Wjatscheslaw Wolodin, der Sprecher der Staatsduma, des russischen Unterhauses des Parlaments, hat erklärt, dass eine mögliche Beschlagnahme russischer Gelder und Besitztümer durch Deutschland und deren anschließende Überweisung an die Ukraine einen gefährlichen Präzedenzfall im Völkerrecht schaffen könnte. In einem Beitrag auf seinem offiziellen Telegram-Kanal schrieb Wolodin am Donnerstag, die Maßnahme verstoße gegen das Völkerrecht und könne andere Länder zu ähnlichen Maßnahmen veranlassen. Der russische Politiker warnte:
"Sie planen, russisches Vermögen zu beschlagnahmen, um die Ukraine wieder aufzubauen. (...) Dies wird einen Prozess in Gang setzen, bei dem alle Staaten das Völkerrecht ignorieren und sich nach eigenem Ermessen nehmen, was sie für richtig halten."
Er fügte hinzu, dass die deutsche Führung sich "an die Geschichte ihres eigenen Landes erinnern sollte, wie Versuche, in das Eigentum eines anderen einzugreifen, endeten". Wolodin betonte, dass Russland das Recht habe, ähnliche Schritte gegen Deutschland zu unternehmen, wenn russische Gelder beschlagnahmt würden:
"Wir leben jetzt in einer anderen Realität: nicht nur gemäß der UN-Charta, sondern auch auf der Grundlage von Präzedenzfällen. Es gibt keine einseitigen Entscheidungen, die Regeln müssen für alle gleich sein. Das gilt auch für die Beschlagnahme von Geld und Eigentum. Sobald eine solche Entscheidung getroffen ist, haben wir das Recht, ähnliche Maßnahmen gegen das Vermögen Deutschlands und anderer Staaten zu ergreifen."
Die Idee, eingefrorene russische Vermögenswerte zu beschlagnahmen, um den Wiederaufbau der Ukraine zu unterstützen, wird in der EU schon seit einiger Zeit diskutiert. Einem kürzlich erschienenen Bericht von Bloomberg zufolge hat Berlin die Verhandlungen über diesen umstrittenen Schritt intensiviert und erwägt die Option einer selektiven Beschlagnahme von Vermögenswerten, wobei nur die Gelder von Russen beschlagnahmt werden sollen, deren Beteiligung an der Ukraine-Operation erwiesen ist.
Berichten zufolge gibt es jedoch innerhalb der deutschen Regierung unterschiedliche Meinungen darüber, ob und in welchem Umfang diese Maßnahme eingeführt werden soll. Der selektive Ansatz wäre zum Beispiel schwer umzusetzen, da es Jahre dauern könnte, bis jeder Fall vor Gericht verhandelt ist, warnen Analysten.
Im Zuge der Sanktionen, die auf den Beginn der russischen Militäroperation in der Ukraine im vergangenen Februar folgten, froren westliche Regierungen rund 300 Milliarden Euro (311 Milliarden Dollar) an Reserven der russischen Zentralbank sowie Milliarden an Vermögenswerten sanktionierter russischer Geschäftsleute ein.
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