Von Timur Fomenko
Kurz vor Weihnachten hat der US-Kongress das Autorisierungsgesetz für die nationale Verteidigung (National Defense Authorization Act – NDAA) verabschiedet. Ein Gesetz, das alle Militärausgaben der USA für das kommende Jahr festlegt.
Der Schlüssel zum Verständnis der Verabschiedung des NDAA ist, dass dies ein jährliches Ritual darstellt, wobei der Umfang der zugesprochenen Gelder immer größer und es letztendlich nie abgelehnt wird. Trotzdem ist es ein heiß diskutierter Gesetzentwurf, denn es geht in der Debatte letztlich um die Frage, wer was, warum und wie viel bekommen soll. Der militärisch-industrielle Komplex der USA will sein Geld, und die Debatte zum NDAA wird damit zu einem jährlich wiederkehrenden Fest für Lobbyisten und Waffenbeschaffer.
Der Gesetzentwurf ist aber auch ein Hebel, mit dem US-Senatoren erfolgreich ihre Agenden auf anderen Gebieten durchsetzen können. Wie es bei Haushaltsdebatten auf dem Capitol Hill jeweils der Fall ist, engagieren sich viele Kongressabgeordnete, vor allem vor dem Ende der Session zum Jahresende, im Prozess des "Huckepack". Wobei sie danach streben, kleinere Haushalte in anderen Bereichen an den größeren Haushalt des NDAA zu knüpfen – als Bedingung dafür, dass sie diesen durchwinken. Als ein ungewöhnliches Beispiel für ein solches Huckepack wurden im Jahr 2020 Sanktionen gegen China im Zusammenhang mit Tibet verabschiedet, als Bestandteil eines Stimulus-Gesetzes des Kongresses. So funktioniert das Spiel.
Infolgedessen ist das NDAA, besonders wegen seiner Auswirkungen auf die nationale Sicherheit und seines hochgradig militaristischen Charakters, stets reif für Anti-China-Gesetze aller Art, die beigefügt und durchgesetzt werden. Zufällig wurde dieses Jahr ein Gesetz verabschiedet, das "Erweiterte Stabilität für Taiwan" (TERA) genannt wurde. Dieses Gesetz schreibt vor, dass bis zu zehn Milliarden US-Dollar an jährlicher Militärhilfe für die Insel bereitgestellt werden müssen – es wurde von Senatoren aus dem Flügel der Falken eingebracht, und durchgepeitscht.
China war erwartungsgemäß nicht glücklich darüber und reagierte mit der größten Machtdemonstration seit dem höchst provokativen Besuch von Nancy Pelosi in Taiwan im vergangenen August: Wie von Associated Press (AP) beschrieben, entsandte Peking am 1. Weihnachtstag "71 Flugzeuge und sieben Schiffe in Richtung Taiwan, für eine 24-stündige Machtdemonstration gegenüber der Insel", wodurch die Spannungen in der Region erneut in die Höhe schossen. Die militärischen Übungen erinnern uns daran: Obwohl es eine kleine Annäherung zwischen China und dem Westen gab, hat sich in Wirklichkeit nichts in Bezug auf Taiwan geändert. Und mehr noch als die Biden-Regierung selbst ist es der US-Kongress, der die Spannungen aktiv anheizt.
Taiwan ist zum Kernstück der US-Strategie zur Eindämmung Chinas geworden. Washington will die De-facto-Unabhängigkeit und Trennung der Insel vom Festland um jeden Preis aufrechterhalten und sieht sie als strategisches, technologisches, politisches und militärisches Bollwerk. Taiwan ist eine entscheidende Figur auf dem Schachbrett, und wenn diese Figur fällt, wird dies China ermöglichen, die militärische Hegemonie in der asiatisch-pazifischen Region über die Seewege zu erlangen, die es früher oder später kontrollieren wird. Trotz des Bekenntnisses zur "Ein-China-Politik", mit dem die USA angeblich die chinesische Souveränität über Taiwan anerkennen, hat Washington seine Unterstützung für die Insel erheblich ausgebaut und Taipeh ermutigt, sich auf das Abenteuer einer Unabhängigkeit einzulassen. Was unweigerlich zu Spannungen geführt hat.
