztümer des russischen Oligarchen einer intensiven Prüfung unterzogen worden. Die Behörden haben versucht, "Vermögenswerte in Höhe von 7 Milliarden US-Dollar auf den Kanalinseln einzufrieren", während die USA zwei seiner Privatjets beschlagnahmt haben, so die Zeitung. Derzeit sei es jedoch unwahrscheinlich, dass weitere Sanktionen gegen den Milliardär umgesetzt werden können, da die Umstrukturierung seiner Treuhandfonds dies fast unmöglich gemacht habe. The Guardian erklärt:
"Die Akten zeigen, wie Abramowitsch seit Jahrzehnten undurchsichtige Treuhandstrukturen nutzt, um seinen Reichtum in geheimen Offshore-Paradiesen zu verstecken, und verweisen auf die Schwierigkeiten westlicher Behörden, diese komplexen Strukturen zu durchdringen, um Sanktionen durchzusetzen."
"Ein ehemaliger hochrangiger US-Beamter für die Durchsetzung von Sanktionen sagte, die Umstrukturierung der Trusts könne als wirksames Mittel eingesetzt werden, um jemanden von Vermögenswerten zu distanzieren, die aufgrund von Sanktionen eingefroren werden könnten. 'Es ist oft schwierig, die Eigentumsverhältnisse zu klären, da die Vermögenswerte über Briefkastenfirmen und Treuhandgesellschaften verwaltet werden', hieß es. 'Und wenn man dann noch weitere Abstraktionsebenen in Bezug auf die Kontrolle der Vermögenswerte hinzufügt, kann die Durchsetzung zu einer sehr schwierigen Aufgabe werden'", so The Guardian.
Es gebe tatsächlich Hinweise, dass Behörden bei der "Aufspürung von Vermögenswerten, die mit dem Oligarchen in Verbindung stehen, vor Herausforderungen stehen", berichtet die Zeitung. Es könnte nun auch sehr schwierig werden, die Vermögenswerte, die sich bereits im Visier der Behörden befinden, mit dem Milliardär in Verbindung zu bringen, meint The Guardian. Ferner stelle sich die Frage, so britische Journalisten, ob Abramowitschs Kinder nun ebenfalls sanktioniert werden sollten und das Vermögen des Oligarchen, das nun ihnen gehört, einzufrieren sei.
Mehr zum Thema - Abramowitsch und weitere russische Geschäftsleute klagen gegen Sanktionsbeschlüsse des EU-Rats