Eine Analyse von Timur Fomenko
Vor über 20 Jahren veröffentlichte der Autor Gordon Chang ein Buch mit dem Titel "The Coming Collapse of China" (Der bevorstehende Zusammenbruch von China) – ein Text, der den Untergang der regierenden Kommunistischen Partei des Landes durch eine Implosion im Finanzsektor vorhersagte. Zwei Jahrzehnte später hat sich Chang zu einem rechtskonservativen Kommentator entwickelt, der in den amerikanischen Mainstream-Medien, von Fox News bis NBC, giftige Attacken gegen Peking reitet.
Aus diesem Grund ist es auch nicht verwunderlich, dass Chang selten an der Seite von ernsthafteren China-Beobachtern und -Analysten zu sehen ist. Dennoch lebt das Gefühl oder die Geisteshaltung, die er in seinem Buch vertritt, weiter. Kürzlich wurde in der Zeitschrift Foreign Affairs ein Artikel mit dem Titel "Chinas gefährlicher Niedergang" von Jonathan Tepperman publiziert, einem respektablen und unumstrittenen Mann.
In seinem Artikel folgt Tepperman einer Geisteshaltung, die von einer Gruppe von Denkern vertreten wird. Sie argumentieren, dass der sogenannte "Aufstieg Chinas" – ein Begriff, der in den Mainstream-Medien und der Politik sowie in Peking selbst fest verankert ist – tatsächlich vorüber ist. Ein solcher Aufstieg, der in den vergangenen rund 40 Jahren von einem rasanten Wirtschaftswachstum geprägt war, soll durch die Politik von Xi Jinping, den Tepperman als den "bösen Kaiser" bezeichnet, beendet worden sein.
Er argumentiert, dass Chinas Wirtschaftswachstum wegen der COVID-19-Politik, des Durchgreifens im Technologiesektor, der drohenden Schuldenkrise und zukünftiger demografischer Probleme über Bord geworfen wurde. In seiner These beschreibt er die Zukunft Chinas, als die eines "übergroßen Nordkoreas", glaubt, dass China dadurch gefährlicher wird und warnt vor einem amerikanischen Triumphalismus, wie er sich am Ende des Kalten Krieges manifestiert hatte. Die Argumentation von Tepperman versucht nicht, das Ende des kommunistischen China vorherzusagen, wie es Gordon Chang getan hat, aber in vielerlei Hinsicht geht er von denselben Annahmen aus, die den breiteren Diskurs im Westen dominieren. Das heißt, "China ist auf die eine oder andere Weise zum Scheitern verurteilt".
Für Tepperman hat Xi China dem Untergang geweiht, indem er das Land absichtlich vom Weg der weiteren Verwestlichung und Liberalisierung abgebracht und hin zu einer stärker zentralisierten Führung gelenkt hat, mit der die Autorität und die Ideologie der Partei in Chinas Regierungsführung wiederbelebt wurde. Dies ist auch ein wiederkehrendes Thema in westlichen Kommentaren und ein wesentlicher Faktor dafür, warum sich die westliche Politik gegenüber Peking geändert hat. Dies liegt daran, dass die These vom "Ende der Geschichte", wie sie von Francis Fukuyama verfochten wurde, vielleicht in berühmt-berüchtigter Weise auf dem sehr amerikanischen Triumphalismus nach dem Kalten Krieg aufbaut, den Tepperman auch anspricht. Tatsächlich wurde aber geglaubt, dass Chinas Übergang zu einer liberalen Demokratie nur noch eine Frage der Zeit sei.
Aufgrund dieser ideologischen Zuversicht und der Überzeugung vom endgültigen Sieg des Liberalismus wurde Chinas Wachstum so viele Jahrzehnte lang geduldet und nicht früher versucht, das Land einzudämmen. Während China jedoch weiter wuchs, fand die lang erwartete Liberalisierung nicht statt. Stattdessen beging Xi einen Akt der Blasphemie und gestaltete Chinas politische Entwicklung auf eine Weise, die der Westen nicht erwartet hatte. Schlimmer noch, Xi hat China als Macht positioniert, um die Welt auf eine Weise zu gestalten, die als nachteilig für die amerikanische Hegemonie angesehen wird. Als Chinas unvermeidlicher "Zusammenbruch" nicht erfolgte, wurde auf den Versuch umgeschaltet, China durch geopolitische Konfrontation und einem neuen Zeitalter des Wettbewerbs unter den Großmächten zum Scheitern zu "zwingen".
Aus diesem Grund ist in westlichen Kommentaren ein neues Denkmuster entstanden, in dem die Hoffnung vorherrscht, dass das politische Projekt von Xi – den Aufstieg Chinas als kommunistische Macht; den Versuch, Taiwan wieder mit dem Festland zu vereinen; die größte Volkswirtschaft der Welt zu werden und die Vollendung der "Belt and Road"-Initiative – im Scheitern enden wird. Nachdem das Regime nicht zusammengebrochen ist oder sich reformiert hat, so wie früher erwartet wurde, liegt die Hoffnung jetzt auf Scheitern und Stagnation. Denn wenn China erfolgreich bleibt, dann würde dies die unangefochtene Vormachtstellung des westlichen Modells dauerhaft schwächen. Deshalb wird China in der täglichen Berichterstattung nichts zugetraut und jede einzelne Entwicklung als dramatische Katastrophe dargestellt oder einem Scheitern der Regierungsführung zugeschrieben, was in jedem Fall immer die Schuld von Xi Jinping ist.
Also bleibt die Frage, ist China wirklich im Niedergang? Das ganze Jahr über haben viele Medien das Land wegen seiner selbst auferlegten wirtschaftlichen Rückschläge durch die "Null-COVID"-Politik angegriffen, nur um dann eine Kehrtwende zu vollziehen und zu beklagen, dass die Beendigung dieser Politik ebenfalls eine Katastrophe ist. Die intuitive Voreingenommenheit einer solchen Berichterstattung brandmarkt alles, was China tut, in problematischer Weise als pessimistisch bis zu dem Punkt, an dem man versucht sein könnte, China zu früh abzuschreiben. Schlimmer noch, die gleichen Berichtskriterien werden niemals auf westliche Volkswirtschaften angewendet, die wirtschaftlich ein ebenso miserables Jahr hinter sich haben.
Dies war kein glorreiches Jahr für die USA oder Europa, die trotz Bidens öffentlich verbreiteter Fehleinschätzung immer noch weniger Wachstum erzielen werden als China – und nicht nur in diesem Jahr, sondern auch im nächsten Jahr. Daher gibt es keinen endgültigen Grund zu der Annahme, dass China sich im Niedergang befindet. Die Aussichten auf einen Wettbewerb mit den USA werden wahrscheinlich von Pekings Fähigkeit zur Innovation und vom Ausbruch aus der technologischen Blockade der USA getragen.
Aus dem Englischen
Timur Fomenko ist ein politischer Analyst
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