Die US-Strategie endet damit jedoch nicht. Als sich die Spannungen verschärften und Peking reagierte, drehten die USA den Spieß um, nannten China "den Aggressor" und beschuldigten Peking, die Region zu destabilisieren. Nachdem man so die Gefahr hochgeschaukelt hat, wird man dann bei anderen Ländern in der Region vorstellig, wie den Philippinen, Japan und Südkorea. Man fordert sie auf, Partei zu ergreifen, und erklärt ihnen, dass sie in dieser Angelegenheit nicht neutral bleiben können. Dies ermöglicht den Vereinigten Staaten, ihre eigene Machtprojektion in der Region zu maximieren, Spannungen zu erhöhen und die regionale Integration zwischen einigen dieser Länder und China zu untergraben. Angesichts dessen ist es keine Überraschung, dass viele US-Falken, insbesondere im Kongress, den Gedanken auskosten, die Spannungen absichtlich weiter eskalieren zu lassen.
Aus diesem Grund kamen die größten Provokationen aus den USA in Bezug auf Taiwan im Jahr 2022 eigentlich nicht von Präsident Joe Biden oder seiner Administration, sondern von Kongressabgeordneten. Während dies die Reise von Nancy Pelosi auf die Insel mit einschließt, sind viele andere Kongressabgeordnete ebenfalls auf den Zug aufgesprungen und ihrem Beispiel gefolgt. Schlimmer noch, der Konflikt in der Ukraine hat diese Kongressabgeordneten und Anti-China-Figuren auch noch dazu ermutigt, stärker auf Taiwan einzuwirken, indem sie Parallelen zwischen den beiden Situationen zu ziehen begannen. Was schließlich auch einige entschlossene Politiker in Taipeh dazu ermutigt hat, Aufmerksamkeit für ihre Unterstützung für Kiew zu heischen.
Zusätzlich gibt es eine wachsende Anhäufung von Gesetzesvorschlägen zur weiteren Unterstützung von Taiwan, die von Senatoren wie Bob Menendez und Marco Rubio eingebracht werden. Aufgrund der Gewaltenteilung ist es für das Weiße Haus schwierig, die perfekte Kontrolle über seine Außenpolitik zu behalten. Es findet sich daher oft in der Situation wieder, gegenüber Peking falsche Zusicherungen gemacht zu haben, weil Washingtons Handeln in der Praxis dann anders aussieht. Das bedeutet: Selbst wenn Biden sich ausdrücklich dafür entscheidet, zu einem bestimmten Zeitpunkt keine Spannungen mit China zu erzeugen, haben Kongressabgeordnete die Macht, diese mit Einlagen wie den oben beschriebenen trotzdem anzuheizen.
Dies alles bedeutet, dass es im Jahr 2023 keine Abnahme der Spannungen im Zusammenhang mit Taiwan geben und sich die Angelegenheit nur noch verschärfen wird. US-Kongressabgeordnete werden weiterhin in dieser Frage die politischen Grenzen verschieben, um Peking zu einer Reaktion zu provozieren, so wie es am 1. Weihnachtstag und bei dem Besuch von Pelosi der Fall war. Nur um anschließend Festlandchina als Aggressor darzustellen, der die regionale Stabilität gefährdet.
China mag das Gefühl haben, Abschreckung zu demonstrieren und hart zu handeln. Aber das Ergebnis dessen ist letztendlich, dass die Dinge nur noch schlimmer werden. Taiwan ist ein Teufelskreis. Aber wie lange wird es noch so weitergehen können, bis Peking endgültig die Geduld verliert?
Aus dem Englischen.
Timur Fomenko ist ein politischer Analyst.
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